Pressemitteilung

Nach Katargate: Unzureichender Entwurf für neue EU-Abgeordnetenregeln

Als Konsequenz aus dem Katargate-Korruptionsskandal in der EU wird heute im Verfassungsausschuss über die Verschärfung der Regeln für EU-Abgeordnete diskutiert. Die vorgelegten Vorschläge bringen zwar punktuell Verbesserungen, lassen aber zahlreiche Missstände bestehen und werden insgesamt dem Ausmaß des Skandals nicht gerecht. 

von 18. Juli 2023

Nach dem Korruptionsskandal um Eva Kaili und weitere Abgeordnete im Dezember 2022 reagierte die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola schnell und schlug dem Parlament wichtige Veränderungen der Verhaltensregeln vor, um solche Skandale in Zukunft zu erschweren. Monatelang wurde seither in einer internen Arbeitsgruppe über die Verschärfung der Abgeordnetenregeln diskutiert. Der Vorschlag, der heute erstmals im zuständigen Verfassungsausschuss diskutiert wird, ist aber keine ausreichende Antwort auf den Skandal. Das Parlament hat jetzt noch die Möglichkeit hier nachzubessern. 

Kleine Fortschritte bei Lobbytreffen und Einfluss auf Gesetze

Einige Verbesserungen aus dem Vorschlag des Ausschusses: Abgeordnete sollen in Zukunft ihre Lobbytreffen offenlegen – sei es mit Lobbyist:innen oder mit Vertreter:innen der Behörden von Drittländern, einschließlich ihrer diplomatischen Vertretungen und Botschaften.

Nina Katzemich, Campaignerin bei LobbyControl erklärt dazu: „Das ist ein wichtiger Schritt, damit auch problematisches Lobbying autokratischer Staaten von außerhalb der EU, z.B. Katar, Marokko, Russland oder China, zukünftig schneller sichtbar wird.“ Zur Erinnerung: Bei Katargate drehte es sich um mutmaßliche Bestechung und intransparente Lobbyarbeit im EU-Parlament durch Katar und Marokko. 

Katzemich weiter: „Allerdings ist die neue Vorschrift derzeit noch mit einer schwammigen Formulierung stark abgeschwächt: Abgeordnete sollen Treffen nur veröffentlichen, wenn sie in dem Bereich eine aktive Rolle haben. Das ist ein immenses Schlupfloch, durch das sich unwillige Abgeordnete leicht der neuen Vorschrift entziehen können. Wir fordern die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, diese völlig überflüssige Eingrenzung zu streichen!“ 

Positiv ist: In Zukunft sollen Abgeordnete, die die Änderungsvorschläge des Parlaments an einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission koordinieren, dokumentieren, wer bei ihnen Lobbyarbeit dazu geleistet hat. „Das wäre eine Art legislativer Fußabdruck für das Parlament,“ so Katzemich weiter. „Davon sind wir in Deutschland sehr weit entfernt.“ 

Interessenkonflikte können unsichtbar bleiben

Völlige unzureichend ist hingegen die Neuregelung der Nebentätigkeiten. Zwar werden die Nebenverdienste endlich in konkreten Zahlen angegeben statt in Stufen, aber ansonsten verschlechtert man mit der neuen Regelung die Transparenz sogar noch: Nina Katzemich: „Statt ab dem ersten Euro müssen Nebentätigkeiten in Zukunft erst ab einer Untergrenze von 5.000 Euro im Jahr offengelegt werden. Im Gesetzesvorschlag bleibt außerdem unklar, ob Abgeordnete Beteiligungen an Unternehmen deklarieren müssen oder nicht. Vermögenswerte werden außerdem gar nicht erfasst. Ein zweites Katargate verhindert man so nicht!“ Bei Katargate wurden mutmaßlich große Mengen an Bargeld an Abgeordnete verteilt. Dies sollte in Zukunft in den Vermögenswerten sichtbar werden. In Deutschland sind diese Regeln schon besser: Hier müssen Abgeordnete immerhin Unternehmensbeteiligungen ab fünf Prozent der Gesamtanteile offenlegen. Das ist wichtig, denn Vermögenswerte und Unternehmensbeteiligungen können Interessenskonflikte schaffen.

Kontrollgremium wird nicht ausgestattet

Die besten Regeln helfen aber nicht, wenn sie wie bisher kaum kontrolliert werden. Das Gremium, das neben der Parlamentspräsidentin für die Kontrolle von Verstößen zuständig ist – das Advisory Committee – sollte ursprünglich deutlich gestärkt werden. Nina Katzemich dazu: „Das Kontrollgremium hat neue Aufgaben bekommen und soll zukünftig die Einhaltung des Verhaltenskodex beobachten und der Präsidentin Verstöße signalisieren. Doch es wurde weder durch zusätzliches Personal verstärkt, noch werden den bisherigen Mitgliedern – aktiven Abgeordneten des Parlaments – unabhängige Expert:innen beiseite gestellt. Ob Parlamentarier:innen wirklich die Verstöße ihre Kolleg:innen der Präsidentin melden, bleibt anzuzweifeln. So wird das Gremium seinen neuen Aufgaben nicht gerecht werden können.“

Nur ein Minimum an Reformen

Insgesamt bleibt der Eindruck bestehen, dass die zuständige Arbeitsgruppe an zahlreichen Stellen nicht mehr beschlossen hat, als nach dem mutigen Aufschlag von Roberta Metsola unbedingt nötig war. Der Schwere des Skandals wird das nicht gerecht. Wir appellieren dringend an die Abgeordneten, die Reformvorschläge mit Änderungsanträgen nachzubessern, um sie zu einer wirklich glaubwürdigen und angemessenen Reaktion auf den Skandal zu machen.

LobbyControl fordert die Fraktionen des Europäischen Parlamentes und besonders die Mitglieder des Verfassungsausschusses auf, die Regeln nachzubessern: 

  • Das mit der Kontrolle betraute Gremium muss durch unabhängige Expert:innen erweitert werden, die keine Parlamentarier:innen sind. Außerdem braucht es klare Befugnisse zur eigenständigen Prüfung und Ermittlung und die Ausstattung mit entsprechenden Ressourcen.
  • Die finanziellen Angaben müssen verbessert und Unternehmensbeteiligungen und Vermögenswerte miteinbezogen werden.
  • Abgeordnete, die neben dem Mandat selbstständig in beratender o.ä. Funktion tätig sind, müssen dazu verpflichtet werden, die Identität ihrer Auftraggeber offenzulegen.
  • Lobbytreffen von Abgeordneten müssen alle offengelegt werden. Das Schlupfloch der „active role“ muss gestrichen werden.

Hintergrund

Anfang Dezember letzten Jahres wurden die Ermittlungen der belgischen Behörden gegen aktive und ehemalige EU-Abgeordnete sowie Mitarbeitende des Parlaments bekannt, denen vorgeworfen wird, Bestechungsgelder von Marokko und Katar angenommen beziehungsweise verteilt zu haben. Es wurden große Summen Bargeld gefunden, unter anderem in der Wohnung der damaligen Vize-Parlamentspräsidentin Eva Kaili. Kaili wurde daraufhin als Vizepräsidentin abgesetzt und aus ihrer Partei und Fraktion ausgeschlossen. Der Prozess gegen sie und weitere Abgeordnete sowie Mitarbeiter:innen des Parlaments dauert an.

Weitere Informationen auch hier:

EU-Korruptionsskandal: Wie reagierten die Institutionen?

Sechs Monate nach „Katargate“: NGOs mahnen Reformen an

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