Reichtum und Einfluss

Stiftungen als Lobbyakteure: Studie dokumentiert Intransparenz und verdeckte Interessen bei BMW, Bertelsmann & Co.

Ob Bosch, Bertelsmann oder BMW: Unternehmensnahe Stiftungen sind allgegenwärtig. In der Öffentlichkeit präsentieren sich die Stiftungen dabei gerne als wohltätige Förderer von Kultur, Wissenschaft oder Bildung. Eine neue Studie vom WZB widerlegt dieses Narrativ. Demnach betreiben unternehmensnahe Stiftungen vielfach interessengeleitete Politikberatung. Problematisch wird dies spätestens dann, wenn Stiftungen Lobbyarbeit im Verborgenen betreiben.
von 20. Januar 2017

Ob Bosch, Bertelsmann oder BMW: Unternehmensnahe Stiftungen sind allgegenwärtig. Dank ihrer Millionenetats können sie Stipendien vergeben, Professuren stiften, Studien und Forschungsprojekte in Auftrag geben, oder mit Kongressen, Preisen und Netzwerken öffentliche Diskurse beeinflussen und prägen. In der Öffentlichkeit präsentieren sich die Stiftungen dabei gerne als wohltätige Förderer von Kultur, Wissenschaft oder Bildung.

Eine neue Studie aus dem Wissenschaftszentrum Berlin widerlegt dieses Narrativ. Demnach betreiben unternehmensnahe Stiftungen vielfach interessengeleitete Politikberatung und überschneiden sich ihre Tätigkeiten häufig mit den Geschäftsinteressen der Stifter. Problematisch wird dies spätestens dann, wenn Stiftungen Lobbyarbeit im Verborgenen betreiben. Denn die Studie zeigt auch, dass viele der untersuchten Stiftungen intransparent arbeiten. Der Grund: In Deutschland sind Stiftungen nicht dazu verpflichtet, Angaben zu Tätigkeit, Gremien oder Mittelverwendung zu veröffentlichen. Dass muss sich dringend ändern.

Elitär, interessengeleitet und intransparent?

Die neue WZB-Studie beleuchtet unternehmensnahe Stiftungen

In den letzten Jahren gab es einen allgemeinen Stiftungsboom, bei dem auch viele unternehmensnahe Stiftungen gegründet wurden. Stiftungen gelten als ein beliebtes Mittel von Reichen, Unternehmern und Firmenerben, um ihr Geld für gute Zwecke einzusetzen. Doch nicht alle Stiftungen entsprechen diesem philanthropischen Bild.

Bekanntestes Beispiel ist die Bertelsmann-Stiftung. In seinem Buch „Bertelsmannrepublik Deutschland“ hat der Journalist Thomas Schuler vor Jahren beschrieben, wie die Gütersloher Stiftung Gesetzesentwürfe und Reformen im Sinne der Unternehmens- und Familieninteressen beeinflusst. So hatte die Stiftung etwa ein Outsourcing der öffentlichen Verwaltung propagiert – während das Bertelsmann-Subunternehmen Arvato genau dafür maßgeschneiderte Lösungen anbot.

Ein Forscherteam vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) hat sich nun 61 unternehmensnahe Stiftungen, die im Bereich Wissenschaft tätig sind, genauer angeschaut. In ihrer Studie kommen die drei WissenschaftlerInnen – darunter auch unser Vorstandsmitglied Dieter Plehwe – zu deutlichen Ergebnissen, die den gemeinnützigen Charakter einiger Stiftungen infrage stellen: Sie attestieren der Mehrzahl der Stiftungen „eine elitäre Ausrichtung“ und Intransparenz und stellen fest, dass sich die Arbeit der Stiftungen häufig mit den Interessen der verbundenen Unternehmen überschneidet.

Unternehmensnahe Stiftungen als Lobbyakteure

Lobbyarbeit für Outsourcing und TTIP – Sitz der Bertelsmann Stiftung in Berlin

Schon länger haben auch wir Stiftungen als Lobbyakteure im Blick – so etwa die Stiftung Familienunternehmen und ihre Lobbyarbeit für Hochvermögende im Zuge der Erbschaftssteuer oder die Bertelsmann Stiftung mit ihrer Werbung für das tansatlantische Handelsabkommen TTIP. Die Autor/innen der WZB-Studie haben nachgeforscht, welche Stiftungen Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern herstellen. Dazu zählen vor allem Veranstaltungen, die dazu dienen, Entscheidungsträger aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzubringen.

Die BMW Stiftung Herbert Quandt organisiert zum Beispiel den jährlichen Munich Economic Summit. Dieser, so die WZB-Autor/innen – ähnele mit seiner elitären Teilnehmerschaft aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Solche Veranstaltungen sind kein Einzelfall. Von den 61 untersuchten Stiftungen betreiben rund 40 Prozent Politikberatung und verfolgen zum Teil dezidiert politische Ziele.

Bei vielen Stiftungen gibt es außerdem Überschneidungen zwischen ihrer Stiftungstätigkeit und den Geschäftsfeldern der mit ihnen verbundenen Unternehmen – unabhängig davon, ob sie direkt politisch tätig sind oder nicht. Hinter der Fassade mit der Aufschrift „gemeinnützige Organisation“ können sich also durchaus knallharte Unternehmensinteressen verbergen. So setzen sich die Siemens-Stiftung und die Telekom Stiftung für die Förderung von Bildung im Bereich der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ein. Gleichzeitig haben ihre Stifterunternehmen ein großes Interesse an Fachkräften in diesem Bereich. Die Boehringer Ingelheim Stiftung – benannt nach dem größten forschenden Pharmakonzern in Deutschland – gründete gar ein eigenes Institut für Molekulare Biologie an der Universität Mainz und ließ sich im Gegenzug weitreichende Mitsprache bei der Berufung der Professoren einräumen. Bekannt wurden die Details aus dem Vertrag zwischen Stiftung und Universität erst, nachdem der Fall breit in der Öffentlichkeit diskutiert und mehrere Klagen auf Offenlegung eingereicht wurden.

Elitäre Ausrichtung der Stiftungen

Ein besonderes Merkmal der untersuchten unternehmensnahen Stiftungen ist ihre zumeist elitäre Ausrichtung. In der Studie heißt es, die führenden Kräfte bildeten „eine höchst elitäre Klasse“ mit zahlreichen Personalunionen zwischen Stiftungen und den mit ihnen verbundenen Unternehmen. Das Stiftungspersonal setzt sich aus Personen zusammen, die weit überwiegend männlich, akademisch gebildet sind und sich in hoher gesellschaftlicher Positionen befinden. Rund 20 Prozent der Führungskräfte der Stiftungen haben auch eine Position in Unternehmen, die mit der Stiftung verbunden sind.

Mangelnde Transparenzpflichten

Problematisch an diesem Einfluss ist, dass Stiftungen keinerlei Rechenschafts- und Transparenzpflichten unterliegen. Anders als Vereine, Parteien oder selbst Unternehmen müssen Stiftungen keine Auskunft über ihre Finanzierung oder die Mitglieder ihrer Gremien geben. Auf freiwilliger Basis geben nur wenige Stiftungen Auskunft. Die Studie zeigt, dass die Mehrheit der 61 untersuchten Stiftungen intransparent arbeitet: Nur 36 Prozent veröffentlichten ihre Satzung, und nur 34 Prozent geben regelmäßig einen Tätigkeitsbericht heraus. Mehr als die Hälfte der Stiftungen mache sogar überhaupt gar keine Angaben zu Stiftungsvermögen, Mittelherkunft oder Mittelverwendung. Ein verbindliches Lobbyregister, in das sich alle Lobbyakteure eintragen müssen, kann hier Abhilfe schaffen.

Intransparenter Lobbyakteur: Die Stiftung Familienunternehmen

Auch Kontrollgremien sind für Stiftungen nicht notwendigerweise vorgesehen. Gleichzeitig aber wurden gemeinnützige Stiftungen gleich mehrmals steuerlich begünstigt – eine wichtige Ursache für den Stiftungsboom der letzten Jahre. Den steuerlichen Begünstigungen sollten ursprünglich auch Transparenzregeln folgen; diese blieben allerdings bis heute aus. Stiftungen sind somit gegenüber Non-Profit-Organisationen mit anderen Rechtsformen doppelt privilegiert – durch die steuerliche Begünstigung und durch die fehlenden Transparenzvorschriften. Das ist fragwürdig – denn wer dem Fiskus Geld entnimmt, sollte das Geld nur eindeutig gemeinnützigen Zwecken zukommen lassen und nicht im Dunkeln agieren. Doch genau diese beiden Kriterien – so legt es die Studie nahe – erfüllen einige unternehmensnahe Stiftungen offenbar nicht.

Stiftungen: Leerstelle im Armuts- und Reichtumsbericht

In den USA wird die Funktion von Stiftungen und die Legitimität ihrer politischen Lobbyarbeit schon länger kontrovers diskutiert. Eine ähnliche Diskussion steht in Deutschland noch aus – hier hätte der 5. Armuts- und Reichtumsbericht, der in Kürze von der Regierung beschlossen wird, einen Anfang machen können. Der Anspruch des federführenden Arbeits- und Sozialministeriums war es, im Bericht die gesellschaftliche Macht von Vermögenden zu beleuchten. Stiftungen wären dazu als Anschauungsmaterial bestens geeignet. Darauf haben wir im Beraterkreis zum Armuts- und Reichtumsbericht mehrfach hingewiesen. Noch in der ersten Version des Berichts wurden Stiftungen als Lobbyakteure zumindest benannt, ohne allerdings ausführlicher auf sie einzugehen – ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem Vorläuferbericht. In der aktuellen Version fehlt der Verweis auf Stiftungen als Lobbyakteure nun vollständig. Eine verpasste Chance.

Weitere Informationen:

Fotos: Nick Jaussi/LobbyControl, Ruben Neugebauer/LobbyControl

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