Nebeneinkünfte

Bundestag setzt Empfehlungen zu Interessenkonflikten nicht um

Ein Jahr nach Ausbruch der Aserbaidschan-Affäre rund um verdeckte Lobbyarbeit und kurz vor Ablauf einer wichtigen Frist des Europarats fordern wir den Bundestag auf, die Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) endlich umzusetzen. Zudem ist die Affäre nach wie vor nicht aufgearbeitet, viele Fragen sind noch offen und politische Konsequenzen fehlen.
von 10. September 2018

Ein Jahr nach Ausbruch der Aserbaidschan-Affäre rund um verdeckte Lobbyarbeit und kurz vor Ablauf einer wichtigen Frist des Europarats fordern wir den Bundestag auf, die Empfehlungen der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) endlich umzusetzen. Das Antikorruptionsgremium des Europarats fordert umfassendere Regeln für Interessenkonflikte von Abgeordneten und eine verbesserte Kontrolle und Durchsetzung der Anzeigepflichten.

Dies wäre auch als Antwort auf die Affäre um verdeckte Lobbyarbeit für Aserbaidschan notwendig und die richtige politische Konsequenz. Bisher lässt die Aufarbeitung des Skandals deutlich zu wünschen übrig. Am kommenden Mittwoch soll die Rechtsstellungskommission des Bundestags die GRECO-Empfehlungen erneut beraten. Bis 30. September muss die Bundesregierung dann GRECO über die Umsetzung der Empfehlungen berichten. Ohne Verbesserungen der Regeln für Interessenkonflikte und Nebentätigkeiten droht Deutschland erneut ein Blauer Brief aus Straßburg.

Die Staatengruppe gegen Korruption fordert bereits seit 2015 von Deutschland, den Umgang mit Lobbyisten besser zu regeln sowie Offenlegungspflichten und den Umgang mit Interessenkonflikten zu verbessern. Konkret empfahl GRECO unter anderem eine Ad-hoc-Offenlegung für Interessenkonflikte einzuführen sowie eine eigens hierfür vorgesehene Stelle zur vertraulichen Beratung. Darüber hinaus spricht sich GRECO für erweiterte Offenlegungspflichten aus, um etwa auch signifikante Vermögenswerte wie Unternehmensbeteiligungen zu erfassen, sowie für eine verbesserte Kontrolle und Durchsetzung der derzeitigen Anzeigepflichten (siehe Erläuterungen im Detail unten).

Unzureichende Transparenzregeln begünstigten „Kaviar-Diplomatie“

Solche Verschärfungen der Verhaltensregeln wären wichtig, um Fälle wie den der Abgeordneten Strenz künftig zu verhindern. Wir appellieren an die Mitglieder der Rechtsstellungskommission, hier endlich tätig zu werden. Die CDU-Abgeordnete Karin Strenz hatte Geld aus Aserbaidschan über den CSU-Politiker und Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner erhalten. An der Aufklärung der Vorwürfe wirkte Strenz nur unzureichend mit. Bereits im April hatte eine Untersuchungskommission des Europarats einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln festgestellt, da Strenz ihren „andauernden Interessenkonflikt“ als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung nicht offenlegte. In der Folge wurde gegen Strenz und Linter sowie ein rund ein Dutzend weitere Politiker aus ganz Europa Hausverbote ausgesprochen.

Mangelnde Aufarbeitung in Deutschland

Während der Europarat Hausverbote erteilt hat und sich um die Aufarbeitung bemüht, ist aus dem Bundestag nur Schweigen zu vernehmen.  Dies betrifft vor allem die Unionsfraktion. Dort ist bisher jede öffentliche Aufarbeitung und eine Verschärfung der Regeln für Interessenkonflikte von Abgeordneten abgelehnt bzw. verhindert worden. Mit dieser Scheuklappentaktik beschädigen CDU und CSU das Ansehen des Bundestags. Es kann nicht sein, dass ein Parlament in einer parlamentarischen Demokratie sich einfach wegduckt, wenn es um verdeckte Einflussnahme aus dem Ausland geht und deutsche Politiker betroffen sind. Wir fordern seit langem, sich der Affäre endlich offen und konsequent anzunehmen, die offenen Fragen aufzuklären und Anstrengungen zu unternehmen, um solche Skandale künftig zu verhindern. Die GRECO-Empfehlungen bieten dafür einen guten Startpunkt.

Vier richtige Empfehlungen

Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) formulierte im Anfang 2015 erschienenen Vierten Evaluierungsbericht zu Deutschland vier Empfehlungen mit Bezug auf den Bundestag und seine Abgeordneten. Mitte vergangenen Jahres folgte ein erster Umsetzungsbericht. Von den vier Empfehlungen hatte Deutschland zwei gar nicht und zwei „teilweise“ umgesetzt. Deutschland hat nun bis zum 30. September Zeit, Bericht über die weiteren Fortschritte bei der Umsetzung zu erstatten.

Die vier hier relevanten GRECO-Empfehlungen in der Übersicht laut letztem Umsetzungsbericht:

Empfehlung I – Umgang mit Lobbyisten

„GRECO empfahl, die Transparenz des parlamentarischen Verfahrens weiter zu verbessern, beispielsweise indem geregelt wird, wie Abgeordnete Kontakte mit Lobbyisten und anderen Dritten pflegen, die Einfluss auf die parlamentarische Arbeit anstreben.“

Diese Empfehlung wird von GRECO im letzten Umsetzungsbericht als „teilweise umgesetzt“ bewertet. Diese Bewertung können wir nur eingeschränkt teilen. Dass GRECO hier überhaupt einen Fortschritt sieht, liegt an zwei Punkten. Zum einen begann das Justizministerium in der letzten Legislaturperiode Stellungnahmen von Verbänden und Lobbyorganisationen zu Gesetzentwürfen zu veröffentlichen. Das ist ein begrüßenswerter Schritt hin zu einer sogenannten Legislativen Fußspur. Doch sind bis heute längst nicht alle Ministerien dem Schritt gefolgt. Das betont auch GRECO im Umsetzungsbericht und verweist darüber hinaus auf weitere Defizite, etwa die Verbändeliste des Bundestags betreffend.
Der zweite Punkt bezieht sich auf die nun restriktivere Vergabe von Hausausweisen für den Bundestag an Lobbyisten. Dies ist aus unserer Sicht kaum ein Fortschritt. Tatsächlich bräuchte es ein verbindliches Lobbyregister und eine ordentliche Legislative Fußspur für mehr Transparenz im ganzen Gesetzgebungsprozess, um diese Empfehlung vollumfänglich umzusetzen. Davon sind wir weit entfernt. GRECO ist etwas milder im Urteil und formuliert im Umsetzungsbericht dennoch deutlich: „Auch wenn die Empfehlung nicht konkret die Umsetzung aller möglichen Maßnahmen fordert, ist es doch offensichtlich, dass für eine Auseinandersetzung mit den genannten Bedenken deutlich mehr getan werden muss.“

Empfehlung II – Interessenkonflikte
„GRECO empfahl (i) ein Erfordernis der Ad-hoc-Offenlegung einzuführen für Fälle, in denen ein Konflikt entstehen könnte zwischen spezifischen privaten Interessen einzelner Abgeordneter in Bezug auf eine Angelegenheit, die Gegenstand parlamentarischer Verfahren – im Plenum des Bundestages oder seinen Ausschüssen – ist, und zwar unabhängig davon, ob ein solcher Konflikt auch aus der Erklärung der Abgeordneten zu ihren Tätigkeiten und Einkünften ersichtlich sein könnte, und (ii) den Abgeordneten sowohl schriftliche Handreichungen zu diesem Erfordernis – mit Definitionen und/oder Arten von Interessenkonflikten – zur Verfügung zu stellen als auch eine eigens hierfür vorgesehene Stelle vertraulicher Beratung zu möglichen Interessenkonflikten und damit zusammenhängenden ethischen Fragen.“

Diese Empfehlung ist klar nicht umgesetzt. Auch wir fordern einen verbesserten Umgang mit Interessenkonflikten und halten die hier vorgeschlagene Stelle für sinnvoll. Aktuell reichen die Verhaltensregeln des Bundestags nicht aus, um Interessenkonflikte angemessen zu regeln. Wir stimmen nachdrücklich zu. Es ist – wie GRECO schreibt – in der Tat „bedenklich, dass zweieinhalb Jahre nach Verabschiedung des Evaluierungsberichts noch keine konkreten Schritte zur Umsetzung dieser wichtigen Empfehlung unternommen wurden.“ Der Bundestag hatte GRECO zuvor mitgeteilt, dass die Mehrheit des zuständigen Ausschusses der Empfehlung schlicht nicht folgen möchte und auf die bestehenden Regeln verwiesen. Dazu die Staatengruppe: „GRECO möchte betonen, dass die bestehenden Verhaltensregeln, auf die die Behörden verweisen, im Evaluierungsbericht bereits im Detail betrachtet und für unzureichend erachtet wurden, um die Transparenz tatsächlicher oder möglicher Interessenkonflikte sicherzustellen. Die Behörden sind nachdrücklich aufgefordert, zügig tätig zu werden und greifbare Ergebnisse vorzulegen.“

Empfehlung III – Offenlegungspflichten
„GRECO empfahl (i) die bestehenden Offenlegungspflichten zu überprüfen, um ihren Anwendungsbereich auf weitere Arten von Informationen zu erstrecken, beispielsweise auf Angaben zu signifikanten Vermögenswerten – einschließlich
Unternehmensbeteiligungen unterhalb der derzeitigen Schwellenwerte – sowie auf Angaben zu signifikanten Verbindlichkeiten; und (ii) in Erwägung zu ziehen, den Umfang der Anzeigen auszuweiten, so dass auch Angaben zu Ehegatten und unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zu machen (aber nicht zwangsläufig zu veröffentlichen) sind.“

Diese Empfehlung wurde von GRECO mit als „teilweise umgesetzt“ bewertet. Das liegt aber nur an einer Formulierung im zweiten Teil der Empfehlung, bei der um die Ausweitung der Anzeigepflichten auf Ehegatten und Familienangehörige geht. Hier ist nur davon die Rede, diese Ausweitung „in Erwägung zu ziehen“. So reichte es für den Bundestag eben jenes zu tun, um dem Votum „nicht umgesetzt“ zu entgehen. Als Ergebnis der Erwägung wurde GRECO wie schon bei Empfehlung II mitgeteilt, dass die Mehrheit der zuständigen Ausschüsse eine Regeländerung ablehnt. Verwiesen wurde auf rechtliche Probleme und darauf, dass man die Regeln bereits 2013 schon geändert hätte (Causa Steinbrück). Darüber zeigt sich GRECO wenig erfreut und schreibt man nehme die Mitteilung „mit Sorge“ zur Kenntnis. „Die bloße Tatsache, dass die Offenlegungspflicht in der Vergangenheit bereits geändert wurde, kann eine Blockierung künftiger Reformen nicht rechtfertigen.“ Und zu den rechtlichen Bedenken schreibt GRECO sehr richtig: „Sie ist davon überzeugt, dass angemessene Lösungen gefunden werden können, zumal viele andere europäische Länder Wege gefunden haben, um widerstreitende Rechte und Interessen in ein Gleichgewicht zu bringen.“ Hier hat der Bundestag also noch einiges zu tun.

Empfehlung IV – Kontrolle und Durchsetzung
„GRECO empfahl geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine wirksame Kontrolle und Durchsetzung der derzeitigen und künftigen Anzeigepflichten, Regeln zu Interessenkonflikten und anderen Verhaltensregeln für Abgeordnete zu gewährleisten, unter anderem durch Stärkung der personellen Ressourcen in der Bundestagsverwaltung.“

Auch diese Empfehlung ist „nicht umgesetzt“. Uns liegen uns keine Informationen darüber vor, ob sich hier etwas getan hat. Tatsächlich wäre es wichtig, mehr Kapazitäten in der Bundestagsverwaltung zu schaffen, um Angaben der Abgeordneten zu prüfen und Regelverletzungen nachzugehen. Der oben erwähnte Fall Strenz zeigt das ganz plastisch: Mehr als ein Jahr nach Bekanntwerden der Affäre hat die Bundestagsverwaltung die Prüfung, ob Strenz die Verhaltensregeln verletzt hat, immer noch nicht abgeschlossen.

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