Seitenwechsel

Vom Ministerium zur Allianz-Lobbyistin: Ex-Staatssekretärin Birgit Grundmann wechselt die Seiten

Die Welle der problematischen Seitenwechsel geht weiter: Mit Birgit Grundmann wechselt nun eine ehemalige Staatssekretärin aus dem Justizministerium zum Versicherungskonzern Allianz – und zwar auf den neu geschaffenen Posten der Cheflobbyistin. Die Bundesregierung muss endlich eine wirksame Karenzzeit-Regelung vorlegen. Außerdem muss sie einmal mehr ihre Unabhängigkeit gegenüber der Finanzlobby beweisen.
von 5. August 2014
AAAllianz

Pressemitteilung der Allianz zum Seitenwechsel von Birgit Grundmann, Screenshot der Allianz-Webseite

Die Welle der problematischen Seitenwechsel geht weiter: Mit Birgit Grundmann wechselt nun eine ehemalige Staatssekretärin aus dem Justizministerium zum Versicherungskonzern Allianz – und zwar auf den neu geschaffenen Posten der Cheflobbyistin. Das FDP-Mitglied Grundmann wurde nach dem Antritt der neuen Regierung Anfang diesen Jahres in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Ihren neuen Job als „Vorstands-Bevollmächtigte Politik und Verbände“ tritt Grundmann zum ersten September 2014 an. Mit Grundmann kauft sich die Allianz Insiderwissen über Gesetzgebungsprozesse und Kontakte ins Justizministerium ein. Seitenwechsel wie diese verschaffen finanzstarken Lobbyakteuren privilegierte Zugänge zur Politik.

Wirksame Karenzzeiten sind nötig

Wir fordern die Bundesregierung auf, solchen Seitenwechseln endlich Einhalt zu gebieten. Zwar gibt es für beamtete Staatssekretäre die Möglichkeit, nahtlose Seitenwechsel zu untersagen, wenn Interessenkonflikte drohen. Allerdings wird diese Regel nur selten angewandt. Erst im Mai konnte der frühere Staatssekretär Thomas Ilka aus dem Gesundheitsministerium zum Versicherungslobbyverband GDV wechseln, obwohl sein früherer Arbeitgeber auch mit Versicherungsfragen betraut war.

Zudem greift die Regelung nur dann, wenn ein unmittelbarer thematischer Zusammenhang zum früheren Arbeitgeber bestand. In der Praxis werden frühere Spitzenpolitiker allerdings selten allein wegen ihrer Fachexpertise angeheuert. Interessant sind vielmehr ihre Netzwerke und ihr Insiderwissen, die den neuen Arbeitgebern die Türen zur Politik öffnen sollen.

Seitenwechsler wie Pofalla, Niebel und letzlich auch Grundmann stärken finanzstarke Lobbyakteure und schwächen damit demokratische Abwägungs- und Entscheidungsprozesse. Deswegen brauchen wir wirksame Karenzzeiten, innerhalb derer Spitzenpolitiker nicht in Lobbyjobs wechseln dürfen. Anfang des Jahres hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine Karenzzeit-Regelung angekündigt  – ein konkreter Vorschlag ist bis heute nicht bekannt. Hier finden Sie unsere fünf Eckpunkte für eine wirksame Karenzzeit-Regelung.

Weitere neue Finanzlobbyistinnen: Bundesregierung muss Abstand bewahren

Birgit Grundmann ist nicht die einzige neue Lobbyistin in der Finanzbranche. Mit Thomas Ilka stellte der GDV – mit der Allianz als einem der einflussreichsten Mitglieder – bereits einen früheren Staatssekretär ein. Erst kurz zuvor hatte das Deutsche Aktieninstitut (DAI) ein neues Berliner Büro eröffnet. Leiterin des DAI-Hauptstadtbüros ist die frühere stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach (CSU).

Auch die Bank ING-Diba baute im Frühjahr diesen Jahres eine neue Unternehmensrepräsentanz in Berlin auf. Mit Eva Wüllner setzt die ING-Diba ebenfalls auf die Insiderkenntnisse einer früheren Unions-Sprecherin. Wüllner war zuletzt Pressesprecherin der CDU Deutschland. Die Bundesregierung wird nun einmal mehr ihre Unabhängigkeit gegenüber der Finanzlobby beweisen müssen. Dass das bitter nötig ist, zeigte nichtzuletzt die kürzlich verabschiedete Reform des Lebensversicherungsgesetz. Hier blockierte die Versicherungslobby erfolgreich die ursprünglichen Pläne, die mehr Transparenz über die Provisionen der Versicherungsmakler schaffen sollten.

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