Lobbyismus in der EU

Die neue EU-Kommission unter der Lupe – Teil 5: Věra Jourová (Werte und Transparenz)

Věra Jourovás Hauptaufgabe in den kommenden fünf Jahren wird sein, die Demokratie in Europa zu verteidigen und sie auf europäischer Ebene voranzubringen und transparenter zu machen. Auch für den Schutz der Rechtstaatlichkeit wird sie zuständig sein. Die einzige Frage zur Rechtsstaatlichkeit Tschechiens und der Rolle von Ministerpräsident Babiš, der aus der selben Partei kommt wie sie, konnte sie einfach umschiffen.
von 8. Oktober 2019

Am 07. Oktober fand die Anhörung der tschechischen Kommissionskandidatin Věra Jourová vor dem Europäischen Parlament statt. Ihre Hauptaufgabe in den kommenden fünf Jahren wird sein, die Demokratie in Europa zu verteidigen, zu stärken und transparenter zu gestalten. Ein Mittel auf dem Weg dorthin ist das nach wie vor ausstehende gemeinsame Lobbyregister für alle EU-Institutionen. Auch der Schutz der Rechtsstaatlichkeit wird in die Zuständigkeit der tschechischen Kommissarin fallen. Größere Unannehmlichkeiten blieben ihr in der Anhörung erspart: Der einzigen Frage zum Stand der Rechtsstaatlichkeit in Tschechien und der problematischen Rolle von Ministerpräsident Babiš konnte sie geschickt ausweichen.

Gegen Desinformation und für Medienfreiheit

Eine der Kernaufgaben der designierten Kommissarin ist die Bekämpfung von Desinformation: Im Rahmen eines "European Democracy Action Plan" soll sie Europa vor unzulässiger Einflussnahme bei demokratischen Wahlen schützen, etwa durch gesetzliche Vorschläge über bessere Transparenz bei Wahlwerbung und Parteienfinanzierung. Auch für die Überwachung des Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation ist sie in Zukunft zuständig. Darin haben sich Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Twitter und Mozilla, sowie die Berufsverbände der Werbebranche freiwillig dazu verpflichtet, Desinformation in ihren sozialen Netzwerken zu bekämpfen. Daneben fällt auch der Schutz und die Förderung der Meinungs- und Pressefreiheit, des Medienpluralismus und des unabhängigen Journalismus in Jourovás Zuständigkeit. In ihrer Anhörung sprach sie sich mit deutlichen Worten für einen verbesserten Schutz von Journalist*innen aus, die seitens der eigenen Regierung unter Druck stehen. Sie bedauere, dass es auf EU-Ebene derzeit keine rechtlichen Instrumente gebe, um sie davor zu schützen. Unter diesen Umständen plädiert die Kommissarin für eigene EU-Fonds. Mit deren Hilfe könnten bedrohte Journalist*innen rechtlichen Beistand finanzieren.

Mehr Demokratie und Transparenz auf EU-Ebene

Ein zweiter wichtiger Aspekt ihrer Arbeit: Die europäischen Institutionen selbst transparenter und demokratischer zu gestalten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Jourová dazu in ihrem "Mission letter" einige ehrgeizige Aufgaben erteilt: So soll sie die Einrichtung eines gemeinsames Transparenzregisters von Rat, Parlament und Kommission abschließen. Ihr Vorgänger Frans Timmermans war bei diesem Vorhaben noch gescheitert, weil er mit den Zugeständnissen von Rat und Parlament nicht zufrieden war. Jourová betonte, dass sie Timmermans grundsätzlich zustimme: Für das Parlament müsse die gleiche Praxis wie für die Kommission gelten, ausschließlich registrierte Lobbyist*innen zu treffen. Jourová selbst habe in der Vergangenheit positive Erfahrungen mit dem Lobbyregister gemacht, dieses stelle ein wirksames Instrument zum Schutz gegen falsche Verdächtigungen dar. Bisher allerdings sieht es nicht danach aus, als würde das EU-Parlament hier einlenken: In der vergangenen Wahlperiode hatte es eine feste Regelung noch mit der Begründung abgelehnt, dass sie gegen das freie Mandat verstoße.

Außerdem soll Jourová eine gemeinsame unabhängige Ethikkommission für die EU-Institutionen ins Leben rufen. Eine solche Kommission ist wichtig und längst überfällig. Bisher verfügen nur Angehörige von Kommission und Parlament über eigene Ethik-Komitees - die noch dazu ziemlich zahnlos und alles andere als unabhängig sind. Zusätzlich soll sie das Instrument der europäischen Bürger*inneninitiative verbessern, ein neues Spitzenkandidat*innensystem entwerfen und transnationale Wahllisten durchsetzen.

Ein wichtiger Punkt, der auch uns Sorgen macht, kam durch den Europaabgeordneten Daniel Freund auf die Tagesordnung. Die Arbeitsmethoden der neuen Kommissarin enthalten keinerlei Vorgaben für die Kommissar*innen, bei ihren Lobbytreffen eine Balance zwischen den verschiedenen Interessen herzustellen. Der scheidende Präsident Jean-Claude Juncker hatte diese Vorschrift aufgenommen, praktisch umgesetzt wurde sie aber nicht. Leider - und womöglich bezeichnenderweise - hatte Věra Jourová keine Antwort auf Freunds Frage nach diesen fehlenden Angaben parat. Mehr noch, sie wusste schlicht nicht, wovon er sprach.

Europäische Rechte und Werte

Ein dritter Strang von Jourovás Arbeits betrifft "europäische Werte" und Rechte. Während ihre Aufgabenbeschreibung in Bezug auf diese "Werte" noch diffus bleibt, wird es bei den europäischen Rechten konkreter. Unter anderem soll die Kommissarin den brachliegenden Prozess des EU-Beitritts zur europäischen Menschenrechtskonvention voranbringen, gemeinsam mit dem zukünftigen Justizkommissar auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in Europa pochen und die Anwendung der Grundrechtecharta überwachen.

In der vergangenen Legislaturperiode war Věra Jourová bereits Kommissarin für Justiz. Teilweise hat sie sich dabei als durchsetzungsfähige Kommissarin bewiesen, die im Namen der Interessen der EU-Bürger*innen agiert, zum Beispiel im Rahmen der Whistleblower-Richtlinie. Fragwürdig aber bleibt ihre Einstellung zum tschechischen Ministerpräsidenten und Parteifreund Jourovás Andrej Babiš, dem sie ihre Kandidatur verdankt. Die einzige Frage der Abgeordneten zur Rechtsstaatlichkeit Tschechiens und der Rolle von Babiš konnte sie leicht umschiffen. Wir bedauern, dass die Abgeordneten nicht hartnäckiger überprüft haben, ob Jourovás Unabhängigkeit von Babiš im notwendigen Maß gewährleistet ist. Enttäuscht darüber zeigte sich unter anderen auch Jakub Patočka. Gegen den Gründer der NGO "Denik Referendum" hatte Babiš Strafanzeige gestellt, weil dieser ein kritisches Buch über den Ministerpräsidenten veröffentlicht hatte.

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