Parteienfinanzierung

Wer finanzierte die Parteien 2020?

Mit deutlicher Verzögerung veröffentlichte der Bundestag Ende Mai endlich die Rechenschaftsberichte der Parteien. Damit soll transparent gemacht werden, wie die Parteien finanziell unterstützt werden.

von 20. Juni 2022

Die Rechenschaftsberichte der Parteien geben – zumindest teilweise – Auskunft darüber, welche Unternehmen, Verbände und vermögende Einzelpersonen eine Partei finanziell unterstützten. Das soll mögliche illegitime Einflüsse auf die Parteipolitik sichtbar machen – und am besten von Vornherein verhindern. Nur mit diesem Einblick lassen sich mögliche Zusammenhänge zwischen finanziellen Zuwendungen und politischem Handeln beurteilen oder kritisieren.

Informationen sollten früher veröffentlicht werden

Das Problem: Je länger es dauert, Transparenz herzustellen, desto schwieriger wird es, die private Parteienfinanzierung kritisch zu überprüfen. Daher fordern wir schon lange, dass die Veröffentlichung der Daten deutlich schneller gehen muss. Insbesondere in Wahlkämpfen ist es wichtig, dass Wähler:innen und Öffentlichkeit sich ein Bild darüber machen können, von wem eine Partei finanziell unterstützt wird. Dass die Parteien schneller und umfassender als bisher Transparenz über ihre Finanzen herstellen sollten, sehen nicht nur wir so, sondern auch internationale Organisationen und Institutionen wie der Europarat, die Vereinten Nationen (pdf) und inzwischen auch die EU-Kommission (pdf). All diese haben Deutschlands mangelnde Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung bereits thematisiert.

Ein einfacher Weg, zumindest die Transparenz über klassische Parteispenden deutlich zu verbessern, wäre die Absenkung der Schwelle, ab der Spenden unmittelbar an die Bundestagspräsidentin gemeldet und zeitnah veröffentlicht werden müssen. Diese Schwelle liegt derzeit bei 50.000 Euro. Alle drei genannten internationalen Institutionen haben Deutschland aufgefordert, diese Schwelle abzusenken. Gemeinsam mit Transparency International Deutschland und Abgeordnetenwatch.de fordern wir neben weiteren Maßnahmen, Spenden künftig bereits ab 10.000 Euro direkt zu veröffentlichen.

In den Koalitionsverhandlungen haben die Ampel-Parteien das Thema immerhin aufgegriffen, sich dann aber lediglich auf die krumme Summe von 37.500 Euro als neuen Schwellwert geeignet. Umgesetzt ist das allerdings noch nicht und es reicht auch nicht aus, um einen wesentlichen Transparenzgewinn zu erzielen.

Spenden 2020: CDU profitierte am stärksten

Doch was lässt sich aus den Berichten von vorletztem Jahr herauslesen? Da es sich um kein relevantes Wahljahr handelte, ist die Summe aller Spenden an die im Bundestag vertretenen Parteien mit knapp über 71,2 Mio. Euro deutlich geringer als im Bundestagswahljahr 2017 (90,6 Mio. Euro). Damit lag die Spendensumme aber immerhin auf dem Niveau des Europawahljahres 2019 (73 Mio. Euro) und deutlich über 2018 (54,8 Mio. Euro).

Mit 26,7 Mio. Euro erhielt die CDU 2020 wie schon in den Vorjahren mit großem Abstand am meisten Spenden, gefolgt von der CSU mit 12,8 Mio. Euro. Mit fast 40 der knapp über 70 Mio. Euro warben die Unionsparteien damit den Löwenanteil der Spenden von Privatpersonen, Unternehmen und Verbänden ein. Gemessen an den Gesamteinnahmen machten Parteispenden bei der CSU mit über 28 Prozent ihrer Einnahmen den größten Anteil aus, vor der AfD mit 19 Prozent und der FDP mit 17 Prozent. Bei Bündnis 90/Die Grünen liegt diese Quote bei knapp unter 10 Prozent, am niedrigsten ist sie bei SPD und der Linken mit jeweils etwas mehr als 7 Prozent.

Zu viele Spenden bleiben intransparent

Da auch in den Rechenschaftsberichten nur Spenden über 10.000 Euro namentlich ausgewiesen werden müssen, bleibt die Herkunft eines großen Anteils der Spendeneinnahmen unbekannt.

Die recht hohe Schwelle können sich Geldgebende oder auch die Empfänger:innen gezielt zunutze machen, um Zuwendungen der öffentlichen Debatte zu entziehen. 2020 sorgte diesbezüglich ein Spendendinner zu Gunsten des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) für Aufsehen, da die Teilnehmenden dazu aufgerufen wurden, ganz knapp unter der Schwelle an Spahns Kreisverband zu spenden.

Die Schwelle sollte deutlich abgesenkt werden – auf 2000 Euro, so die verbreitete Forderung. Gerade auf Kreisebene können auch Summen unter 10.000 Euro viel bewegen und entsprechend kritisch sollten mögliche illegitime Einflüsse diskutiert werden können. In den Koalitionsverhandlungen einigten sich die Ampel-Verhandler:innen diesbezüglich auf eine weitere krumme Summe: 7.500 Euro. Sinkt die Schwelle lediglich um 2.500 Euro auf diesen Betrag, verbessert sich die Situation nur unwesentlich.

2020 blieb bei fast Dreiviertel der Parteispenden von juristischen Personen (72,5 Prozent), also Unternehmen, Verbände und Stiftungen, die konkrete Herkunft unbekannt (siehe Grafik oben). Bei den natürlichen Personen waren es sogar über 83 Prozent, was insofern nicht überraschend ist, als dass natürliche Personen im Schnitt deutlich geringere Summen spenden. Der Einfluss nicht-natürlicher Personen auf die finanzielle Ausstattung von Parteien und Wahlkämpfen ist allerdings ein besonders sensibles Thema – schließlich haben Sie kein Stimmrecht bei Wahlen. In einigen europäischen Ländern sind Parteispenden juristischer Personen deshalb verboten.

Die Top-Spender: Die Immo-Lobby mischt wieder ganz vorne mit

Wie schon 2019 fällt beim Blick auf die Liste der Top-Spender auf: Aus der Immobilien- und Baubranche flossen wieder besonders große Summen. Drei der fünf Top-Spender stammen aus dieser Branche, alle spendeten ausschließlich an die CDU (siehe Tabelle). Besonders heraus sticht der Immobilienunternehmer Christoph Gröner, der als Privatperson und über die Gröner Family Office GmbH insgesamt 820.000 Euro an die Berliner CDU spendete. Damit führt Gröner noch vor den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie die Spenderliste 2020 an.

Gröner wollte nach eigener Aussage Kräfte gegen den Berliner Mietendeckel unterstützen, gegen den sich die CDU in Berlin engagierte. Die Berliner CDU freute sich über die große Unterstützung „aus der Gesellschaft“. Ob diese Freude aus Demokratiesicht gerechtfertigt ist, darf bezweifelt werden. Denn solch große Zuwendungen von reichen Einzelpersonen, Verbänden oder Unternehmen sorgen immer wieder für ein Glaubwürdigkeitsproblem auf Seiten der Parteien.

Denn diese Großspenden sind eben keine freundliche Unterstützung „aus der Gesellschaft“, sondern kommen von wenigen extrem Vermögenden, Konzernen und ihren Verbänden. Die allermeisten Menschen können ihren Interessen, ob finanziell oder politisch, nicht mit Parteispenden im sechsstelligen Bereich zusätzliches Gewicht verleihen. In einer Demokratie soll aber jede Stimme gleich zählen. Deshalb sind Großspenden von Einzelnen für die Demokratie ein Problem.

Spendendeckel als Obergrenze nötig

Im Bundestagswahlkampf 2021 sahen wir noch höhere Spenden als die von Gröner und Co. im Jahr zuvor. Die höchsten Einzelspenden sammelten mit jeweils 1,25 Mio. und 1 Mio. Euro die Grünen ein. Beide Grünen-Großspender sagten öffentlich, dass sie damit eine effektive Klimapolitik unterstützen wollten. Aber ob nun für mehr Klimaschutz, gegen einen Mietendeckel oder für oder gegen den Erhalt des Verbrennermotors – unabhängig von den verfolgten Zielen ist es im Sinne der Demokratie nicht gerechtfertigt, dass Einzelne dermaßen Einfluss auf die finanzielle Ausstattung von Parteien nehmen können.

Daher fordern wir eine Obergrenze für Parteispenden, die bei maximal 50.000 Euro je Spender:in und Jahr liegen sollte. Einen solchen, oft auch deutlich niedriger angesetzten Parteispenden-Deckel haben die meisten europäischen Länder schon längst. Die Ampel-Koalition konnte sich über eine Einführung auch in Deutschland bisher jedoch nicht einigen. Mit unserem öffentlichen Appell wollen wir bei der Politik dafür weiterhin Druck machen – hier können auch Sie unterschreiben.

Eine solche Deckelung würde auch für Spenden von Verbänden gelten. Hier zählen die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie traditionell zu den ganz großen Spendern, die ihre Gelder aber nicht nur einer Partei zukommen lassen, sondern breiter streuen. 2020 bekamen CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP zusammen 806.000 Euro von den Regionalverbänden aus Baden-Württemberg („Südwestmetall“) und Nordrhein-Westfalen. Zumindest für Südwestmetall waren dies allerdings Abschiedsgeschenke an die Parteien – 2021 erklärte der Verband, künftig nicht mehr zu spenden, da dies den Mitgliedsunternehmen in der Corona-Krise nicht mehr zu vermitteln sei. Die FDP beschwerte sich sogleich und wünschte sich von „Industriekapitänen und Konzernführern […] mehr parteipolitisches Engagement“ (Michael Theurer, stellv. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion). Gegen Engagement gibt es nichts einzuwenden – aber dieses muss ja nicht unbedingt die Gestalt von Großspenden annehmen.

Aktenzeichen AfD weiterhin größtenteils ungelöst

Besonderes Augenmerk verdient der Rechenschaftsbericht der AfD, die in den größten Parteispendenskandal der letzten Jahre verwickelt ist. Bei neun Landtagswahlen und der Bundestagswahl 2017 erhielt sie verdeckte Wahlkampfhilfe – Plakate, Gratiszeitungen, Online-Anzeigen, Geldspenden – im Wert von mehreren Millionen Euro. Nur in einem der zahlreichen Fälle konnten Polizei und Staatsanwaltschaft bisher einen Geldgeber identifizieren, den Immobilien-Milliardär Henning Conle, der der AfD 132.000 Euro für den Wahlkampf von Alice Weidel zugeschanzt hatte. In diesem und anderen Fällen hatte die AfD Namen angeblicher Geldgeber präsentiert, die sich im Rahmen der Ermittlungen jedoch als Strohleute herausstellten.

Bisher wurde die Partei bereits zu Geldstrafen in Höhe von insgesamt 978.900 Euro verurteilt. Im aktuellen Rechenschaftsbericht nimmt die AfD auf einige dieser Fälle Bezug und zeigt, dass sie immer noch an der verqueren Rechtsauffassung festhält, mit der sie mehrmals vor Gericht gescheitert ist. So hat sie Berufung gegen das Urteil im Weidel-Fall eingelegt. Zur Aufklärung hat die Partei bis heute nichts beigetragen. Auch deshalb fordern wir schon seit Jahren, schärfere gesetzliche Regelungen für Wahlkampfhilfe Dritter zu beschließen. Die Ampel-Koalition hat dies in ihrem Koalitionsvertrag als Absicht formuliert – doch nun muss sie wirklich handeln. 

Parteisponsoring muss endlich transparent werden

Völlig intransparent ist bisher die Unterstützung von Parteien durch Sponsoring. Nur Sammelposten werden in den Rechenschaftsberichten genannt, ohne dass die Namen der Sponsoren, Beträge oder Anlässe genannt werden. Als Reaktion auf die Sponsorskandale der letzten Jahre wie „Rent-a-Rüttgers“ und „Rent-a-Sozi“ legen Grüne und SPD einen Teil ihrer Sponsoreinnahmen freiwillig offen. Doch das reicht nicht – gerade die mutmaßlich größten Sponsorbegünstigten FDP und Union haben sich bisher stets gegen jede Offenlegung gesperrt.

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung das Parteisponsoring endlich per Gesetz offenlegen. Das ist seit vielen Jahren überfällig, denn immer mehr einstige Großspender haben auf Sponsoring umgestellt und finanzieren Parteien nun ausschließlich unter einem Deckmantel der Intransparenz. Dazu gehören mit BMW, Daimler und VW auch alle großen deutschen Autobauer.

Unterzeichnen Sie unseren Appell, damit Parteisponsoring bald offengelegt werden muss! 

Weitere Informationen:

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