Timo Lange, Sprecher von LobbyControl, kommentiert:
„Mit Friedrich Merz wird ein Mann Bundeskanzler, der selbst jahrelang als Lobbyist tätig war und bestimmten Wirtschaftsinteressen besonders nahesteht. Das gilt auch für einige seiner Minister*innen wie Katherina Reiche oder Karsten Wildberger. Gerade deshalb muss die neue Bundesregierung jetzt zeigen, dass sie nicht einseitig starken Lobbygruppen den Vortritt lässt, sondern für eine breite und transparente Beteiligung sorgt.
Gleich mehrere Kabinettsmitglieder sind oder waren im unternehmerischen Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU tätig, dessen Vizepräsident Merz bis 2021 war. Der Wirtschaftsrat vertritt die Interessen von Großkonzernen und Verbänden wie Deutsche Bank, Nestlé oder dem VDA. Mit über fünf Millionen Euro Lobbyausgaben jährlich zählt er zu den größten Lobbyverbänden in Deutschland.
Insbesondere bei wichtigen Zukunftsfragen wie in der Klimapolitik braucht es breite Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen – und keine einseitige Ausrichtung an den Vorstellungen von mächtigen Verbänden wie dem Wirtschaftsrat. Nur so kann die neue Bundesregierung unsere Demokratie stärken und demokratiefeindliche Kräfte wirksam zurückdrängen.“
Offenlegung von Beteiligungen und Lobbytreffen gefordert
„Unsere Demokratie braucht starke Regeln gegen einseitigen und unzulässigen Lobbyeinfluss und für ausgewogene Beteiligung. Bundeskanzler Merz und seine Regierung sollten sich an der EU-Kommission orientieren und sämtliche Lobbytreffen auf Minister- und Staatssekretärsebene transparent machen. Das würde die eigene Glaubwürdigkeit und Integrität stärken und Misstrauen in politische Institutionen vorbeugen. In der letzten Wahlperiode haben führende Unionspolitiker wie Friedrich Merz und Markus Söder lautstark vor ‚Filz und Vetternwirtschaft‘ in der Ampel-Regierung gewarnt. Nun tragen sie selbst Regierungsverantwortung und haben damit die Chance, den Umgang mit Interessenkonflikten in den Ministerien zu verbessern. Als Bundeskanzler sollte Merz dafür sorgen, dass sein Regierungspersonal Beteiligungen an Unternehmen künftig anzeigen muss.
Sind hochrangige Entscheidungsträger*innen in den Bundesministerien in signifikantem Umfang an Unternehmen beteiligt, besteht die Gefahr von schwerwiegenden Interessenkonflikten. Bisher fehlt es in Deutschland an entsprechenden Anzeigepflichten. Es kann nicht sein, dass die Regeln für Bundestagsabgeordnete dazu strenger sind als die für Mitglieder der Bundesregierung.
Die Regierung Merz steht vor der großen Herausforderung, verloren gegangenes Vertrauen in unsere Demokratie wiederherzustellen. Das kann sie nur, indem sie einseitigen Lobbyeinfluss auf die Politik wirksam zurückdrängt und Transparenz und Integrität stärkt.“
Hintergrund
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