Pressemitteilung

CDU-Gericht weist Klage ab: LobbyControl wertet Urteilsbegründung dennoch als Teilerfolg

Das CDU-Parteigericht hat heute entschieden, dass der Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU weiterhin als Dauergast im Parteivorstand sitzen darf.

von 28. April 2023

Das CDU-Parteigericht hat heute entschieden, dass der Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU weiterhin als Dauergast im Parteivorstand sitzen darf. Es weist die Klage des CDU-Mitglieds Luke Neite auf formalen Gründen ab. Neite hatte mit Unterstützung von LobbyControl vor dem Parteigericht geklagt. Zugleich erschließt sich aus der Urteilsbegründung, dass das Parteigericht den Dauergaststatus der Wirtschaftsratsvertreterin als fragwürdig ansieht. LobbyControl bedauert die Entscheidung, betrachtet sie aber auch als einen Teilerfolg. Die CDU müsse nun endlich die Lobbyvertreterin aus ihrem Vorstand abziehen – dazu habe die Urteilsbegründung ausreichend Argumente geliefert. Zugleich erwägt der Verein weitere Schritte.

Lobbyverband mit Zugang zu Parteivorstand

Der „Wirtschaftsrat der CDU“ hat seit Jahren den Status eines ständigen Dauergasts im CDU-Parteivorstand inne – einschließlich eines Rederechts. Der Wirtschaftsrat ist ein Lobbyverband, der Unternehmen direkte Zugänge zu CDU-Politiker:innen bietet. Das widerspricht laut einem von LobbyControl beauftragten Rechtsgutachten auch dem Parteigesetz und der Partei-Satzung, denn dadurch hat der Lobbyverband privilegierte Zugänge zum Machtzentrum der Partei. Dies stellt auch das Parteigericht als „vertretbare Rechtsauffassung“ dar. Das Parteigericht wies die Klage dennoch ab, weil es die Klagebefugnis des Klägers als einfaches Parteimitglied in Frage stellt. Der Kläger sei als einfaches Basismitglied nicht klageberechtigt, da er kein Delegierter auf einem Bundesparteitag gewesen sei, hieß es in der Urteilsbegründung.

Teilerfolg: weitere Schritte werden nun geprüft

„Es ist bedauerlich, dass das CDU-Parteigericht es aus formalen Gründen weiterhin zulässt, dass ein parteiexterner Wirtschaftslobbyverband privilegierte Zugänge in die Partei erhält, die andere gesellschaftliche Gruppen so nicht haben. Das widerspricht demokratischen Prinzipien generell und nach Ansichten vieler renommierter Parteienrechtler:innen auch dem Parteiengesetz. Auch die Urteilsbegründung des Parteiengerichts macht hier große Fragezeichen an die laufende Praxis. Damit stärkt das Urteil durchaus unsere Anliegen. Das werten wir als wichtigen Teilerfolg. Die CDU sollte die Urteilsbegründung als Aufforderung sehen, der Präsidentin des Wirtschaftsrats nicht länger einen Dauergaststatus zu gewähren. Wir werden nun weitere Schritte prüfen – einschließlich der Unterstützung weiterer Klagen,“ kommentiert Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl. Zu diesen Schritten könnte etwa eine erneute Klage eines Parteimitglieds mit Delegiertenstatus vor dem Parteigericht oder der Gang vor das Zivilgericht gehören.

Parteivorstand muss demokratischen Prinzipien unterliegen

Der Wirtschaftsrat der CDU ist als Berufsverband organisiert und hat formal keinerlei Verbindungen mit der Partei. Deswegen unterliegt er auch nicht den Transparenzpflichten des Parteiengesetz. Das Parteiengesetz sieht aber vor, dass ein Parteivorstand nach demokratischen Prinzipien besetzt sein muss – und nicht parteiexterne Gruppen kooptiert werden dürfen. Die Partei hatte Vertreter:innen des Wirtschaftsrats als Dauergäste mit Rederecht seit Jahren in den CDU-Parteivorstand kooptiert. Bis vor wenigen Jahren waren diese noch wie jedes anderes Vorstandsmitglied auch entsprechend auf den Vorstandsseiten der Partei aufgeführt.

LobbyControl hatte den Dauergaststatus des Wirtschaftsrats im CDU-Vorstand schon seit März 2021 immer wieder scharf kritisiert und Anfang 2022 ein umfangreiches Rechtsgutachten dazu vorgelegt. Im Mai 2022 reichte das CDU-Mitglied Luke Neite mit Unterstützung von LobbyControl schließlich eine Klageschrift gegen den CDU-Vorstand ein. „Das jetzige Urteil zeigt, wie unter dem Brennglas, die problematischen Prioritäten der Parteispitze: Ein Lobbyverband, der formell nichts mit der Partei zu tun hat, bekommt ein Dauergastrecht. Der Basis dagegen wird das Kritikrecht abgesprochen“, so Luke Neite, CDU-Mitglied und Kläger.

CDU-Chef Merz muss Distanz zu Lobbyverband wahren

Der „Wirtschaftsrat der CDU“ ist in besonderem Maße mit dem jetzigen Parteichef Friedrich Merz verbunden: Merz hatte dort jahrelang Spitzenfunktionen inne und löste diese erst kurz vor Beginn seiner letzten Kandidatur zum Parteivorstand auf. „Das Urteil ist auch für all jene Parteimitglieder zweischneidig, die den einseitigen Einfluss des Lobbyverbands immer wieder kritisiert haben. Es ist nicht im Interesse einer Volkspartei, wenn diese einseitig von ohnehin finanzstarken Akteuren beeinflusst wird. Es wäre gut, wenn das Parteigericht dies hätte klären können.“ Wirtschaftsnahe Partei-Vorfeldorganisationen gibt es auch im Umfeld anderer Parteien. LobbyControl hatte im Frühjahr 2022 ebenfalls die FDP dafür kritisiert, dass sie den „Liberalen Mittelstand“ in ihrem Parteivorstand vertreten hatte. Die FDP entschloss sich wenig später, diesen unrechtmäßigen Zustand zu beenden – und kam damit einer möglichen Klage zuvor. Im Umfeld der Grünen wurde jüngst die „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“ gegründet – allerdings ohne Sitz im Parteivorstand.

Vorfeldorganisationen vermischen Partei- und Lobbyarbeit

Die Parteiorganisationen im Umfeld von SPD, Grünen und CSU bieten ebenfalls fragwürdige privilegierte Zugänge zu Politiker:innen der jeweiligen Parteien – sie haben allerdings keinen unrechtmäßigen Sitz im Parteivorstand. „Wirtschaftsverbände im Vorfeld der Parteien sind exklusive Lobbykanäle für Unternehmen. Sie schaffen ein Umfeld, das Nähe und Vertrautheit zwischen Unternehmen und Parteimitgliedern herstellt und politische Zugänge öffnet. Verstärkt wird diese Nähe durch die Zahlung von Förder- und zum Teil auch Sponsorengeldern. Eine solche Vermischung von Partei- und Lobbyarbeit ist problematisch, weil diese privilegierte Zugänge nur für ohnehin finanziell gut ausgestattete Akteure herstellt. Alle Parteien sollten deshalb auf Abstand zu den ihnen nahestehenden Wirtschaftslobbyverbänden gehen.“

Hintergrund zur Klage:

Nachdem LobbyControl öffentlich kritisiert hatte, dass ein Lobbyverband im CDU-Parteivorstand sitzt, ist das CDU-Mitglied Luke Neite mit finanzieller Unterstützung von LobbyControl gegen den CDU-Vorstand vor das CDU-Parteigericht gezogen. LobbyControl selbst ist als Verein nicht klageberechtigt. Der Wirtschaftsrat darf offenbar nun weiterhin regelmäßig an den Vorstandssitzungen teilnehmen. Das Parteigericht besteht aus fünf CDU-Mitgliedern, die für eine Amtszeit von vier Jahren ernannt werden und von denen drei – einschließlich der oder des Vorsitzenden – die Befähigung zum Richteramt innehaben müssen. Das Verfahren ist in der Parteisatzung geregelt und entspricht den Vorgaben des Parteigesetzes. Auch die beteiligten Anwälte müssen Parteimitglieder sein. Das Parteigericht tagte am 2.3. im Konrad-Adenauer-Haus. Das Urteil wurde heute veröffentlicht.


Wirtschaftsrat der CDU: Schluss mit Privilegien für die Wirtschaftslobby!


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