Pressemitteilung

Wegen Lobbyverband Wirtschaftsrat: Erneute Klage gegen den CDU-Vorstand

LobbyControl unterstützt Klage gegen den CDU-Parteivorstand vor dem Landgericht Berlin wegen dem Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU.

von 23. August 2023

LobbyControl unterstützt erneut eine Klage gegen den CDU-Parteivorstand, der dem Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU dauerhaft einen Platz gewährt. Kläger ist abermals das CDU-Parteimitglied Luke Neite, die Klageschrift wurde heute beim Landgericht Berlin eingereicht. Das CDU-Parteigericht hatte im April diesen Jahres eine erste Klage aus formalen Grünen abgelehnt, aber in seiner Urteilsbegründung Zweifel an der Rechtmäßigkeit geäußert. LobbyControl kritisiert schon seit Jahren, dass der Wirtschaftsrat als parteiexterner Wirtschaftslobbyverband von privilegierten Sonderzugängen zur CDU profitiert.

Privilegierter Zugang für die Wirtschaftslobby

„Der Wirtschaftsrat profitiert von privilegierten Zugängen ins Machtzentrum der CDU. Das ist höchst problematisch, weil eine ohnehin starke gesellschaftliche Interessengruppe sich so mehr Gehör verschaffen kann als andere. Zudem widerspricht dies dem Parteiengesetz: Lobbyverbände gehören nicht in Parteivorstände! Wir fordern Parteichef Merz auf, den Parteivorstand endlich rechtskonform aufzustellen und den Wirtschaftsrat aus dem Parteivorstand zu entlassen. Das wäre eine klare Entscheidung und Bekenntnis für die Demokratie und den Rechtsstaat und sollte auch im Interesse der CDU-Parteimitglieder sein. Die FDP hat bereits gehandelt und den Vertreter eines Lobbyverbands aus dem Parteivorstand entlassen, die CDU sollte nun folgen. Da Parteichef Merz sich diesem Schritt aber immer wieder verweigert hat, gehen wir nun auf dem juristischen Weg vor,“ sagt LobbyControl-Sprecherin Christina Deckwirth.

Luke Neite, CDU-Mitglied und Kläger, kommentiert die Klage: „Was ist das für eine marode demokratische Legitimationsskette, wenn ich als Mitglied der Parteibasis eine so elementare Entscheidung des Vorstands nicht anfechten darf? Es geht hier schließlich um die Willensbildung und Koordination im höchsten Gremium der CDU. Während mir erst das Auskunftsrecht und dann das Klagerecht verweigert wird, wird den Profitinteressen einiger weniger Wirtschaftsbosse Dauergaststatus gewährt. Ich bin alarmiert, dass die Parteigerichtsbarkeit hier versagt hat. Nun gehen wir den Schritt ans Landgericht Berlin. Das hat den Vorteil, dass die Verhandlung öffentlich ist. Wir brauchen unbedingt eine neue Kultur der Transparenz in der CDU, um weiteren Schaden an der Demokratie durch neue Korruptionsskandale vorzubeugen.“

Fehlende demokratische Legitimation

Rechtsanwalt Gunther Freiherr von Mirbach, der Neite erneut vertritt und selbst CDU-Mitglied ist, sagt: „Die CDU muss ihren Vorstand rechtskonform aufstellen. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Jedes CDU-Mitglied hat Anspruch darauf, dass im Bundesvorstand grundsätzlich nur Personen die Entscheidungen beeinflussen, die nach demokratischen Regeln dabei sein dürfen. Die Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU e. V. hat keine demokratische Legitimierung, ständig im Parteivorstand präsent zu sein.“

Hintergrund

  • Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein unternehmerischer Lobbyverband, der häufig als Parteigremium wahrgenommen wird. Der CDU-Parteivorstand gewährt dem Wirtschaftsrat schon seit langem einen Gaststatus inklusive Rederecht im Parteivorstand. Die aktuelle Präsidentin, die Unternehmerin Astrid Hamker, hat bestätigt, dass sie an fast allen Sitzungen des Parteivorstands teilnimmt und sich dort regelmäßig zu Wort meldet. Der Wirtschaftsrat fällt immer wieder durch starke Positionen gegen mehr Klimaschutzmaßnahmen auf und steht dem CDU-Wirtschaftsflügel um Parteichef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann nahe. Die privilegierten Zugänge des Wirtschaftsrats sind auch in der Partei CDU umstritten.
  • LobbyControl veröffentlichte im März 2021 eine umfangreiche Studie über den Wirtschaftsrat und seiner Rolle als „Klimabremser“. Im Januar 2022 folgte ein Rechtsgutachten zum Dauergaststatus im Parteivorstand, das klar einen Verstoß gegen das Parteiengesetz und gegen die Satzung der CDU sah. Renommierte Parteienrechtler:innen wie Prof. Martin Morlok und Prof. Sophie Schönberger haben in öffentlichen Äußerungen diese Rechtsauffassung bestätigt. Weder das Parteiengesetz noch die CDU-Satzung („Statut“) sieht vor, dass Vertreter:innen parteiexterner Vereine Mitglied im CDU-Bundesvorstand sein dürfen – auch nicht durch eine Kooptation. Außer der Vertreterin des Wirtschaftsrats sind keine weiteren parteiexterne Verbände Mitglied im Parteivorstand, auch in anderen Parteien gibt es solche Mitgliedschaften nicht.
  • Vom Parteigericht zum Landgericht: Im April 2022 reichte das CDU-Parteimitglied Luke Neite eine Klage vor dem CDU-Parteigericht ein. LobbyControl ist als Verein selbst nicht klageberechtigt, unterstützte die Klage aber finanziell und durch Öffentlichkeitsarbeit. Die Klage wurde im April 2023 aus formalen Gründen abgewiesen, weil ein einfaches Parteimitglied in diesem Fall nicht zur Klage berechtigt sei. Die Rechtsauffassung von LobbyControl und anderen Parteirechtsexpert:innen wurde allerdings als „vertretbare Rechtsaufassung“ bezeichnet. LobbyControl bewertete das als wichtigen Teilerfolg. Das Urteil vom Parteigericht ebnete außerdem den Weg, um vor ein ordentliches Gericht zu ziehen. Die Klage reichte Rechtsanwalt Gunter von Mirbach heute beim Landgericht Berlin ein.
  • Neite und LobbyControl wollen nun die umstrittene Rechtsauffassung vor einem öffentlichen Gericht überprüfen lassen, um festzustellen, ob ein einfaches Parteimitglied tatsächlich nicht klageberechtigt ist. Außerdem braucht es eine weitere Klarstellung, dass der Wirtschaftsrat rechtswidrig im Parteivorstand sitzt (zur Klageschrift). Parteichef Friedrich Merz könnte aber auch von sich aus die Vertreterin des Wirtschaftsrat aus dem Parteivorstand entlassen und damit dem Beispiel der FDP folgen. Diese hat einen Vertreter vom parteinahen Lobbyverband Liberaler Mittelstand nach Kritik von LobbyControl von sich aus aus dem Parteivorstand entlassen.
  • Der Wirtschaftsrat wurde in der Vergangenheit in der konstituierenden Sitzung des jeweils neu gewählten Parteivorstands kooptiert, zuletzt im Februar 2022. Der nächste CDU-Parteitag mit Neuwahl des Vorstands wird voraussichtlich im Mai 2024 stattfinden.
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