Lobbyregister

Ein halbes Jahr nach Amthor: Scheitert das Lobbyregister?

Wo stehen wir ein halbes Jahr nach der Lobby-Affäre um Philipp Amthor beim Thema Lobbyregister? Was ist aus den großen Ankündigungen der großen Koalition geworden, ein verpflichtendes Lobbyregister noch 2020 einzuführen? Zum Jahresende ein kurzes Zwischenfazit.
von 15. Dezember 2020

Neben den politischen Großthemen – Corona, US-Wahl, Brexit – machte die Debatte darüber, wie Lobbyismus geregelt und transparent gemacht werden soll, im nun zu Ende gehenden Jahr bemerkenswerte Fortschritte. Das lag auch an Lobbyaffären, die viel Aufsehen erregten. So machte im Sommer der Lobbyeinsatz des ehemaligen Bundesministers Karl-Theodor zu Guttenberg zu Gunsten des betrügerischen Finanzkonzerns Wirecard Schlagzeilen. Kommenden Donnerstag muss Guttenberg vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal Rede und Antwort stehen. Auch über Lobbyverbindungen des Fleischbarons Clemens Tönnies und die privilegierten Zugänge der Autobosse zur Bundesregierung - Stichwort Autogipfel - wurde 2020 viel diskutiert.

Besondere Spuren hinterließ jedoch der Lobbyskandal um den CDU-Jungstar und Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor. Zur Erinnerung: Amthor hatte sich bei Bundeswirtschaftminister und Parteifreund Peter Altmaier für ein US-Unternehmen stark gemacht, von dem er später Aktienoptionen und einen Direktorenposten erhielt. Der Vorwurf der Käuflichkeit stand im Raum - und ließ die Debatte über Regeln für Abgeordnete und Lobbyist:innen kräftig hochkochen. Was soll transparent sein, was verboten werden, und was ist ethisch und politisch noch vertretbar? Diese Fragen standen plötzlich ganz oben auf der Berliner Agenda. Schnell erklärten Vertreter:innen der Groko, nun zügig das verpflichtende Lobbyregister einzuführen, über das Union und SPD zu diesem Zeitpunkt schon einige Monate verhandelten.

Doch wo stehen wir heute, ein halbes Jahr nach dem Skandal um Amthor? Steht das Projekt verpflichtendes Lobbyregister kurz vor dem Scheitern, wie kürzlich beim Redaktionsnetzwerk Deutschland zu lesen war? Eine Wasserstandsmeldung zum Jahresende gibt es hier im kurzen Video:

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Kurz gesagt: Das versprochene Lobbyregister gibt es noch nicht. Die Regeln für Abgeordnete wurden nur kosmetisch verbessert. Ein Fall wie Amthor wäre damit weiterhin möglich. In der Affäre selbst sind nach wie vor viele Fragen ungeklärt. Die (vorläufige) Bilanz zum Jahresende fällt damit recht ernüchternd aus.

Die gute Nachricht: Die Verhandlungen über das Lobbyregister sind noch nicht gescheitert. Es wird weiterhin miteinander gesprochen. Ein Scheitern der Gespräche wäre eine so schlechte Option, dass Union und SPD das unbedingt verhindern sollten. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass es zu einer soliden und umfassenden Regelung kommt. Diese wird auch von der Anti-Korruptions-Gruppe des Europarats (GRECO) verlangt, die heute ihren neuen Evaluierungsbericht über Deutschland vorgelegt hat. Darin fordern die Anti-Korruptionswächter Maßnahmen, die zum Teil noch deutlich über die in Berlin auf dem Verhandlungstisch liegenden Vorschläge hinaus gehen - unter anderem die Offenlegung sämtlicher Lobbytreffen der Bundesregierung und der darin besprochenen Themen.

Und die Regeln für Abgeordnete?

Auch beim Thema Aktienoptionen und dem Umgang mit Interessenkonflikten sollte vor der Bundestagswahl noch nachgebessert werden. Denn die Verhaltensregeln für Abgeordnete wurden seit dem Sommer nur in zwei Punkten verschärft. So hat die Koalition eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beschlossen, wodurch Verstöße gegen die Anzeigepflicht von Spenden und die Annahme unzulässiger Zuwendungen künftig Sanktionen in Form eines Ordnungsgeldes nach sich ziehen können. Diese Lücke im Abgeordnetenrecht zu schließen war lange überfällig. Hiermit folgt der Bundestag ebenfalls einer Empfehlung der Staatengruppe gegen Korruption GRECO aus einem vorherigen Bericht. Bisher konnten lediglich Verstöße gegen die Pflicht zur Anzeige von Nebentätigkeiten oder den daraus erzielten Einkünften mit Ordnungsgeldern bestraft werden.

Darüber hinaus wurde in den Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete klarer geregelt, wann Hinweise auf die Mitgliedschaft im Bundestags unzulässig sind. Dort heißt es nun in Paragraf 5: „Missbräuchliche Hinweise auf die Mitgliedschaft im Bundestag in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten sind unzulässig. Hinweise auf die Mitgliedschaft im Bundestag sind missbräuchlich, wenn sie geeignet sind, aufgrund der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag einen Vorteil in beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten zu erzeugen.“ Auch dies wohl eine Folge aus der Amthor-Affäre - denn Philipp Amthor hatte offizielles Bundestags-Briefpapier eingesetzt, um einem Privatunternehmen die Tür ins Wirtschaftsministerium zu öffnen, mit dem der Abgeordnete zumindest in der Folge auch beruflich verbandelt war.

Beide Regelungen sind zu begrüßen, sind aber noch nicht der notwendige große Wurf. Und auch die Sache mit den Aktienoptionen ist weiterhin offen: Sie müssen nicht einmal angezeigt werden. Hier muss die Koalition noch zügig nachlegen.

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