Nebeneinkünfte

Otto-Brenner-Stiftung: Studie zu Lobbyregulierung

Vor zwei Wochen stellte die Otto-Brenner-Stiftung eine neue Studie zum Thema Lobbyregulierung vor. Neben einer Analyse des Problemfeldes Lobbyismus werden dort konkrete Vorschläge für mehr Transparenz und mehr Regeln gemacht. Nicht alle davon sind aus unserer Perspektive zielführend, so dass sich ein genauerer Blick auf die in der „Lobbyszene“ viel diskutierte Studie lohnt. An der […]
von 20. Dezember 2011

Vor zwei Wochen stellte die Otto-Brenner-Stiftung eine neue Studie zum Thema Lobbyregulierung vor. Neben einer Analyse des Problemfeldes Lobbyismus werden dort konkrete Vorschläge für mehr Transparenz und mehr Regeln gemacht. Nicht alle davon sind aus unserer Perspektive zielführend, so dass sich ein genauerer Blick auf die in der „Lobbyszene“ viel diskutierte Studie lohnt. An der Podiumsdiskussion zur Vorstellung der Studie nahm auch LobbyControl-Vorstand Dieter Plehwe teil.

Ziel: Transparenz und Chancengleichheit

Unter dem Titel „Marktordnung für Lobbyisten. Wie Politik den Lobbyeinfluss regulieren kann“ begründen die drei Autoren der Studie, warum eine stärkere Regulierung von Lobbytätigkeiten notwendig ist.  Die Autoren definieren Lobbyismus als direkte Einflussnahme auf die Politik: „Lobbyismus zielt direkt auf die Politik und die Politiker, er agiert bilateral und meist unbehelligt, nichtöffentlich und in kleinen informellen Kreisen.“  Die Studie geht davon aus, dass die Politik derzeitig fahrlässig mit dem Problem Lobbyismus umgehe. Die mangelhafte Regulierung von Lobbytätigkeiten werde zu einem „Makel der Demokratie“.

Aufgabe der Politik sei es daher, „Transparenz und Chancengleichheit“ herzustellen. Dadurch ließen sich zwar nicht die strukturellen Machtverhältnisse verändern, jedoch die Qualität des Informationsflusses verbessern und damit auch die Demokratie stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, bedürfe es nicht allein mehr Transparenz, sondern auch klarer Regeln, die bestimmte Praktiken abstellen. Insgesamt würde die Marktordnung für Lobbyisten zu einer „Win-Win-Situation“ für die Politik, aber auch für die Lobbyisten selbst führen.

Die drei Autoren der Studie Andreas Kolbe, Herbert Hönigsberger und Sven Osterberg führten rund 40 Experteninterviews und werteten zahlreiche Dokumente und Parlamentsdebatten zum Thema Lobbyismus aus. Die Otto-Brenner-Stiftung ist die gemeinnützige Wissenschaftsstiftung der IG Metall. Die Lobbystudie wurde von Thomas Leif, Journalist und früherer Leiter des Netzwerks Recherche, initiiert und begleitet.

Die Forderungen

Im Detail stellen die Autoren einen 10-Punkte-Forderungskatalog auf:

  • Ein Transparenzregister soll die Verbändeliste des Bundestages ersetzen. Es soll nicht verbindlich sein, sondern auf einem Anreizsystem beruhen. Das Register soll neben Veränden auch Lobbyarbeit betreibende Unternehmen, NGOs, Agenturen und Anwaltskanzleien umfassen und listet Angaben zur Organisation, zu Auftraggebern und Aufgabenbieten und zu Finanzen auf. Bei falschen oder unvollständigen Angaben droht die Streichung aus dem Register. Das Register soll vom Bundespräsidenten geführt werden und online verfügbar sein.
  • Interessenvertreter gelten dann als akkreditierte Lobbyisten, wenn sie sich in das Lobby- bzw. Transparenzregister des Bundestages eintragen und einen Verhaltenskodex unterzeichnen. Akkreditierte Lobbyisten sollen als Anreiz zur Registrierung bestimmte Privilegien erhalten: Dazu zählt, dass sie einen Hausausweis des Bundestages beantragen können, dass sie zu Anhörungen eingeladen werden und den Anspruch darauf haben, dass ihre schriftlichen Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben veröffentlicht werden.
  • Ein Verhaltenskodex soll von den jeweiligen Lobbyisten selbst erarbeitet werden, aber vom Bundestag festgelegten Mindestanforderungen unterliegen.
  • Transparenz der Einflussnahme auf die Gesetzgebung: Stellungnahmen, Gutachten und ähnliche Dokumente, die akkredidierte Lobbyisten zu einem Gesetzgebungsverfahren einreichen, sollen auf der Webseite des Bundestags veröffentlicht werden. Werden dem Parlament Stellungnahmen vorenthalten, die der Exekutive oder anderen Stellen übermittelt wurden, droht die Streichung aus dem Transparenzregister.
  • Bezahlte, aber auch ehrenamtliche Nebentätigkeiten von Abgeordneten für Körperschaften, die in der Transparenzliste aufgeführt sind, sollen mit einem Bundestagsmandat unvereinbar sein. Einfache Mitgliedschaften sollen davon nicht berührt werden.
  • Für Mitglieder der Exekutive und Parlamentarier mit besonderen Funktionen (Fraktionsvorsitzende, Ausschussvorsitzende, Fraktionsgeschäftsführer und ihre jeweiligen Stellvertreter) soll eine Karenzzeit von mindestens zwei Jahren gelten, wenn ihre neue berufliche Tätigkeit nicht mit der Berufstätigkeit vor Amtsantritt in Verbindung steht. Über Ausnahmen kann die Bundesregierung oder der Bundestag entscheiden.
  • Externe Mitarbeiter in der Bundesverwaltung sollen nicht länger beschäftigt werden.
  • „Kanzleigesetze“ einschränken: Nur in begründeten Einzelfällen sollen Gesetzesvorlagen extern ausgearbeitet werden. Dies soll in einem transparenten Vergabeverfahren auf Basis einer öffentlichen Ausschreibung geschehen.
  • Sponsoring von Aktivitäten der Regierung, Parlament, Fraktionen oder Parteien soll verboten werden.
  • UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren

Unterschiedliche Reaktionen

Die Reaktionen auf die Studie fielen unterschiedlich aus – so etwa auf der Podiumsdiskussion zur Vorstellung der Studie, die am 5.12. in Berlin stattfand. Hier trafen Unternehmenslobbyisten von BASF und der Deutschen Post sowie ein Lobbyist vom Bundesverband der deutschen Banken, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Peter Altmaier und Christian Lange, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, sowie unser Vorstandsmitglied Dieter Plehwe aufeinander.

Herbert Hönigsberger (Autor der Studie), Kathrin Zabel (Deutsche Post), Christian Lange (SPD), Thomas Leif (Moderation), Peter Altmaier (CDU), Andreas Krautscheid (BDB), Dieter Plehwe (LobbyControl), Wolfgang Niedermark (BASF)

Viel Einigkeit zeigte sich zunächst in der sehr grundsätzlichen Forderung nach mehr Transparenz. Die konkreten Forderungen aus der Studie wurden dagegen unterschiedlich aufgenommen: Altmaier stellte klar, dass er die meisten Vorschläge für unnötig hielt. Schließlich sei Lobbyismus genauso wenig schlecht wie der Journalismus. Die wenigen „Auswüchse“ des Lobbyismus könne man nicht mit „Placebo“-Maßnahmen wie einem „Zwangsregister“ beheben. Allein das Thema „Kanzleigesetze“ sah auch Altmaier kritisch und forderte eine „mobile Gesetzes-Task Force“ innerhalb der Bundesregierung. Christian Lange dagegen lobte die Forderungen der Studie und positionierte sich klar für mehr verbindliche Lobbyregulierung. Die drei eingeladenen Branchenvertreter sprachen sich zwar für mehr Transparenz aus, zeigten sich aber skeptisch gegenüber mehr verbindlicher Regulierung.

Unser Ansatz: Verbindlichkeit statt Anreizsystem

LobbyControl unterstützt das grundsätzliche Anliegen der Studie, Lobbytätigkeiten stärker zu regulieren. Die geforderten schärferen Reglungen für externe Mitarbeiter in Ministerien und von Partei- und Politiksponsoring hält auch LobbyControl für wichtige Maßnahmen zur Eindämmung von intransparenter und einseitiger Einflussnahme. Kritisch sehen wir allerdings die Vorschläge der Studie in Bezug auf ein unverbindliches Lobbyregister. Ein solches – das zeigen die Erfahrungen mit dem Brüsseler Transparenzregister – verfehlt das Ziel, Transparenz wirksam und für alle Akteure gleichermaßen herzustellen. Zwar sollen an die Registrierung geknüpfte Privilegien als Anreiz dienen. Jedoch sind nicht alle Lobbyakteure in Berlin gleichermaßen auf den Zugang zum Bundestag angewiesen und es wäre ein leichtes, entsprechende Regelungen zu umgehen.

Zugleich leuchtet es nicht ein, warum mit der Registrierung als Lobbyist ein Anspruch auf Veröffentlichung der eigenen Position auf den Seiten des Bundestages verbunden sein sollte. Darüber hinaus schlägt die Studie vor, dass Lobbyisten einen Anspruch auf eine Stellungnahme des entsprechenden Fachausschusses haben sollten. Das setzt aus unserer Sicht ein falsches Signal: Nur mit Hilfe von professionellen Lobbyisten wird man auch wirklich gehört. Statt Lobbyisten weitreichende Privilegien einzuräumen, sollten aus unserer Sicht neben Transparenzpflichten klare Regeln und Grenzen gesetzt werden.

Eine Anregung zur Diskusson

Insgesamt leistet die Otto-Brenner-Stiftung mit ihrer Studie einen wichtigen Beitrag zur Debatte über die Regulierung von Lobbytätigkeiten. Wir werden uns damit auch weiter auseinandersetzen. Es gibt auch einige Punkte, wo wir durchaus Unterschiede sehen. Fragwürdig erscheint LobbyControl z.B. der Begriff der Marktordnung. Die Autoren der Studie möchten damit verdeutlichen, dass beim gegenwärtigen Lobby-System durch „außer Kontrolle geratene Konkurrenzkonstellationen“ der freien Austausch von Informationen auf dem Markt der Informationen behindert werde. Mit einer neuen staatlich hergestellten Marktordnung solle ein „fairer Wettbewerb“ gewährleistet werden. Aus unserer Sicht ist zum einen die Markt-Rhetorik problematisch, wenn es um Demokratie geht. Zum anderen ist auch fraglich, ob die Perspektive des „Markts der Informationen“, der nur richtig geregelt werden muss, tatsächlich ausreichend ist.

Ein weiterer Diskussionspunkt wären die Vorschläge zu den Nebentätigkeiten von Abgeordneten (siehe dazu auch die Nachdenkseiten). Dazu fordert die Studie ein Verbot von Tätigkeit neben dem Mandat, wenn diese Tätigkeiten für Organisationen ausgeübt werden, die als Lobbyorganisationen in der vorgeschlagenen Transparenzliste stehen. Das würde bezahlte Tätigkeiten ebenso betreffen wie ehrenamtliche. Aus unserer Sicht würden wir hier eine Unterscheidung machen und ehrenamtliche Tätigkeiten zulassen. Denn Abgeordnete dürfen durchaus ein eigenes politische Profil haben. Das problematische sind aus unserer Sicht vielmehr mögliche finanzielle Abhängigkeiten oder gar bezahlte Interessenvertretung für Dritte (siehe dazu auch unsere Studie zu den bisherigen Nebentätigkeiten-Regeln)

Weitere Informationen:

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