Macht der Digitalkonzerne

Kontroversen um die Macht der Digitalkonzerne

Die Auseinandersetzung um die Macht der großen Digitalplattformen spitzt sich weiter zu. Dabei mischen sich politische Debatten mit Konflikten zwischen Digitalplattformen und anderen Firmen. Wir werfen einen Blick auf spannende Ereignisse der letzten Wochen: den Angriff von Epic Games (Fortnite) auf Apple, die Anhörung zur Macht der Digitalkonzerne im US-Kongress und eine Recherche der NY Times zum Wissenschaftslobbyismus von Amazon, Google und Qualcomm.
von 18. August 2020

Die Auseinandersetzung um die Macht der großen Digitalplattformen spitzt sich weiter zu. Dabei mischen sich politische Debatten mit Konflikten zwischen Digitalplattformen und anderen Firmen. Der jüngste Fall ist der Angriff von Epic Games, der Firma hinter dem weitverbreiteten Computerspiel Fortnite, auf die App-Stores von Apple und Google. Die Machtfragen der digitalen Wirtschaft müssen auch in der breiten Öffentlichkeit stärker diskutiert werden. Deshalb werden wir in den kommenden Monaten darüber ausführlicher berichten. Hier einige Schlaglichter auf spannende Ereignisse der letzten Wochen.

1. Konflikt um App-Stores eskaliert

Mit ihren App-Stores kontrollieren Apple und Google zentrale Orte für digitale Geschäftsmodelle. Wer auf mobilen Geräten Geschäfte machen will, kommt an Apple und Google (Android) nicht vorbei. Die Frage ist, ob die beiden Digitalkonzerne ihre Machtposition ausnutzen und unfaire Regeln aufstellen, die Nutzer*innen und andere Firmen benachteiligen. In den USA und Europa ist das bereits Thema in laufenden Kartelluntersuchungen. Jetzt gehen App-Entwickler wie Epic Games (Fortnite), Spotify oder Telegram in die Offensive.

Ein neuer und spektakulärer Fall ist der Konflikt zwischen Epic Games und Apple. Der Spiele-Entwickler hatte eine gezielte Provokation in ein Update für das Spiel Fortnite eingebaut: Spieler*innen hätten danach Zusatzprodukte für das Spiel an Apples und Googles App-Store vorbei kaufen können. Apple verlangt 30% Provision für jeden Kauf über den App-Store. Epic Games bot die direkten Käufe bei sich mit 20% Rabatt an. Das Spiel flog daraufhin aus den App-Stores von Apple und Google. Epic Games war darauf vorbereitet und reichte daraufhin in den USA Klagen gegen Apple und Google ein: Der Spiele-Entwickler wirft den beiden Unternehmen vor, das Kartellrecht zu verletzen und ihre Monopolstellung beim Vertrieb von Apps (über den App-Store) durch unrechtmäßige Beschränkungen aufrecht zu erhalten.

Screenshot aus dem Epic Games-Video gegen Apple
Epic Games -
In dem Video inszeniert sich Epic Games als Freiheitskämpfer, Apple als den diktatorischen Bösen.

Epic Games veröffentlichte zugleich ein Video, dass Apple angriff und die eigenen Nutzer*innen mobilisieren sollte. Dabei parodierte die Firma einen Apple-Werbeclip von 1984, der mit Rückgriff auf Orwells Buch 1984 damals die Machtstellung von Intel/ Windows-Rechnern angegriffen hatte. Dabei ist Epic Games selbst nicht unumstritten. So gab es in der Spiele-Szene durchaus Kritik an den Taktiken, mit denen Epic den eigenen Spiele-Store gegen Konkurrenten stärken wollte.

Der Angriff von Epic reiht sich ein in eine ganze Reihe von Beschwerden gegen die App-Stores ein. Der Musikstreaming-Anbieter Spotify hatte bereits im März 2019 Beschwerde bei der EU-Kommission gegen Apple eingereicht. Vor kurzem legte der Messenger-Dienst Telegram nach: Er will den App-Store-Zwang aufbrechen und erreichen, dass Handy-Nutzer Apps auch jenseits des App-Stores herunterladen können. Tatsächlich hat die EU-Kommission im Juni kartellrechtliche Untersuchungen gestartet, um zu prüfen, ob Apple mit seinen App-Store-Regeln gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstößt.

Der Vorstoß von Epic ist also nur ein weiterer Fall in einer größeren Auseinandersetzung darüber, ob Apple und Google ihre Machtstellung durch die App-Stores unfair ausnutzen und diese Monopolmacht politisch gebrochen werden muss. Interessant an dem Fall Fortnite ist, dass Epic Games mit seinem Angebot von vergünstigten direkten Käufen nun formal argumentieren kann, dass die Blockade durch Apple zu Mehrkosten für die Nutzer*innen führe. Das ist in der aktuellen Auslegung des US-Kartellrechts ein entscheidender Punkt (consumer welfare-Ansatz).

Dagegen versucht eine kritische Bewegung in den USA, wieder stärker am politischen Gehalt der amerikanischen Antitrust-Tradition anzuknüpfen. Sie betont, dass es beim Kampf gegen die großen Unternehmen („trusts“) von Anfang an auch um die negativen politischen Folgen von ökonomischer Monopol-Macht gegangen sei. Die Bewertung von Unternehmenszusammenschlüssen und der Markt-Macht einzelner Unternehmen solle daher auch weitergehende politische und gesellschaftliche Folgen berücksichtigen.

2) Antitrust-Anhörung vor dem US-Kongress

CEOs von Amazon, Apple, Facebook und Google bei Kongress-Anhörung, Juli 2020
Screenshot judiciary.house.gov -
Die Chefs von Amazon, Apple, Facebook und Google bei der Anhörung - per Video zugeschaltet (Montage aus dem Video der Anhörung)


In den USA ist die Debatte über die Machtstellung von Big Tech insgesamt weiter und öffentlich präsenter. Ein besonderer Moment war die Anhörung der Chefs von Amazon, Apple, Facebook und Google vor dem US-Kongress Ende Juli. Sie war Teil einer Untersuchung zur Marktmacht der Digitalplattformen, die der Unterausschuss für Wettbewerb des US-Repräsentantenhauses vor über einem Jahr gestartet hatte. Die Demokraten zielten in der Anhörung vor allem auf die wirtschaftliche Macht der Plattformen, die Republikaner thematisierten mehr angebliche Voreingenommenheiten gegen konservative Sichtweisen.

Zu der Anhörung wurden eine ganze Reihe interner Dokumente der Tech-Konzerne aus dieser Untersuchung veröffentlicht. Dabei ging es etwa um die Instagram-Übernahme durch Facebook, die Strategie von Amazons gegen den Konkurrenten diapers.com oder Apples Umgang mit App-Anbietern. Sie liefern wichtige Belege dafür, wie die Tech-Firmen über Übernahmen, das Kopieren von Wettbewerbern oder das Ausnutzen ihrer bestehenden Machtstellung ihre Position behaupten und ausbauen wollten.

Zum Weiterlesen einige Texte zur Anhörung und den internen Dokumenten:

3) Wissenschaftslobbyismus von Big Tech zu Kartellfragen

Natürlich versuchen die Digitalplattformen, sich gegen Vorwürfe von zu großer Macht zu wehren und die Politik von weitergehenden Eingriffen abzuhalten. Sie beschränken sich dabei aber nicht nur auf Lobbyismus gegenüber den politischen Institutionen und Öffentlichkeitsarbeit. Sie wollen auch die Fachdebatte zu Kartell- und Wettbewerbsfragen beeinflussen.

Das zeigt eine interessante Recherche der New York Times zum Global Antitrust Institute an der George Mason University. Das Institut arbeit zu Fragen des Wettbewerbsrecht und schult Richter in verschiedenen Länder, die mit Entscheidungen in Kartellverfahren befasst sind. Demnach haben Amazon und Google das Institut mit mehreren Hunderttausend Dollar unterstützt. Mit dem Chiphersteller Qualcomm gab es eine millionenschwere, dreijährige Spendenvereinbarung. Qualcomm ist sowohl in den USA als auch in Europa in größere Kartellverfahren verwickelt. Laut NY Times zeigen interne Dokumente, dass die Leitung des Instituts – u.a. Joshua Wright mit langen Google-Verbindungen – eng mit den Tech-Firmen zusammenarbeitete, um Vorwürfe von zu großer Markt-Macht abzuwehren. Der frühere Chef-Ökonom der Wettbewerbsdirektion der EU-Kommission sagte, das Institut präsentiere einseitige Beispiele. So solle der Eindruck vermittelt werden, dass ungeregelte Märkte gut funktionieren – zum Nutzen der etablierten Digitalunternehmen.

Die Recherche ist in mehrerer Hinsicht spannend und lesenswert:

  1. Sie zeigt, wie weitreichend der Einfluss der Digitalkonzerne ist und dass sogar das akademische Feld von Kartell- und Wettbewerbsrecht nicht frei ist von den Einflüssen großer Konzerne. Die inhaltliche Bewertung ökonomischer Machtfragen wird also selbst durch die politische Arbeit der Unternehmen beeinflusst. Ein weiteres Argument dafür, dass man die Machtfragen im ökonomischen und politischen Feld wieder stärker in ihren Wechselwirkungen betrachten sollte.
  2. Der Fall greift ein spannendes und wenig diskutiertes Lobby-Thema auf, nämlich dass es auch spezielle Lobby-Formen gibt, um auf die Justiz Einfluss zu nehmen. Normalerweise stehen vor allem Legislative (Parlament) und Exekutive (Regierung) im Fokus kritischer Lobby-Analysen.
  3. Der Fall zeigt erneut, wie Transparenz-Defizite in der Wissenschaft und bei Denkfabriken solche „deep lobbying“-Strategien von Großunternehmen erleichtern. Das Global Antitrust Institute legt seine Finanzierungsquellen nicht offen. Google und Amazon listen das George Mason University’s Law and Economics Center bzw. die George Mason University Foundation in Listen der von ihnen unterstützten Organisationen. Aber konkret das Global Antitrust Institute wird nicht genannt.

Für Europa sind die Transparenzlücken noch größer. Denn die Listen von Google und Amazon erfassen nur US-Einrichtungen. Von Google haben wir gefordert, eine solche Liste auch für Europa offenzulegen. Das Unternehmen hat das bislang verweigert. Es gab nur seine Mitgliedschaften in Deutschland an. Aber Zuwendungen gehen auch an Organisationen oder Denkfabriken, in denen Google nicht Mitglied ist. Hier fehlt es weiter an Transparenz.

Einfluss von Big Tech auch in Europa
Dass Tech-Firmen auch in Europa wissenschaftliche Institute zu Kartell- und Wettbewerbsfragen im Blick haben, zeigt das Beispiel Qualcomm. Der Chip-Herstellerist z.B. Unterstützer des Wettbewerbsprogramms am European University Institute in Florenz. Außerdem fördert es das Tilburg Law and Economics Center (TILEC), das einen Schwerpunkt auf Wettbewerbsrecht hat und 2007 das Forschungsnetzwerk „Competition Law and Economics European Network“ anstieß. In diesen beiden Fällen nennen die Institute Qualcomm als Unterstützer. Aber wie vollständig dieses Bild ist, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Google und Co. sollten auch in Europa offenlegen, wen sie unterstützen – umfassend, präzise und zeitnah.

Marktmacht und Demokratie

Dies ist nur ein Ausschnitt aus der aktuellen Debatte um Digitalplattformen. Das Thema nimmt weiter Fahrt auf. Zugleich zeigt sich, dass die Digitalplattformen über Jahre weitgehend ungehindert ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Machtposition ausbauen und zementieren konnten. Die Politik hinkt dem bislang hinterher, auch wenn sie nun versucht gegenzusteuern. Dabei wird sie auf viel Widerstand und Lobbyismus stossen. Deshalb ist es nun wichtig, die Macht von Digitalkonzernen genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir müssen verhindern, dass die Digitalkonzerne ihren großen politischen Einfluss nutzen, um Regulierungen oder Beschränkungen ihrer Marktmacht auszubremsen.

Die Debatten um die wirtschaftliche Macht von Google, Apple, Facebook und Amazon sollten mit der Analyse ihres politischen und gesellschaftlichen Einflusses verbunden werden. Wir müssen über die Gefahren der zunehmenden Konzentration wirtschaftlicher Macht für die Demokratie sprechen und was wir dagegen tun können. Das gilt ganz besonders im Fall von Digitalplattformen wie Facebook und Google, die über ihre Social Media-Kanäle die öffentliche Debatte mitprägen.

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