Pressemitteilung

Neue LobbyControl Studie macht Einfluss der Gaslobby sichtbar

„Gaslobby-Netzwerke haben der Gesellschaft großen Schaden zugefügt“

von 15. Februar 2023

LobbyControl hat heute die Studie „Pipelines in die Politik: Die Macht der Gaslobby in Deutschland“ veröffentlicht. Die umfangreiche Recherche belegt, wie groß der Einfluss von Gaslobby-Netzwerken auf die deutsche Energiepolitik war und bis heute ist. Enge Verflechtungen zwischen Politik und fossiler Industrie haben zu der jetzigen Energiekrise mit ihren dramatischen gesellschaftlichen Folgen beigetragen. Die Gaslobby verfügt weiterhin über privilegierte Zugänge in die Politik. Für die jetzt anstehenden energiepolitischen Weichenstellungen fordert LobbyControl die Bundesregierung auf, die Lobby-Pipelines zu schließen.

Politik geht unverantwortlich mit Gaslobby um

Derzeit stehen wichtige energiepolitische Entscheidungen an – so etwa zu den Themen Heizen, LNG-Importe und Wasserstoff. Überall verteidigt die Gaslobby weiterhin lautstark ihre fossilen Geschäftsinteressen – auch indem sie fossiles Gas weiterhin als angeblich klimafreundliche Zukunftstechnologie inszeniert.

Christina Deckwirth, Co-Autorin der Studie: „Gaslobby-Netzwerke aus Gaskonzernen und Industrie haben der Gesellschaft großen Schaden zugefügt: Klimaschäden, hohe Gaspreise, fatale Abhängigkeiten und milliardenschwere Fehlinvestitionen. Dennoch gewährt auch die aktuelle Bundesregierung der Gaslobby weiterhin Lobby-Pipelines in die Politik. Das ist unverantwortlich, weil es politische Abwägungen im Sinne des Gemeinwohls gefährdet!“

Millionenschwere Lobbybudgets

LobbyControl wertet den starken Einfluss der Gaslobby erstmals anhand von Zahlen zu Lobbyausgaben aus: Laut Lobbyregister gaben Gaskonzerne und ihre Verbände im Jahr 2021 mindestens rund 40 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus. Hinzu kommen Lobbyausgaben der energieintensiven Industrie, die sich ebenfalls jahrelang für billige Erdgasimporte eingesetzt haben. Zum Vergleich: Die drei größten Umweltverbände Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe und BUND, die zum Thema Gas arbeiten, gaben nur rund 1,55 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus.

„Unsere Zahlen zeigen: Die Lobby-Macht der Gasindustrie ist riesig. Deswegen muss die Politik Stimmen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die vor weiteren Abhängigkeiten warnen, stärker proaktiv in politische Entscheidungsprozesse einbinden,“ so Deckwirth weiter.

Tägliche Lobbytreffen und einseitige Beratungsgremien

Die Bundesregierung bindet die Gaslobby bis heute einseitig ein und gewährt ihr privilegierte Zugänge. Seit ihrem Antritt bis September 2022 gab es rund 260 Kontakte zwischen Spitzenpolitiker:innen der Bundesregierung und Vertreter:innen eines Gaskonzerns. Das sind durchschnittlich etwa ein Kontakt pro Tag und deutlich mehr Treffen als mit der Vorgängerregierung. Auch in energiepolitischen Beratungsgremien wie dem Nationalen Wasserstoffrat dominiert die Gasindustrie, mit der Deutsche Energieagentur DENA verfügt sie außerdem über einen Lobbykanal in das Wirtschaftsministerium. Politiker:innen lassen sich zudem bereitwillig von der Gaslobby auf aufwändige Lobby-Events einladen oder mit gut bezahlten Lobbyjobs anwerben.

Nina Katzemich, Co-Autorin der Studie: „Die Politik darf sich nicht von fossilen Lobbyinteressen vereinnahmen lassen. Lobby-Pipelines in die Politik müssen jetzt zugedreht werden. Kontakte zwischen Politik und fossiler Gaslobby sollten auf das Nötigste beschränkt bleiben und transparent sein. Es braucht ausreichend Abstand: Jetzt ist nicht die passende Zeit, um mit der fossilen Gaslobby zu klüngeln.“

Gaskrise: Verantwortliche in deutsch-russischen Lobbynetzwerken

Die LobbyControl-Studie beleuchtet zudem, wie die letzten Bundesregierungen mit der Gaslobby – insbesondere auch in deutsch-russischen Lobbynetzwerken – zusammengearbeitet haben und deren Narrative vom Gas als angeblich „sauberer Brückentechnologie“ übernommen haben. Über Jahre haben willfährige Politiker:innen sich zum Sprachrohr für die Interessen der Gaslobby gemacht und dazu beigetragen, Deutschland immer weiter vom russischen Gas abhängig zu machen. Das russische Regime baute gezielt Verbindungspersonen wie Gerhard Schröder auf, um Gazprom Kontakte in die deutsche Politik zu ebnen. Deutsche Gaskonzerne wie Uniper, Wintershall DEA oder VNG verflochten sich aufs Engste mit der russischen Gasindustrie und machten sich damit zum Spielball russischer Interessen. Die deutsch-russischen Lobby-Netzwerke sind mittlerweile weitgehend stillgelegt.

Nina Katzemich: „Die Bundesregierung sollte nun dringend aufarbeiten, wie aktive und ehemalige Politiker:innen sich in die Lobbyarbeit für Russlands Gasindustrie einspannen ließen und neue Regeln einführen – gerade auch mit Blick auf andere autoritäre Gasförderländer. Es braucht einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Einfluss Russlands auf die deutsche Gaspolitik.“

Energieökonomin Kemfert bestätigt Ergebnisse

Zur Veröffentlichung der Studie kommentierte die Energieexpertin Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW):

„Die Lobby-Control-Studie ist wichtig. Denn sie belegt einmal mehr, wie stark die Gas-Lobby auf politische Entscheidungen Einfluss nimmt. Und sie zeigt, dass Angriffe gegen wissenschaftliche Studien, wie ich sie auch persönlich immer wieder erlebe, oft in einem größeren Zusammenhang stehen.“

Hintergrund

  • Zur Studie „Pipelines in die Politik: Die Macht der Gaslobby in Deutschland“ (PDF)
  • Zusammenfassung im Blog
  • Um 12 Uhr findet eine Foto-Aktion vor dem Kanzleramt statt. Foto- und Bildmaterial der Aktion sind ab ca. 15 Uhr über diese Seite zu finden.
  • Die Autorinnen:
    • Dr. Christina Deckwirth ist promovierte Politikwissenschaftlerin, hat in Marburg und York (GB) studiert. Sie recherchiert und macht Kampagnenarbeit zu konkreten Lobbyeinflüssen, insbesondere zur Autolobby und Klimapolitik.
    • Nina Katzemich hat in München und Berlin Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre studiert. Die Diplompolitologin ist Expertin für Lobbyregulierung in Brüssel und Lobbyismus in der Klimapolitik.
  • Prof. Dr. Claudia Kemfert war als Gast-Referentin bei der Pressekonferenz. Sie ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik an der Leuphana Universität; Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Sie ist Ko-Vorsitzende im Sachverständigenrat für Umweltfragen beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie im Präsidium der deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Unter ihren mehr als 400 Veröffentlichungen sind mehrere Bücher.

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