Lobbyismus in der EU

Die neue EU-Kommission unter der Lupe – Teil 1: Phil Hogan (Handel)

Der erste Beitrag in unserer Mini-Blogreihe zu den Anhörungen der neuen EU-Kommissionskandidat*innen. Heute: Handelskommissar Phil Hogan. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könnte Hogan all das liefern, was sich die kritische europäische Zivilgesellschaft vom neuen EU-Handelskommissar wünschen würde. Doch halten seine Positionen auch einer tiefergehenden Betrachtung stand?
von 30. September 2019

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als könnte der Ire Phil Hogan all das liefern, was sich die kritische europäische Zivilgesellschaft vom neuen EU-Handelskommissar wünschen würde. Seine Motivation für den hohen Posten, so Hogans schriftliche Antwort auf Fragen der europäischen Abgeordneten, entspringe dem tiefen Verantwortungsbewusstsein, im Dienste der Allgemeinheit zu stehen. Umfassende Transparenz müsse das Herzstück europäischer Handelspolitik bilden. Man schulde es den europäischen Bürger*innen, „to ensure that those on behalf of whom we work are as well and fully informed as possible, having necessary regard to the protection of our negotiating position.“

Transparenz in der Handelspolitik nur mangelhaft

Dies würde eine starke Verbesserung gegenüber der bisherigen Praxis der Handelskommission darstellen. Denn trotz vollmundiger Versprechen von Hogans Amtsvorgängerin Cecilia Malmström und ihrer Initiative „Trade for all“ ist die europäische Handelspolitik längst nicht zu dem Vorbild an Transparenz geworden, als das sie gerne dargestellt wird. Nach wie vor bestehen in diesem Bereich große Mängel. Ähnlich sieht es beim ungleichen Zugang von Interessen aus: Zwar lobt die Kommission die eigens etablierten „Civil Society Dialogues“, unterschlägt dabei aber erstens, dass diese längst kein Abbild der Zivilgesellschaft darstellen. Und zweitens „vergisst“ sie, auf die individuellen Treffen der Kommission hinzuweisen. Diese nämlich waren völlig unausgeglichen und von Konzernlobbyist*innen dominiert. Beides, Intransparenz und Unaugeglichenheit der Interessen, ist hochproblematisch.

Zivilgesellschaftlicher Protest gegen TTIP 2.0

Auch die aktuellen Verhandlungen zwischen EU und USA über ein TTIP 2.0 verlaufen in hohem Maße intransparent. Als Antwort auf die heftigen Proteste gegen TTIP und CETA hatte die Kommission die Praxis etabliert, Positionen zu und Berichte über die einzelnen Verhandlungsrunden zu veröffentlichen. Im Rahmen der Gespräche mit den USA allerdings scheint sie von dieser Praxis wieder vollständig abgerückt zu sein: Spärlich bis keine Berichte über den Verlauf der Verhandlungen, ihre Inhalte oder die Absichten und Positionen der Handelskommission finden sich auf deren Website. Auf diesen eklatanten Mangel an Transparenz verweisen wir anlässlich von Hogans Hearing gemeinsam mit vielen anderen europäischen NGOs in einem offenen Brief. Darin kritisieren wir nicht nur den Mangel an demokratischer Kontrolle der Verhandlungen, sondern auch manche Inhalte, zu denen wir derzeit leider nur Vermutungen anstellen können. So scheint auch die gefährliche regulatorische Kooperation Teil der Gespräche zu sein.

Einige vielversprechende Ankündigungen…

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir, dass Hogan bei der Aushandlung von Handelsabkommen für mehr zivilgesellschaftliche Beteiligung und parlamentarische Kontrolle sorgen will, wie er in seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen der Abgeordneten anlässlich des Hearings vorm INTA-Ausschuss des Parlaments schreibt. Und zwar von Beginn der Verhandlungen an. Ebenso begrüßen wir sein Bekenntnis dazu, dass Handel den europäischen Bürger*innen zugute kommen soll und dass die Wirkungen von Handelsverträgen auch nach deren Implementierung genau kontrolliert und verfolgt werden können. Es ist gut, dass Hogan systematisch Nachhaltigkeitskapitel in den Verträgen etablieren will.

… aber Lücken, die nachdenklich stimmen

Allerdings stimmen viele seiner Antworten auf die Fragen des zuständigen Ausschusses nachdenklich: Nichts findet sich zu den gefährlichen Sonderklagerechten für Konzerne (ISDS) wie sie etwa im europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen CETA verankert sind. Auch im Bereich von Transparenz und zivilgesellschaftlicher Beteiligung wissen wir bisher nicht, auf welche Weise Hogan hier für Verbesserungen sorgen will. Wiederholt hat er in diesem Punkt auf das neu zu schaffende Amt eines "Trade Executive Officer" verwiesen. Was genau diese Stelle aber umfasst und welche Kompetenzen damit verbunden sind, ist noch weitgehend unklar. Umso eindeutiger zeigt sich dafür Hogans bisherige Einstellung zum Umgang mit der Zivilgesellschaft: In seiner Zeit als Agrarkommissar führte er 77 Prozent aller Gespräche mit Vertreter*innen aus der Wirtschaft. Zum Vergleich: NGOs empfing er nur in 12 Prozent der Fälle. (Quelle: Integritywatch)

Ebenso wenig lässt sich urteilen, wie Hogan zu den Gefahren regulatorischer Kooperation steht. Auch von einem Mechanismus zur effektiven Durchsetzung der Nachhaltigkeitsbestimmungen ist keine Rede. Das lässt zumindest für den Umgang der EU mit Brasilien im Kontext von Mercosur wenig Gutes hoffen. Denn auch in diesen Vertrag wurde ein Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung aufgenommen, das die Bewahrung der Regenwälder, Arbeitsrechte und Umweltanliegen zum Ziel hat. Mit einem großen Vorbehalt: Anders als andere Teile des Abkommens lassen sich die zu Nachhaltigkeit von den Vertragsparteien nicht mittels einer handfesten Bestimmung einfordern. Entsprechend zurückhaltend gibt sich die bisherige Handelskommission auch bei Nachfragen darüber, wie sie mit der umweltschädlichen Politik von Vertragspartner Jair Bolsonaro, dem brasilianischen Präsidenten, umgehen will.

Ob wir den Versprechungen glauben schenken können? Oder wird gerade das, worüber Hogan keine Aussagen macht, kennzeichnend für die Arbeit der Handelskommission unter sein Führung sein? Eines steht fest: Der Weg hin zu einer transparenten und demokratischen (Handels-)Politik im Sinne aller dürfte für Hogan ein weiter und beschwerlicher sein. Wir werden ihm dabei genau auf die Finger schauen.

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