Nebeneinkünfte

Neue Parteisponsoring-Affäre bei der FDP?

Der Bundestagspräsident hat nach Informationen des Spiegels ein Prüfverfahren gegen die FDP eingeleitet. Hintergrund sind eigenartige Zahlungen des Internetportals politikerscreen.de aus dem Jahr 2006, das damals zum Netzwerk der Lobby-Agentur EUTOP gehörte. Die Verbindungen der Agentur zur FDP und ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle lohnen einen genaueren Blick und sind noch nicht alle ausgeleuchtet. Die gestückelten […]
von 6. April 2010

Der Bundestagspräsident hat nach Informationen des Spiegels ein Prüfverfahren gegen die FDP eingeleitet. Hintergrund sind eigenartige Zahlungen des Internetportals politikerscreen.de aus dem Jahr 2006, das damals zum Netzwerk der Lobby-Agentur EUTOP gehörte. Die Verbindungen der Agentur zur FDP und ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle lohnen einen genaueren Blick und sind noch nicht alle ausgeleuchtet.

Die gestückelten Zahlungen
Laut Spiegel hatte die Firma ProLogo GmbH im Oktober 2006 der politikerscreen.de AG insgesamt sechs „Sponsorenbeiträge“ für FDP-Veranstaltungen in Rechnung gestellt. ProLogo gehörte damals zu 80 Prozent der FDP. Die Rechnungsbeträge ergaben zusammen genau 100.000 Euro, die Rechnungen waren am gleichen Tag ausgestellt worden – vor den gesponserten Veranstaltungen. Diese Umstände haben die Prüfung wegen des Verdachts einer illegalen Parteienfinanzierung begründet.

Die Lobby-Agentur hinter politikerscreen
politikerscreen.de gehörte damals zu der Lobbyagentur EUTOP. Der Gründer und Geschäftsführer Klemens Joos kommt aus dem CSU-Umfeld und gehörte früher dem Vorstand der Jungen Union in Bayern an. Die Agentur gilt als eher konservativ und gut vernetzt in der Union. Ende der 90er Jahre spendete EUTOP 110.000 Euro an die CDU und 58.000 Euro an die CSU. Über die Kunden ist nur wenig bekannt: u.a. gehörten dazu die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), die Deutsche Telekom und Porsche.

Das Internetportal politikerscreen (später polixea) präsentierte sich als Informationsdienst für Politik samt einer speziellen Suchmaschine für politische Inhalte. Diese Suchmaschine war zeitweise auf den Webseiten verschiedener Parteien, Abgeordneter und sogar Ministerien eingebunden. Dass polixea über eine gemeinsame Holding mit einer Lobby-Agentur verbunden war, dürfte den meisten Nutzerinnen der Webseite verborgen geblieben sein. Unklar ist, in welcher Form politikerscreen auch den Kunden von EUTOP zugute kam. Aber der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei um eine Plattform zur Flankierung der Lobbyarbeit von EUTOP gehandelt hat – auch wenn Joos gegenüber LobbyControl betont hat, dass die Webseite unabhängig von EUTOP gearbeitet habe. Auf jeden Fall bot die Plattform die Gelegenheit, Politiker zu Gastbeiträgen einzuladen und damit in Kontakt zu treten. Und es gab Überschneidungen zwischen den Kunden von EUTOP und politikerscreen.

Westerwelles Gastbeitrag
Beispielsweise schrieb der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle im September 2006 – einen Monat vor den ominösen Sponsoringbeiträgen – einen Gastbeitrag für politikerscreen und argumentierte darin gegen eine weitreichende Regulierung des neuen VDSL-Breitbandnetzes der Deutschen Telekom. Die Telekom-Tochter T-Online war Kunde von EUTOP und hatte einen Content-Vertrag zur Abnahme von Inhalten von politikerscreen. Guido Westerwelle erhielt außerdem mehrfach Honorare als Referent der SpeakerAgency, die damals auch zum Firmengeflecht des Lobbyisten Joos gehörte. Er hat dafür jeweils mehr als 7.000 Euro erhalten – die genaue Summe ist unbekannt, da die Nebeneinkünfte-Regeln des Deutschen Bundestages zu grob und nach oben offen sind. Weitere Informationen zu dem Fall und zu Westerwelles Nebeneinkünften – er gehörte zu den Spitzenverdienern unter den Politikern – bietet der Artikel der Süddeutschen: „Westerwelle oder: Die Hand, die nimmt„.

politikerscreen.de und Boersch
Beim Spiegel heißt es die politikerscreen.de AG firmiere heute als PMI Portal AG. Das ist richtig, aber nur die Hälfte der Geschichte. Die Webseite politikerscreen.de wurde Anfang 2007 in Polixea umbenannt und in der Folge von der Polixea Deutschland GmbH getragen. Diese Firma wird 2008 verkauft – und zwar ausgerechnet an die Mountain Super Angel AG, einer Firma aus dem Netzwerk von Westerwelles (informellen) Wirtschaftsberater, Clemens Boersch. Als neuer Geschäftsführer der Polixea Deutschland GmbH wird im Juli 2008 Jörg Arntz eingetragen, damals Verwaltungsrat der Mountain Super Angel AG und ehemaliger Büroleiter von Westerwelle. Nach dem Regierungswechsel 2009 wechselte Arntz ins Auswärtige Amt und leitet dort die Arbeitseinheit «06 Koordinierung». Mehr zu dem Netzwerk um Boersch und die Verbindungen zu Westerwelle siehe u.a. die Financial Times Deutschland, Stern oder Süddeutsche Online

PMI Portal AG – wer steckt heute dahinter?
Die politikerscreen.de AG wechselte 2007 den Namen in PMI Portal AG. Mit der Umbenennung wechselte auch der Vorstand: Klemens Joos, sein Partner Bernd Keßler und der von ihnen angeworbene ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye verlassen den Aufsichtsrat der Firma. Der neue Aufsichtsrat und der neue Vorstand kommen seit April 2007 alle von der Firma LKC, die Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Steuerberater bündelt. Ende 2006 verfügt die Firma laut Jahresabschluss noch über Aktiva von knapp 1,3 Mio. Euro – insbesondere der Posten „Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks“ liegt bei über einer Million Euro. Bis Ende 2008 sinkt dieser Posten auf unter 300.000 Euro. Stellt sich die Frage, ob LKC die Firma tatsächlich gekauft oder im Auftrag eines Dritten die Abwicklung der Firma übernommen hat – und wohin das Geld geflossen ist.

Fazit
Es ist gut, dass der Bundestagspräsident nun die Sponsoringzahlungen der politikerscreen.de AG prüft. Aber damit ist das ganze Geflecht rund um die Lobbyagentur EUTOP noch lange nicht ausgeleuchtet. Insbesondere die FDP und ihr Parteivorsitzender Guido Westerwelle müssen ihre Verbindungen zu Joos und seiner Lobby-Agentur EUTOP offenlegen. Zugleich zeigt dieser neue Sponsoring-Fall und das ganze Netzwerk darum herum den Mangel an Transparenz in Deutschland:

  • Es fehlt ein Lobbyregister, das die Kunden von Agenturen wie EUTOP transparent macht.
  • Die Nebeneinkünfte von Politikern müssten genauer angegeben werden.
  • Wir brauchen umfassende Transparenz aller Formen von Parteisponsoring und der Unternehmensbeteiligungen der Parteien.

Helfen Sie uns in dem Kampf für mehr Transparenz und Demokratie: ganz aktuell können Sie unsere laufende Aktion zum Thema Parteisponsoring unterzeichnen! Danke.

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Kommentare

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7 Kommentare

steffen7. April 2010 um 10:42

Fein recherchiert, danke. Dass dieser windige Typ Boersch wieder dabei ist, interessant. (, was für ein herrlich schwachsinniger, unseriöser Name.) Eine kleine Anregung noch: Die Verbindungen sind zu recht kompliziert, eine graphische Übersicht würde es dem Leser vielleicht einfacher machen.

steffen7. April 2010 um 11:22

Außerdem: Die Aktivitäten der TellSell Consulting GmbH sind auch nicht von schlechten Eltern. Boerschs Mountain Partners ist beteiligt, Westerwelle war Beiratsmitglied, wenigstens besaß er den Anstand diesen Posten mit Antritt des Außenminister-Amtes offiziell niederzulegen.

Tätigkeit von TellSell:
<>….

<>

Das erhält Brisanz wenn Westerwelle als Außenminister in Entwicklungsländern unterwegs ist – wie etwa gerade jetzt zusammen mit dem Entwicklungsminister Niebel (http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/deutschland-westerwelle-und-niebel-auf-afrikareise_aid_496358.html). Da lassen sich natürlich wunderbar Kontakte knüpfen und Drittwelt-Märkte erschließen. Und Boersch ist ja bekanntlich auch manchmal dabei.

Die Zusammensetzung des Beirats: Telekom, Coal&Minerals, Pleon, Koeppelin/FDP. Westerwelle wird immer noch auf der Beiratsseite aufgeführt, mit der Bemerkung (bis 1.9.2009).

Martin Runow8. April 2010 um 18:56

Man kommt sich vor wie ein Pilzsucher im Walde, wo die Pilze wachsen – leider auch die Giftpilze. Aber das Pilzgeflecht, das sieht man nicht. Nur die Pilze stehen aufrecht und locken mit ihren Farben, dem wahrnehmbaren Pilzgeruch und den ausgefallenen Hutformen den Pilzsucher an – auch die Giftpilze folgen diesem biologischen Wunder. Und wehe, man fällt darauf herein! Es kann einem das Leben kosten, schneidet man einen solchen Giftpilz ab und bereitet ihn zu Hause zu, in Vorfreude auf den wahren Pilzgenuß.

So oder so ähnlich mutet den Bürger das Gebaren der Parteien hin-sichtlich der Parteienspenden an. Ein Schelm, wer glaubt, daß Spenden uneigenützig auf die Parteikonten fließen und die Spender keinerlei Gegenleistung erhoffen oder gar fordern.

Ruchbar wurde das ganze Ausmaß dieser Art der Politikpraxis – sowie du mir, so ich dir – erst, als sich das Ganze zum Skandal durch das widernatürliche Verhalten des Altbundeskanzlers Helmut Kohl aus-wuchs, der vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feierte und von jenen, die er damals partout als Parteispender nicht öffentlich nennen wollte, mehr oder weniger hofiert wurde – wie damals schon.

Sicher ist der Blick auf die Vorgänge um Guido Westerwelle, den FDP-Vorsitzenden und Bundesaußenminister, besonders focusiert, weil er mit seinen zweifelhaften Parolen gegen jene Menschen, die aus der Arbeitswelt des Kapitalismus ausgestoßen wurden, um Maximalprofite zu sichern, und nun auf die Hartz-IV-Notgroschen angewiesen sind, vorder-gründig ins Zentrum politischer Betrachtungen gerückt. Dabei aber offenbart der Blick auf Westerwelles Auslandsreisen als Bundesaußen-minister und die Teilnehmer seiner Delegationen den unleugbaren Zu-sammenhang zu den PARTEISPENDERN, die der FDP besonders nahe stehen, explizit.

Und wer da noch immer meint, es gäbe zwischen Politik, Parteien, Parteispenden und der gesellschaftlichen Ausrichtung unseres Landes nach neoliberalem Muster in Gestalt der „Neuen Sozialen (beser wohl: neoliberalen) Marktwirtschaft“ keinen Zusammenhang, ist entweder reichlich ungebildet und desinteressiert oder aber ein gewaltiges Schlitzohr, einer jener, die sich heimlich ins Fäustchen lachen und sich daran erfreuen, wie sie ihren Einfluß auf politische Entschei-dungen forcieren und in jene Richtung lenken, wie sie jenem sehr geringen Teil unserer Gesellschaft, die Westerwelle vor der Bundes-tagswahl stets als das „bürgerliche Lager“ bezeichnete, besonders entgegenkommen und guttun. Es sind leider nur knapp 10 % aller Bürger dieses Landes, die von diesem einzigartigen Netzwerk, diesem Pilz-geflecht unter dem ansonsten so fruchtbaren Boden, profitieren. Und das kann ja wohl nicht gerecht sein – oder? Aber Gerechtigkeit ist keine Kategorie, über die es nach Ansicht unserer Politiker nachzu-denken lohnt, obwohl sie ja die Folgen der Ungerechtigkeiten täglich in den Medien beobachten können.
>ruebmar<

Shahjani8. April 2010 um 21:04

wer zweifel auf bringt an FDP und CDU-CSU ,dass die nicht stark an ausbeutung der menschen und geselschaften intressiert sind, oder
eigenen intressen“Ober-Klasse“ durchsetzen möchten ist fehler am Platz.
also Bitte macht weiter und klärt uns und die menschen auf so gut wie es geht!!! DANKE

Ulrich Steinbach9. April 2010 um 10:36

dieses Thema ist ja im allgemeinen Guidobashing etwas zu kurz gekommen. Bitte weiter dranbleiben.

Dieses Überlappen von Nebentätigkeiten, PR-Arbeit und Spendensammeln ist aus hygienischen Gründen wirklich nicht hinnehmbar.

Heinz-Ewald Schiewe9. April 2010 um 16:51

ja, leute, man muss der bevölkerung nur glauben machen, dass die volksvertreter auch solche sind, wenn´s auch nicht stimmt, aber das ist wohl demokratie: erst den leuten etwas sagen, auch wohl versprechen, aber wie das wort schon in seiner doppelbedeutung nahelegt, dass versprechen eben auch ver-sprechen heißt, d.h. man kann den sog. mündigen bürger, von denen es ja leider nicht allzu viele gibt, ruhig verarschen, denn anschließend sagt man eben, man habe es nicht so gemeint. und das stimmt auch bei diesen ganzen lobby-betrügern, denn lobby gehört sicherlich zur demokratie, aber wenn, dann auch öffentlich, aber ich hoffe, ihr bleibt dran!!! Viel erfolg weiterhin H.-E.Schiewe

Klaus Maresch9. April 2010 um 18:41

Wir Imker haben schon lange den Verdacht, daß Konzernprostitution im Zusammenhang mit dem seltsamen Einsatz der FDP für die Grüne Gentechnik und die industrielle Agrar-Wirtschaft eine große Rolle spielt. Insofern können solche Beiträge nicht verwundern.