Reichtum und Einfluss

Armuts- und Reichtumsbericht: Machtkampf um heikle Passagen

Ende letzten Jahres erfuhren wir, dass im Armuts- und Reichtumsbericht ganze Passagen zum Thema soziale Ungleichheit und Einfluss gestrichen wurden. Die Ergebnisse einer eigens vom Arbeitsministerium beauftragten Studie, waren dem Kanzleramt offenbar zu heikel. Ein Kapitel zu Lobbyismus wurde gänzlich gestrichen. Nun zeigen neue Entwicklungen: Die Empörung und unser Protest von damals gingen nicht spurlos an der Bundesregierung vorbei.
von 24. Februar 2017
  • Die Empörung und unser Protest gegen die Streichungen im Armuts- und Reichtumsbericht hatten offenbar Wirkung.
  • Innerhalb der Bundesregierung setzt sich die Auseinandersetzung um die gestrichenen heiklen Passagen fort.
  • Das Arbeitsministerium fordert, das Kapitel zu Lobbyismus wieder in den Bericht aufzunehmen.

Heikle Passagen im Regierungsbericht

Graphik: LobbyControl

Unsere Empörung war groß, als wir Ende letzten Jahres erfuhren, dass im Armuts- und Reichtumsbericht ganze Passagen zum Thema soziale Ungleicheit und Einfluss gestrichen wurden. Die brisanten Ergebnisse einer eigens vom Arbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie wurden nur gekürzt wiedergegeben. Die Tatsache, dass politische Entscheidungen eindeutig den Interessen der Wohlhabenden folgen und die Wünsche der Armen regelmäßig nicht umgesetzt werden, war dem Kanzleramt offenbar zu heikel. Ein Kapitel zu Lobbyismus wurde sogar gänzlich gestrichen. Nun gibt es neue Entwicklungen, die zeigen: Die Empörung und unser Protest von damals gingen nicht spurlos an der Bundesregierung vorbei. Es herrscht ein Machtkampf innerhalb der Bundesregierung um die Frage, ob die unbequemen Wahrheiten doch noch in den Regierungsbericht aufgenommen werden. Ein Zwischenbericht zum Armuts- und Reichtumsbericht:

Brisante Studienergebnisse: „Weiterverwendung steht nichts im Wege“

Als Mitglied des Beraterkreises zum Armuts- und Reichtumsbericht hatten wir Anfang des Jahres noch einmal die Gelegenheit, uns mit Vertreter/innen aus dem Arbeitsministerium auszutauschen – darunter auch mit der Chefin des Hauses, der Arbeitsministerin Andrea Nahles. Wir nutzten die Gelegenheit, um unsere Empörung über die Streichungen und Kürzungen auszudrücken. Nicht ohne Wirkung – in seiner schriftlichen Dokumentation des Symposiums betont das Ministerium nun, dass „keine aus diesen geförderten Forschungsprojekten resultierenden Erkenntnisse zurückgehalten werden“ und dass das Ministerium „weiterhin uneingeschränkt hinter den Forschungsprojekten“ stünde. Es verweist darauf, dass die Studie auf der Webseite zum Armuts- und Reichtumsbericht einsehbar sei und fordert den Beraterkreis quasi zur Weiterverbreitung auf: „Einer freien Meinungsbildung und Weiterverwendung der Ergebnisse steht damit nichts im Wege.“ Im Beraterkreis wich Nahles in der Tonlage auch erstmals von der offiziellen beschwichtigenden Aussage des Ministeriums ab, dass Streichungen während der Ressortabstimmung eben dazugehörten. Nun heißt es wörtlich: „Sie wissen alle aus den Medien, dass nicht all unsere Bewertungen der Ergebnisse die Ressortabstimmung ‚überlebt‘ haben.“

Zoff innerhalb der Bundesregierung

Kanzleramtschef Peter Altmaier und Arbeitsminsterin Andrea Nahles: In der Bundesregierung herrscht Uneinigkeit über die heiklen Passagen im Armuts- und Reichtumsbericht

Wie geht es nun weiter? Nach der Anhörung des Beraterkreises geht der Bericht nun noch einmal in die Ressortabstimmung, das heißt, er wird nun zum zweiten Mal unter den Bundesministerien und dem Kanzleramt abgestimmt. Zur Erinnerung: In der ersten Ressortabstimmung erfolgten die umstrittenen Streichungen. Es war laut Medienberichten das Kanzleramt, das bei der ersten Version aus dem Arbeitsministerium den Rotstift angesetzt hatte. In der zweiten Runde versucht das Arbeitsministerium nun, den Schaden zu begrenzen – mit ungewissem Ausgang. Außerdem wird gerade die Kurzfassung des Berichts erarbeitet. Auch dies ein heikler Prozess, schließlich wird hier entschieden, welche Aussagen des Berichts im Vordergrund stehen werden. Die Abstimmungen sind langwieriger als gedacht. Der Bericht sollte ursprünglich im Februar erscheinen. Nun heißt es, er erscheine „im März“. Wann genau, ist weiterhin unklar.

Dünne Datenlage? Wir brauchen Lobbytransparenz!

Nicht nur die Darstellung der Studienergebnisse wurde gekürzt, auch ein ganzes Kapitel zum Thema Lobbyismus und Einflussnahme wurde aus einer ersten Version des Berichts gestrichen. Damit fiel das Ministerium hinter seinen Anspruch zurück, die gesellschaftliche Macht von Reichtum genauer zu untersuchen. Gerade angesichts des deutlichen Lobbyeinflusses von Vermögenden und ihrer Lobbygruppen zur Erbschaftssteuer im letzten Herbst und jüngst zur Geldwäsche-Richtlinie, ist das fatal. Der offizielle Grund für die Streichungen – so heißt es aus dem Arbeitsministerium: Die Datenlage sei zu dünn. Das ist durchaus so – auch wir bemängeln immer wieder, dass der Einfluss von Reichen viel zu wenig dokumentiert wird. Allerdings benennen wir auch, woran das liegt. Es mangelt in Deutschland an Lobbytransparenz: Registrierungspflichten für Lobbyisten in Form eines Lobbyregisters, Transparenzauflagen für die einflussreichen Stiftungen der Reichen und mehr Offenlegungspflichten für die Parteienfinanzierung könnten einen Beitrag dazu leisten, mehr Einblick hinter die Kulissen der Macht des großen Geldes zu ermöglichen. Doch hier mauert vor allem die Union und blockiert jegliche Initiativen in diese Richtung.

Proteste zeigen Wirkung

Auch im Armuts- und Reichtumsbericht soll Lobbytransparenz offenbar nicht erwähnt werden. Der ursprüngliche Verweis auf „verschiedene Vorschläge“ dazu, wie „Transparenz der Einflussnahme und Möglichkeiten zur Regulierung“ hergestellt werden könne, wurde gestrichen. Das Arbeitsministerium versucht es nun noch einmal und – so wörtlich – „unterbreitet dem Ressortkreis (d.h. den anderen Ministerien, Anm. CD) einen neuen Vorschlag für ein Kapitel zu Lobbyismus und Einflussnahme, in welchem insbesondere auf die unbefriedigende Datenlage verwiesen werden soll.“ Das Arbeitsministerium streitet nun also dafür, dass das Thema Lobbyismus der Reichen wieder in den Bericht aufgenommen wird. Hier zeigte die öffentliche Empörung und unser Druck Wirkung: Ein schöner Erfolg für uns! Es bleibt spannend, wie der Bericht am Ende aussehen wird.

Weitere Informationen:

Fotos: Peter Altmaier (Wikipedia, Rudolf Simon, CC BY-SA 3.0), Andrea Nahles (Martin Rulsch, Wikimedia Commons)

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3 Kommentare

Redaktion ichtragenatur.de24. Februar 2017 um 19:02

Sehr geehrte Frau Dr.Deckwirth,

danke für den tollen Bericht.
Wir brauchen solche Informationen und Menschen, die darüber berichten. Und wir haben es in der Hand, was wir daraus machen.

Danke aus unserer Redaktion

Phil26. Februar 2017 um 13:37

Ich schäme mich etwas, das folgende zu schreiben:

Wer sich die Studie genauer durchliest, der kann zumindest Zweifel feststellen, dass dadurch die folgende Aussage bewiesen wird:

„Dabei fanden sie heraus: Wer mehr Geld hat, dessen Interessen werden bei politischen Entscheidungen stärker berücksichtigt. Reiche finden in der Politik mehr Gehör. Dies gelte besonders für die Themenfelder „Wirtschaft und Finanzen“ sowie „Arbeit und Soziales“ die wiederum in hohem Maße Auswirkungen auf die soziale Ungleichheit im Land haben.“

In der Studie wurde sehr wissenschaftlich und gewissenhaft gearbeitet. Alle Sachverhalte werden begründet dargelegt. Es bleiben allerdings, von den Autoren selbst erwähnt, Zweifel…
Folgende Auszüge sollen Beispiel für die Zweifelhaftigkeit der oben dargelegten, auf dieser Website erschienen, Aussage:

„Wie auch sonst in Umfragen werden sehr hohe Einkommen nicht erfasst.“

„Allerdings ist zu beachten, dass die höchste abgefragte Einkommenskategorie eines Haushalts „5.000€ und mehr“ ist, eine weitere Differenzierung findet nicht statt.“

„Im DeutschlandTrend wird lediglich das Einkommen des gesamten Haushalts ermittelt, in dem die Befragten leben, ohne gleichzeitig nach der Zahl der im Haushalt lebenden Personen zu fragen.“

„…ca. 1.000 repräsentativ ausgewählte wahlberechtigte Personen zu aktuellen Sachthemen und zur Wahlabsicht befragt.“

Dazu wird später geschrieben:

„… oder die Arbeit mit Stichproben erlaube keine Rückschlüsse auf die Verteilung der Einstellungen in der Gesamtbevölkerung (Kruke 2014).“

Im Jahr 2013 zählten laut einer anderen Quelle 65% der Gesamtbevölkerung zur Mittel-, Ober- oder Reichenschicht, die mindesten 80% des Medians (1640€/Monat als Single) monatlich erhalten. In der Studie würde man mit so viel Geld in der 3. Stufe von 7, also recht niedrig eingeordnet.
(Quelle:http://www.arm-und-reich.de)

Damit möchte ich die Studie nicht anzweifeln, aber es ist mit dieser Studie so wie mit jeder. Sie ist fehlerbehaftet, insbesondere dann, wenn sie auf Umfragewerten beruht (siehe Umfragen vor der Brexit- und US-Präsidentenwahl).

Interessanter fände ich eine Studie, inwiefern sich die Politik an den Interessen der Wirtschaft orientiert, vor allem dann, wenn eine abweichende Meinung in der Öffentlichkeit vorherrscht. Gibts bestimmt schon, mach mich mal auf die Suche…peace

Christina Deckwirth28. Februar 2017 um 11:24

Lieber Phil,

die Zitate aus der Studie stehen in Ihrem Kommentar nicht in ihrem Zusammenhang, deswegen ist eine Antwort etwas schwierig – zumal wir ja auch nicht die Autor/innen der Studie sind. Ich versuche es trotzdem. Es lohnt sich aber sicherlich auch, selbst noch einmal genauer in die Studie zu schauen. Hier noch einmal der Link: http://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/SharedDocs/Downloads/Service/Studien/endbericht-systematisch-verzerrte-entscheidungen.pdf

Zu den Sätzen, dass das höchste erfasste Einkommen nicht wirklich „sehr hoch“ ist, lässt sich sagen, dass die Ergebnisse deshalb eher konservative Schätzungen sind und die Verzerrungen in der Repräsentation deshalb in Wirklichkeit sicher noch größer sind. Mehr dazu auf S. 19 (bzw. 20 im pdf-Dokument) der Studie.

Zu dem Kommentar, dass im DeutschlandTrend lediglich das Einkommen des gesamten Haushalts ermittelt wird, in dem die Befragten leben, ohne gleichzeitig nach der Zahl der im Haushalt lebenden Personen zu fragen, schreiben die Autor/innen, dass sie die Zahlen mit dem äquivalenzgewichteten Haushalts-Einkommen verglichen haben und es keinen großen Unterschied gibt.

Ich hoffe, ich konnte einige Punkte klären.

Zu der von Ihnen angegebenen Quelle http://www.arm-und-reich.de möchte ich noch erwähnen, dass diese Seite vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) stammt, einem arbeitgeberfinanzierten Forschungsinstitut, das unter anderen auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) als 100%ige Tochter unterhält. Mehr dazu hier: https://lobbypedia.de/wiki/Institut_der_deutschen_Wirtschaft.

Mit freundlichen Grüßen,
Christina Deckwirth