Lobbyregister

Europarat: Bundesregierung und Ministerien müssen transparenter werden

Sind die Bundesregierung und ihre Ministerien transparent genug im Umgang mit Lobbyist:innen? Wird genug getan gegen Interessenkonflikte? Wie steht es um die Regeln für Seitenwechsel aus hochrangigen Positionen in den Ministerien zu Unternehmen und Verbänden? Diesen Fragen geht der neueste Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO), ein Gremium des Europarats, mit Blick auf Deutschland nach. Der Bericht ist eine klare Aufforderung an die Bundesregierung.
von 17. Dezember 2020

Sind die Bundesregierung und ihre Ministerien transparent genug im Umgang mit Lobbyist:innen? Wird genug getan gegen Interessenkonflikte? Wie steht es um die Regeln für Seitenwechsel aus hochrangigen Positionen in den Ministerien zu Unternehmen und Verbänden?

Diesen Fragen geht der neueste Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO), ein Gremium des Europarats, mit Blick auf Deutschland nach.

GRECO bewertet regelmäßig die Mitgliedstaaten zu Themen wie Parteien- und Wahlkampffinanzierung, Transparenz der Gesetzgebung oder Korruptionsprävention in der Justiz und spricht Empfehlungen für Verbesserungen aus. In dem vorgestern veröffentlichten Bericht zu Deutschland stehen die Bundesregierung und die Ministerien im Fokus. In einem zweiten Teil des Berichts geht es um die Strafverfolgungsbehörden.

Der gestern veröffentlichte Bericht geht zurück auf die Untersuchungen eines internationalen Expertenteams, das Deutschland im Dezember 2019 auch einen Besuch abstattete. Auch wir nahmen damals an einem Gespräch mit der Delegation im Bundesinnenministerium teil.

Insgesamt enthält der Bericht acht mit Bezug auf die Exekutive acht Empfehlungen, die Deutschland nun umsetzen soll, die wir hier zusammenfassen.

Transparenz der Gesetzgebung und Umgang mit Lobbyist:innen

Da die Große Koalition aktuell weiterhin über die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters und einer „exekutiven Fußspur“ verhandelt, ist es besonders interessant, was der Bericht diesbezüglich zu sagen hat. Für die Exekutive ist, wie man dem Namen schon anmerkt, die exekutive Fußspur besonders relevant. Dabei geht es darum, die Mitwirkung Dritter an der Gesetzesentstehung transparenter zu gestalten.

Abgeordnetenwatch -
Das Greco-Evaluierungsteam beim Besuch in Deutschland 2019 (Foto: Abgeordnetenwatch.de)

Das GRECO-Evaluierungsteam (kurz: GET) anerkennt in diesem Zusammenhang, dass im November 2018 eine Vereinbarung von der Bundesregierung zur „Erhöhung der Transparenz im Gesetzgebungsverfahren“ beschlossen wurde. Seitdem veröffentlichen die Ministerien Gesetzentwürfe und dazu eingegangene Stellungnahmen auf ihren Webseiten. Unerwähnt bleibt, dass die genannte Vereinbarung erst getroffen wurde, nachdem FragDenStaat.de und Abgeordnetenwatch.de mit massenhaften Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz im Rahmen der Aktion „Gläserne Gesetze“ die Bundesregierung erheblich unter Druck gesetzt hatten. Unerwähnt bleibt auch, dass die Urheber von Stellungnahmen einer Veröffentlichung auch widersprechen können.

Dennoch war und ist die Veröffentlichung der Gesetzentwürfe und Stellungnahmen ein wichtiger Schritt – der aber nicht ausreichend ist, da hier nur die Beteiligung am amtlichen Verbände-Anhörungsverfahren etwas transparenter gemacht wird. Das GET bemängelt, dass Beeinflussungen außerhalb dieses Verfahrens intransparent bleiben. Dadurch werde der praktische Wert dieser Initiative in hohem Maße untergraben“.

Entsprechend empfiehlt GRECO wesentliche Beiträge zu Gesetzesentwürfen, die vor der Einleitung des Beteiligungsverfahrens eingehen, nebst deren Quelle zu identifizieren, zu dokumentieren und offenzulegen. (Empfehlung IV)

Wir sehen uns damit in unserer Forderung nach einer umfassenden exekutiven Fußspur durch den Europarat bestärkt.

Gemeinhin beschränkt sich eine solche umfassende Regelung aber nicht auf die Offenlegung von Beiträgen zu Gesetzentwürfen, sondern beinhaltet auch, dass die Kontakte von hochrangigen Entscheidungsträger:innen mit Interessenvertreter:innen veröffentlicht werden. Die Leitungsebene der EU-Kommission veröffentlicht etwa bereits seit einigen Jahren ihre Treffen mit Lobbyist:innen. Für die Bundesregierung und politische Beamte gibt es bisher keine entsprechende Regelung. Entsprechend stellt das GET fest:

Es bestehen nur wenige Regelungen, mit denen größere Transparenz geschaffen wird bezüglich der Kontakte hochrangiger Personen mit Entscheidungsverantwortung mit Lobbyistinnen und Lobbyisten und sonstigen Dritten, die die gesetzgeberischen und sonstigen Tätigkeiten der Regierung zu beeinflussen suchen.“

Zugleich betont der Bericht, Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht zu wissen, welche Akteure die politischen Entscheidungen beeinflussen. Entsprechend empfiehlt GRECO die „Einführung detaillierter Regelungen über die Art und Weise, in der hochrangige Entscheidungsträgerinnen und -träger der Exekutive Kontakte mit Lobbyistinnen und Lobbyisten und sonstigen Dritten, die die gesetzgeberischen und sonstigen Tätigkeiten der Regierung zu beeinflussen suchen, unterhalten;

GRECO wird dabei aber noch konkreter und empfiehlt „Offenlegung ausreichender Angaben über die mit diesen Kontakten verfolgten Zwecke, wie etwa die Identität der Person oder Personen, mit der oder denen (oder in dessen oder deren Namen) das Gespräch oder die Gespräche geführt wurden sowie die jeweilige(n) konkrete(n) Gesprächsinhalt(e).(Empfehlung V)

Diese Empfehlung Nr. 5 enthält damit sowohl Elemente eines Lobbyregisters als auch einer exekutiven Fußspur – beide sind aktuell immer noch nicht beschlossene Sache und Gegenstand laufender Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung.

Insgesamt lässt sich festhalten: Die Expert:innen des Europarats sprechen sich für deutlich mehr Transparenz bei der Beteiligung von Lobbyist:innen an der Gesetzesentstehung und im Kontakt mit Mitgliedern der Bundesregierung und politischen Beamten aus.

Darüber hinaus nimmt der Bericht auch das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in den Blick. Beim Zugang zu Informationen handele es sich schließlich um ein wichtiges Instrument, um Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. Das GET würdigt zwar einie positive Entwicklungen in diesem Bereich in den letzten Jahren, wie das 2017 in Kraft getretene Open-Data-Gesetz, stellt aber dennoch fest, dass das System zur Offenlegung von Informationen der Behörden des Bundes in Deutschland verbesserungswürdig ist.

Konkret bemängelt der Europarat die hohen Gebühren für IFG-Anträge und die breite Spanne an Gründen, die für die Verweigerung von Informationen herangezogen werden können. Zudem würden diese Verweigerungsgründe in Deutschland oft sehr weit ausgelegt.

Die Empfehlung lautet daher, „das Informationsfreiheitsgesetz einer unabhängigen und gründlichen Überprüfung zuzuführen“ mit dem Ziel, „den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen auf Bundesebene zu verbessern.“ (Empfehlung III)

Interessenkonflikte, Seitenwechsel, Verhaltensregeln

Finanzielle Interessen

In weiteren Teilen des Berichts geht es um verschiedene Aspekte des Umgangs mit Interessenkonflikten. Im Bericht der vorangegangenen vierten Evaluierungsrunde standen dabei die Abgeordneten im Fokus. Nun geht es um „hochrangige Entscheidungsträgerinnen und -träger der Exekutive“. GRECO zählt dazu neben den Mitgliedern der Bundesregierung, also den Minister:innen und der Kanzlerin, die parlamentarischen und beamteten Staatssekretär:innen sowie die Abteilungsleiter:innen in den Ministerien. Letztere bilden die Schnittstelle zwischen der politischen Leitungs- und Entscheidungsebene und den Fachreferaten in den Ministerien.

Zu Interessenkonflikten bei Beamt:innen und Minister:innen gibt es zahlreiche bestehende Regelungen in Gesetzen und anderen Vorschriften. So ist etwa im Ministergesetz geregelt, dass Minister:innen (anders als Bundestagsabgeordnete) keinen bezahlten Nebentätigkeiten nachgehen dürfen. Bereits im Grundgesetz ist festgeschrieben, dass die Mitglieder der Bundesregierung „kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch ohne Zustimmung des Bundestages dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören dürfen“ (Artikel 66 GG). Das GET begrüßt diese Regelungen, lenkt aber das Augenmerk auf einen bisher in der Debatte unterbelichteten Aspekt: mögliche Interessenkonflikte durch Vermögenswerte, Verbindlichkeiten, Unternehmensbeteiligungen – also persönliche, finanzielle Interessen.

Anders als etwa in unserem Nachbarland Frankreich müssen Mitglieder der Bundesregierung nicht öffentlich machen, wenn sie z.B. Aktien von einem bestimmten Unternehmen besitzen. Es wäre also beispielsweise durchaus möglich, dass ein Verkehrsminister Wertpapiere von Automobilherstellern hält. Oder eine Verteidigungsministerien an Rüstungsunternehmen beteiligt ist – ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas erfahren würde. Es liegt auf der Hand, dass solche Beteiligungen zu Interessenkonflikten führen können. Aktuell macht etwa Schlagzeilen, dass der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas mit Aktien des Skandal-Konzerns Wirecard handelte. Als das herauskam, wurde er von seinem Amt freigestellt.

Sind Minister:innen zugleich Mitglieder des Bundestages, was meistens der Fall ist, unterliegen sie nur den sehr schwachen Offenlegungspflichten für Parlamentarier:innen. Bundestagsabgeordnete müssen anzeigen, wenn sie mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an einem Unternehmen halten. Grecohatte bereits im letzten Bericht empfohlen, diese hohe Grenze abzusenken und auf weitere Angaben zu signifikanten Vermögenswerten auszuweiten. Bei DAX-Konzernen wäre schließlich schon eine Beteiligung von einem Prozent mehrere Millionen wert.

Das Greco-Evaluierungsteam kommt daher zu dem Schluss, „dass die Transparenz bezüglich der finanziellen Interessen und Beteiligungen an Unternehmen der Bundesministerinnen und Bundesminister sowie der parlamentarischen Staatssekretärinnen und parlamentarischen Staatssekretäre […] erheblich verbessert werden muss (insbesondere, um mögliche Interessenkonflikte aufzudecken […]“.

Folglich empfiehlt Greco, dass hochrangige Entscheidungsträger:innen der Exekutive dazu verpflichtet werden sollten, „ihre finanziellen Interessen regelmäßig öffentlich zu erklären“. (Empfehlung VIII)

Längere Karenzzeiten gefordert

Ein weiteres Thema des Berichts sind Interessenkonflikte, die beim Wechsel aus dem Amt in Tätigkeiten bei Unternehmen oder Verbänden entstehen können. Während der Amtszeit gelten, wie oben erwähnt, sowohl für Beamte als auch für Mitglieder der Bundesregierung und parlamentarische Staatssekretär:innen strenge Regeln für Nebentätigkeiten. Aber wie sieht es mit den sogenannten Seitenwechseln aus? Erst seit 2015 gibt es eine gesetzliche Karenzzeit, eine Abkühlphase für Mitglieder der Bundesregierung und parlamentarische Staatssekretär:innen – dafür hatte sich LobbyControl lange eingesetzt. Die maximale Länge der Karenzzeit beträgt bisher 18 Monate, wobei die Bundesregierung darüber im Einzelfall entscheidet und sich dabei an der Empfehlung eines dreiköpfigen Karenzzeit-Gremiums orientieren kann. Für Beamte, und damit auch für beamtete Staatssekretär:innen und Abteilungsleiter:innen, gelten die noch schwächeren Bestimmungen des Beamtenrechts. Zwar kann ihnen die Aufnahme einer neuen Tätigkeit bis zu fünf Jahre lang untersagt werden, allerdings gibt es hier kein unabhängiges Gremium, das den Einzelfall prüft und eine – öffentliche – Entscheidungsempfehlung ausspricht. Vielmehr entscheidet die Dienststelle selbst, ohne Kontrollmechanismus. Das mag ein Grund dafür sein, dass Wechsel nur selten untersagt werden.

Das GET würdigt, dass es seit 2015 überhaupt eine Karenzzeit für Bundesminister:innen sowie parlamentarische Staatssekretär:innen gibt – mahnt aber weitere Verbesserungen an. Im wesentlichen sind das die Punkte, die LobbyControl schon bei der Einführung vor fünf Jahren forderte:

a) Die Karenzzeit sollte länger sein.

b) Es sollte Sanktionen geben, wenn sich jemand nicht an die Karenzzeitregelung hält.

c) Das „beratende Gremium“, das Fälle prüft und Empfehlungen ausspricht, sollte nicht vornehmlich aus ehemaligen Politiker:innen bestehen.

In Bezug auf Abteilungsleiter:innen und Staatssekretär:innen empfiehlt Greco ein transparenteres und konsequenteres Verfahren, ohne dabei jedoch konkret zu werden. (Empfehlung VIII).

Verhaltenskodex und Umgang mit Interessenkonflikten

In den verbleibenden Empfehlungen (I, II und VI) geht es um den konkreten Umgang mit Interessenkonflikten und anderen „Angelegenheiten mit Integritätsbezug“. Greco fordert einen konkret auf hochrangige Entscheidungsträger:innen zugeschnittenen Verhaltenskodex. Auf Grund der besonderen Stellung und Verantwortung der betroffenen Personengruppen sollten für sie Regeln gelten, die über die bereits bestehenden hinausgehen, welche für alle Beschäftigten in den Ministerien gelten. In dem Verhaltenskodex sollten Grundsätze zu den oben genannten Bereichen zusammengefasst werden, also etwa zu Kontakten mit Lobbyist:innen, zu finanziellen Interessen, Karenzzeiten oder auch zu Geschenken. Wichtig dabei: Greco empfiehlt, den Verhaltenskodex mit einem wirksamen Kontroll- und Durchsetzungsmechanismus zu verbinden. Dieser könnte beispielsweise durch einen Beauftragten für Integrität und Transparenz zur Anwendung gebracht werden. (Empfehlung I)

Zudem sollten Bundesminister:innen sowie parlamentarische Staatssekretär:innen „zu Fragen der Integrität, zunächst bei Amtsantritt und danach in regelmäßigen Abständensystematisch unterrichtet werden. (Empfehlung II) Auch sollte es klare Orientierungshilfen zur Handhabung von Interessenkonflikten sowie eine ad-hoc-Anzeigepflicht dafür geben. (Empfehlung VI).

Fazit

Der Greco-Bericht benennt viele wichtige Baustellen im Hinblick auf die Stärkung von Integrität, Transparenz und den Umgang mit Lobbyinteressen und Interessenkonflikten. Den Empfehlungen stimmen wir allgemein zu und fordern die Bundesregierung auf, sie zu beherzigen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um das Lobbyregister-Gesetz unterstreicht der Bericht die Notwendigkeit, schnell voranzukommen. Mit der Einführung des Lobbyregister und der exekutiven Fußspur hätten Bundestag und Bundesregierung die Chance, wenigstens einige Kernforderungen des Europarats zügig umzusetzen. Das wäre auch vor dem Hintergrund, dass viele Empfehlungen aus dem elf Jahre alten Bericht zur Parteienfinanzierung immer noch nicht angegangen wurden, dringend anzuraten.

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