Seitenwechsel

Gabriel plant zweigleisig: Ex-Vizekanzler will beim Bahnkonzern Siemens-Alstom einsteigen

Die Drehtür rotiert wieder: Ex-Vizekanzler Gabriel will in den Verwaltungsrat von Siemens-Alstom. Es ist der erste Praxistest für das neue Karenzzeitgesetz. Möglich wäre eine maximale Abkühlphase von 18 Monaten und eine Befangenheitsauflage. Schließlich war Gabriel als Minister direkt mit den Interessen der Unternehmen befasst.
von 17. Mai 2018
JWHBerlin - CC-BY-NC-SA 4.0
Sigmar Gabriel will in den Verwaltungsrat von Siemens Alstom.

Der ehemalige Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) wechselt Medienberichten zufolge in den Verwaltungsrat des geplanten Bahnkonzerns Siemens-Alstom. Siemens und der französische Konzern Alstom hatten im letzten Jahr die Fusion der Bahnsparten der beiden Unternehmen bekannt gegeben. Abgeschlossen werden soll der Zusammenschluss gegen Jahresende. Brisant ist der Wechsel unter anderem deshalb, weil Gabriel als Wirtschaftsminister direkt mit den Interessen und Angelegenheiten beider Unternehmen befasst war. So setzte er sich 2014 stark für die letztlich gescheiterte Fusion der Energiesparten der Konzerne ein. Gabriel, der auch bei der Übernahme der Supermarktkette Tengelmanns durch Edeka und Rewe eine entscheidende Rolle spielte, dürfte sich also mit den politischen Prozessen rund um Unternehmenszusammenschlüsse hervorragend auskennen. Die Genehmigung der Kartellbehörden steht in diesem Fall noch aus.

Bremse für Seitenwechsel

So einfach wie in vergangenen Jahren ist es inzwischen für ehemalige Regierungsmitglieder nicht mehr, ohne Weiteres zu Unternehmen oder Verbänden zu wechseln. Erinnert sei nur an den spektakulären Wechsel des ehemaligen Bundeskanzlers Schröder zu Nord Stream (Gazprom), des ehemaligen Kanzleramtschefs Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn oder den Wechsel des Ex-Entwicklungministers Dirk Niebel (FDP) auf den Posten als Cheflobbyist bei Rheinmetall. Diese und andere fragwürdige Seitenwechsel haben mit dazu beigetragen, dass es seit Mitte letzter Wahlperiode Regeln für derartige Wechsel von Regierungsmitgliedern gibt. Auch LobbyControl hatte sich für eine solche Regelung stark gemacht. Betroffen sind die Bundeskanzlerin, die Minster/innen sowie Parlamentarische Staatssekretär/innen.

Bundesregierung hat das letzte Wort

Soll nach dem Ausscheiden aus der Bundesregierung eine neue Tätigkeit aufgenommen werden, muss dies der Bundesregierung und dem neu geschaffenen "Karenzzeit-Gremium" angezeigt werden. Das Gremium ist aktuell besetzt mit dem Ex-Finanzminister der Regierung Kohl, Theo Waigl (CSU), der Hamburger Grünen Krista Sager und dem ehemaligen Verfassungsrichter Michael Gerhardt. Sie prüfen, ob durch den Wechsel Interessenkonflikte entstehen oder andere Gründe gegen die Aufnahme der neuen Tätigkeit sprechen, sofern nicht mehr als 18 Monate ab dem Ausscheiden aus der Bundesregierung vergangen sind. Auf Grundlage dieser Prüfung spricht das Gremium eine Empfehlung an die Bundesregierung aus - diese hat jedoch das letzte Wort und entscheidet, ob eine Karenzzeit von bis zu 18 Monaten ausgesprochen werden soll oder nicht.

Gabriel will sich an Karenzzeit halten

Gabriel hat angegündigt, frühestens im März 2019, also zwölf Monate nach seinem letzten Ministeramt, bei Siemens-Alstom anfangen zu wollen. Damit will er sich an die neue gesetzliche Regelung halten. Doch prinzipiell könnte die Bundesregierung den maximalen Rahmen der Karenzzeit ausschöpfen, was wir auf Grund der oben geschilderten Problematik befürworten würden.

Sinn und Zweck einer solchen Abkühlphase soll es schließlich sein, einen Zusammenhang zwischen politischem Amt und neuem Job auszuschließen. Gabriel aber hat sich in der Vergangenheit direkt mit Siemens beschäftigt und auch Siemens-Chef Kaeser für Lobbygespräche getroffen. Außerdem haben die Unternehmen Siemens und Alstom mit ihrem Fusionsvorhaben ein klares Interesse, bei dessen Durchsetzung der gut vernetzte Gabriel sicherlich hilfreich wäre. Dass Gabriel erst 2019 bei Siemens einsteigen will, ändert daran nichts. Auch aus diesem Grund fordert LobbyControl eine im Einzelfall deutlich längere Karenzzeit. Übergangsgeld erhält Gabriel immerhin zwei Jahre lang und es gibt viele andere Tätigkeiten, die völlig unproblematisch wären.

Gabriel will Lobbyjob ausschließen

Hinzu kommt, dass Gabriel erst vor Kurzem angekündigt hatte, seine Rednerhonorare als Bundestagsabgeordneter wohltätigen Zwecken zu spenden und zudem einen Lobbyjob für sich auszuschließen. Man solle "nicht an Türen klopfen klopfen, hinter denen man selbst mal gesessen hat", sagte der ehemalige SPD-Vorsitzende im März.

Nun ist der Sitz im Verwaltungsrat von Siemens-Alstom sicher kein Lobbyjob im engeren Sinne. Aber Fragen stellen sich dennoch: Wird Gabriel für sich ausschließen, dass er im Sinne von Siemens und Alstom mit der Bundesregierung, insbesondere dem Wirtschaftsministerium, in Kontakt tritt? Sollte die Bundesregierung Gabriels Wechsel durchwinken, wäre dies zum Beispiel eine sinnvolle Auflage. Eine ähnliche Auflage hatte kürzlich die Landesregierung NRW für den Ex-Wirtschaftsminister des Landes, Garrelt Duin (SPD), für seinen Wechsel in den Aufsichtsrat des Chemieunternehmens Rütgers ausgesprochen. Duin sollte "sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied für befangen erklären, sofern Wissen in seine Tätigkeit einfließen würde, welches er in amtlicher Eigenschaft als Minister erworben hat", so die Landesregierung.

Wie wird die Karenzzeit im Bund umgesetzt?

Wir werden die weitere Entwicklung des Verfahrens genau beobachten. Es ist gut, dass es nun erstmals gesetzliche Regeln für Seitenwechsel von Regierungsmitgliedern gibt. Doch es herrscht Nachbesserungsbedarf: Wir brauchen längere Karenzzeit von bis zu drei Jahren, ein klares Verbot von Lobbytätigkeiten wähend der Karenzzeit sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung der Regeln. Der Wechsel von Gabriel ist damit ein wichtiger Prüfstein für das neue Gesetz.

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