Seitenwechsel

Wechsel zur Bahn: Pofalla muss Bundestagsmandat niederlegen

Nun ist es definitiv. Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla wird zum 1. Januar 2015 neuer Cheflobbyist der Bahn. Sein Mandat als Bundestagsabgeordneter sollte er jetzt schnellstmöglich niederlegen.
von 16. Juni 2014
pofalla müller klaeden

Müller, Klaeden, Pofalla: Drei enge Vertraute Merkels. Drei Staatsminister. Drei Wechsel in Lobbyjobs. Das Fragezeichen bei Pofalla kann nun entfernt werden. Bild: Jakob Huber/LobbyControl

Nun ist es definitiv. Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla wird zum 1. Januar 2015 neuer Cheflobbyist der Bahn. Das soll laut Bahnchef Grube der Aufsichtsrat der Bahn am kommenden Mittwoch endgültig beschließen. Nach einer heftigen Debatte zu Jahresbeginn wurde der Wechsel zur Bahn zunächst verschoben.

Dass Pofalla aus dem Kanzleramt zur Bahn wechselt, bleibt hochproblematisch. Ein Abstand von einem Jahr ist keine ausreichende Abkühlphase, insbesondere wenn der Wechsel bereits vorher verabredet wurde. Pofalla ist zudem nach wie vor Bundestagsabgeordneter. Er sollte sein Mandat jetzt schnellstmöglich niederlegen.

Karenzzeit: Selbstverpflichtung funktioniert nicht

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Pofalla eine freiwillige Abkühlphase empfohlen. Aber eine Abkühlphase würde voraussetzen, dass Pofalla tatsächlich in dieser Zeit nicht politisch oder als Lobbyist tätig ist.

Neben seinem Mandat ist Pofalla laut seiner Bundestagswebseite bei der Kanzlei Holthoff-Pförtner Rechtsanwälte und Notare in Essen beschäftigt. Auf Nachfragen von LobbyControl, was er dort genau tut und ob er auch politische Fälle bearbeitet, antworteten bisher weder Pofalla noch die Kanzlei.

Der Fall Pofalla zeigt das Scheitern der Bundesregierung: Auf rein freiwilliger Basis lassen sich die Seitenwechsel von Politikern nicht regeln. Auch nach acht Jahren haben die Regierungskoalitionen unter Merkel noch keine Regeln für Seitenwechsler eingeführt. Diese Untätigkeit muss ein Ende haben. Der Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag, Karenzzeiten „anzustreben“, müssen nun endlich konkrete Schritte folgen.

Merkel muss Verantwortung übernehmen

LobbyControl fordert bereits seit langem eine verbindliche Karenzzeit von drei Jahren für ausscheidende Regierungsmitglieder und hohe Beamte. In dieser Zeit sollen keine Lobbytätigkeiten ausgeführt werden dürfen.

Solche Wechsel schädigen das Ansehen der Politik nachhaltig und sind oft mit Interessenkollisionen verbunden. Um schon den Anschein einer unzulässigen Beeinflussung auszuschließen, sollten außerdem Jobverhandlungen noch während der Amtszeit – man denke an von Klaeden – grundsätzlich nicht möglich sein.

Wir haben bisher über 39.000 Unterschriften für eine verpflichtende Karenzzeit gesammelt. Bereits im März überreichten wir die Unterschriften Vertretern der Bundesregierung und protestierten vor dem Kanzleramt.

Machen Sie weiter mit uns Druck für verpflichtende Karenzzeiten und unterzeichnen Sie – sofern noch nicht geschehen – unseren Appell:

[button]Jetzt unsere Aktion für Karenzzeiten unterzeichnen[/button]

Weitere Informationen:

 

Beitragsbild: Ronald Pofalla bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Dezember 2013. Foto von Martin Rulsch, Wikimedia Commons, CC-by-sa 3.0/de

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4 Kommentare

Tilmann16. Juni 2014 um 22:56

Ich begrüße Ihre kritische Haltung grundsätzlich sehr. Allerdings verstehe ich hier die Forderung nicht. Warum ist eine Nebentätigkeit für die Deutsche Bahn schlimmer als für eine Kanzlei oder für ein NGO? Wo ziehen Sie die Grenzen?

Natürlich ist das kritisch zu sehen. Aber würde die Petition nicht auch bewirken, dass Pofalla erst nach 3 Jahren z.B. zu Greenpeace wechseln dürfte?

Timo Lange17. Juni 2014 um 16:39

Hallo Tilmann,

uns geht es bei der Forderung nach einer verbindlichen Karenzzeit vor allem darum, den übergangslosen Wechsel aus politischen Spitzenämtern in Lobbytätigkeiten zu verhindern.

Wenn ein aus der Regierung ausscheidender Minister in eine entsprechende Lobby-Position bei Greenpeace wechseln würde, würde diese Regel in der Tat auch dort zur Anwendung kommen. Ein Blick auf die Seitenwechsler der letzten Jahre zeigt aber, dass Spitzenpolitiker nur in seltenen Ausnahmefällen nach ihrer Amtszeit bei NGOs tätig werden. Einen Überblick haben wir hier zusammengestellt: https://lobbypedia.de/index.php/Seitenwechsler_im_%C3%9Cberblick

Unsere Liste zeigt deutlich, dass die überwiegende Mehrheit aller Seitenwechsler in Lobbytätigkeiten in Unternehmen, Wirtschaftsverbände oder wirtschaftsnahe Beratertätigkeiten wechselt. Nur ein Fall – Rainer Baakes Wechsel zur Deutschen Umwelthilfe – bezieht sich auf einen Seitenwechsel in einen Umweltverband.

Viele Grüße

Timo Lange

Tilmann18. Juni 2014 um 19:14

Hallo Herr Lange,

vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!

Simon20. Juni 2014 um 14:32

Tätigkeiten außer Lobbytätigkeit in den Unternehmen ja erlaubt:

Ich fände es auch nicht schlimm, wenn ein Ex-Politiker selbst bei Greenpeace in den ersten ein bis drei Jahren keine Lobbytätigkeit übernehmen dürfte, sondern dort erst mal für irgendeine andere Tätigkeit eingesetzt würde.

Das Gleiche wäre ja auch in in einer Kanzlei oder in einem anderen Unternehmen gut machbar und wohl nicht zu viel verlangt. (Ein Unternehmen, dass sich Lobbyisten leisten kann ist ja meist groß genug.)