Macht der Digitalkonzerne

Big Tech, big Lobby

Nie zuvor haben Facebook und Amazon mehr Geld für Lobbyarbeit ausgegeben als 2019. Das zeigen aktuelle Daten aus dem US-Lobbyregister. Die Digitalkonzerne reagieren damit auf wachsende Kritik. Die Debatte um ihren Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft wird schärfer, auch in Deutschland.
von 23. Januar 2020

Nie zuvor haben Facebook und Amazon mehr Geld für Lobbyarbeit ausgegeben als 2019. Das zeigen aktuelle Daten aus dem US-Lobbyregister. Auch die Ausgaben von Microsoft und Apple stiegen im Jahresvergleich spürbar an. Google dagegen hat seine Lobbyarbeit 2019 umstrukturiert. Das Budget ist dadurch zumindest für dieses Jahr gesunken. Facebook ist nun das Unternehmen mit den größten Lobby-Ausgaben in den USA, dicht gefolgt von Amazon. 2018 war dies noch Google. (Google steht hier für die Mutter-Holding Alphabet.)

Insgesamt liegen die Gesamtausgaben der fünf größten Digitalkonzerne 2019 mit 62,2 Mio. US-Dollar knapp unter den 65 Mio. aus dem Rekordjahr 2018. Die Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Lobby-Ausgaben deutlich gesteigert. Damit wichtige politische Entscheidungen am Ende nicht einseitig von den Digitalkonzernen bestimmt werden, ist es wichtig, deren Lobbyarbeit stärker in den Blick zu nehmen.

Aufstieg der Digitalkonzerne

Die Digitalkonzerne sind mittlerweile zu den größten Lobbyakteuren aufgestiegen. Dafür verantwortlich ist zum einen der ökonomische Aufstieg der Digitalkonzerne. Das kommerzielle Internet wird heute von wenigen Großkonzernen dominiert. Das sind im Westen vor allem Apple, Amazon, Google, Microsoft und Facebook. Sie gehören inzwischen zu den größten und höchstbewerteten Konzernen der Welt.

Die zweite Ursache ist der rasante Anstieg der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen rund um die Digitalkonzerne. Die Liste der kontroversen Themen ist lang: die Macht der Internetplattformen als Gatekeeper, die Beeinflussung von Wahlkämpfen und öffentlichen Debatten, der Umgang mit Hassrede und Fake News, die Regulierung von Künstlicher Intelligenz, Digitalsteuern, etc.

In den USA sind die Debatten noch intensiver als in Deutschland. Der Cambridge-Analytica-Skandal und die Frage russischer Einflussnahme auf die letzte Präsidentschaftswahl haben die Diskussion weiter angeheizt. In den USA wird nicht nur über den richtigen Umgang mit politischer Werbung gestritten, sondern ernsthaft eine Zerschlagung von Facebook und Google diskutiert. Außerdem laufen eine Vielzahl von Ermittlungen und Kartellverfahren gegen die Digitalkonzerne.

Viele Gründe für die Digitalkonzerne, um viel Geld für Lobbyarbeit auszugeben. Das zeigt sich in den aktuellen Daten aus dem US-Lobbyregister.

Die Daten im Einzelnen

  • Am stärksten steigerte Facebook sein Lobby-Budget: 2019 waren es 16,7 Mio. $. Das entspricht einem Wachstum von 32% (2018: 12,3 Mio $).
  • Der rasante Anstieg der Lobbyausgaben von Amazon geht auch 2019 weiter: mit 16,1 Mio. $ hat das Unternehmen seine Ausgaben im Jahresvergleich um 12% gesteigert (2018: 12,4 Mio $).
  • Microsoft steigerte seine Lobbyausgaben im Jahresvergleich von 9,6 auf 10,2 Mio. $. Damit blieb das Unternehmen aber knapp unter dem Rekordjahr von 2013.
  • Auch die Lobbyausgaben von Apple liegen 2019 auf Rekordhoch: Im Jahresvergleich steigerte das Unternehmen seine Ausgaben um 10% von 6,7 auf 7,4 Mio. $.
  • Auf den ersten Blick überraschend sind Lobbyausgaben von Google (Alphabet). Diese sinken im Vergleich zu 2018 deutlich. Mit 21,7 Mio. $ war Alphabet 2018 der Konzern mit den höchsten Lobbyausgaben in den USA. Damals beschäftigte der Konzern 100 Lobbyist*innen und 30 externe Lobby-Firmen. 2019 sanken die Ausgaben auf 11,8 Mio. $. Hintergrund ist eine umfassende Umstrukturierung der Lobby-Arbeit von Google. Das Unternehmen kündigte im Sommer 2019 einer ganzen Reihe von Lobby-Agenturen und besetzte zentrale Lobby-Jobs neu. Google liegt damit hinter Amazon und Facebook, bleibt jedoch unter den Top 20 der größten Lobbyakteure der USA.

Googles großes Lobby-Netzwerk

Google bleibt auf jeden Fall ein Lobby-Schwergewicht. Denn die Zahlen aus dem US-Lobbyregister bilden nur einen Teil von Googles Einfluss-Netzwerk ab. Das Lobbyregister erfasst nur die direkte Lobbyarbeit in Washington DC. Die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnen, um die eigenen Positionen zu bewerben, kommen noch dazu. Google unterstützt darüber hinaus zahlreiche Verbände, Denkfabriken und Third Parties. Zahlen, die nicht direkt im US-Lobbyregister auftauchen.

Google hat eine Liste der unterstützten Wirtschaftsverbände und Denkfabriken in den USA veröffentlicht (pdf). Die Liste umfasst 94 Wirtschaftsverbände und 256 unterstützte „Third Party Organizations“ (Denkfabriken u.ä.). Darunter sind lokale Organisationen im Silicon Valley genauso wie große Wirtschaftsverbände und Denkfabriken wie die Heritage Foundation oder das Cato-Institut. Unter den Organisationen befinden sich auch marktradikale Denkfabriken wie das Competitive Enterprise Institute, die den Klimawandel leugnen bzw. Klimaschutz-Politik angreifen. Google nimmt das billigend in Kauf, um sich in konservativen politischen Kreisen beliebt zu machen. Dazu kommen parteinahe Organisationen von Demokraten und Republikanern sowie ein breites Spektrum zivilgesellschaftlicher Akteure inkl. digitaler Bürgerrechtsorganisationen wie der Electronic Frontier Foundation. Interessant ist auch, dass Google „platinum sponsor” des American Antitrust Institute ist - also einer Organisation, die gegen Monopole und für Wettbewerb eintritt.

Für Deutschland und die EU gibt es keine vergleichbare Liste. Wir haben Google um Informationen gebeten, welche Organisationen der Konzern in Deutschland und der EU unterstützt. Aber bislang gibt es auf unsere Anfrage keine Antwort. Wir bleiben dran.

Die Debatte um die Macht der Digitalkonzerne

Die US-Lobbyregister-Daten und das Beispiel Google verdeutlichen, mit welchen Ressourcen die Digitalkonzerne Politik und Öffentlichkeit zu beeinflussen versuchen. Das ist besonders brisant, da aktuell vermehrt darüber diskutiert wird, ob die Digitalkonzerne zu viel Macht haben und wie deren Missbrauch verhindert werden kann. Hintergrund ist der ökonomische Aufstieg der Digitalkonzerne und die Analyse, dass Internet-Plattformen besonders anfällig für Monopole sind und eine starke Machtposition gegenüber Nutzer*innen und Wettbewerbern erlangen können. Durch die Kontrolle über Daten, zentrale Online-Marktplätze und digitale Infrastrukturen können sie anderen den Zugang zu milliardenschweren Märkten gewähren oder erschweren. Ihre Marktmacht verschafft ihnen also eine zentrale „Torwächter“-Position („Gatekeeper“).

Diese Debatte wird gerade in den USA sehr intensiv geführt. In den letzten Jahren hat sich dort eine kritische „Antitrust“-Bewegung gebildet, die sich gegen Kartelle (trusts) und Monopole richtet. Auf politischer Seite hat sich u.a. Elizabeth Warren, demokratische Bewerberin um die Präsidentschaftskandidatur, das Thema zu eigen gemacht. Sie fordert z.B., dass sich Facebook von seinen Diensten Whatsapp und Instagram trennt. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat intern gesagt, er rechne unter einer möglichen Präsidentin Warren mit einem Rechtsstreit um die Zerschlagung von Facebook. Facebook würde zwar gewinnen, aber es wäre trotzdem lästig.

Protest-Aktion gegen Facebook in Washington, April 2018
Kevin Wolf / AP images for AVAAZ - CC-BY-NC-SA 2.0
Protest-Aktion gegen Facebook in Washington, April 2018

Insofern ist es spannend zu beobachten, ob und wie die Digitalkonzerne beeinflussen wollen, wer für die Demokraten in das Rennen um das Weiße Haus geht. Und wie sie sich am Ende zwischen Trump und den Demokraten positionieren. Apple-Chef Cook etwa setzt durchaus auf die Nähe zur Trump-Familie, um die Interessen von Apple durchzusetzen.

Neben dieser US-Frage zeichnet sich ab, dass die Digitalkonzerne generell ihre Lobby-Aktivitäten rund um das Thema Wettbewerb und Marktmacht ausbauen. Der amerikanische Computerverband CCIA versucht etwa über das Disruptive Competition Project stärker in die Wettbewerbs-Debatte einzugreifen. Daran ist das EU-Büro von CCIA aktiv beteiligt.

Wachsende Debatte auch in Deutschland und der EU

Auch in Deutschland und in der EU wird rege über Kartellrecht und Digitalisierung diskutiert. Auf europäischer Ebene läuft derzeit eine Überprüfung der Wettbewerbsregeln. Letztes Jahr gab es dazu einen Sonderbericht von Beratern, der Anpassungen der Regeln empfahl.

In Deutschland ist gerade die 10. Novelle des Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Vorbereitung. Ein zentrales Element sind neue Regeln für Online-Plattformen. Die Reform soll dem Bundeskartellamt ermöglichen, per Verfügung die „überragende marktübergreifende Bedeutung“ eines Unternehmen für den Wettbewerb festzustellen. Dies gilt für Unternehmen, die in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten tätig sind. Dies zielt auf Google, Amazon, Facebook und Apple. Mehrseitige Märkte ist das typische Geschäftsmodell von Internet-Firmen: sie bringen verschiedene Akteure auf ihren Plattformen zusammen, etwa Käufer*innen und Händler*innen bei Amazon oder Nutzer*innen und Werbetreibende bei Google oder Facebook. Wenn das Bundeskartellamt eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“ festgestellt hat, soll es deutlich mehr Handlungsmöglichkeiten gegen diese Digitalkonzerne bekommen. Es kann dann den Firmen etwa untersagen, eigene Dienste zu bevorzugen oder Wettbewerber auf einem Markt zu behindern, auf dem es seine Stellung schnell ausbaut ohne bereits marktbeherrschend zu sein. Auch die Rolle von Daten als Marktzugangsschranken wird aufgegriffen.

Forderungen nach weitergehender Kartellrechtsreform

Diese Vorschläge stellen einen Fortschritt dar. Allerdings gibt es auch große Lücken in dem Gesetzentwurf. So gibt es weiter kein Entflechtungsinstrument, die Monopole an sich bleiben unangetastet.Die zivilgesellschaftliche Initiative „Konzernmacht beschränken“ fordert deshalb weitere Maßnahmen. Zu den Unterzeichnern der Initiative gehören NGOs aus verschiedenen Bereichen wie der Chaos Computer Club, Digitalcourage, Oxfam, Goliathwatch, die Aktion Agrar oder das Forum Umwelt und Entwicklung uvm. In einem aktuellen Positionspapier zur GWB-Novelle fordert das Bündnis u.a. ein missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument und ein Antragsrecht für Verbraucherschutz-Organisationen beim Kartellamt. Der Schwellenwert für die Vermutung einer Marktbeherrschung solle abgesenkt werden.

Mehr Informationen für Deutschland und EU nötig

Es ist positiv, dass es in der Debatte zumindest einzelne Stimmen aus der Zivilgesellschaft gibt. Demgegenüber stehen aber große Lobby-Apparate der Digitalkonzerne, über die für Deutschland und dieEU weniger bekannt ist als für die USA. In Deutschland fehlt noch immer ein Lobbyregister. In der EU gibt es immerhin ein Register, wenn auch freiwillig und mit weniger aktuellen Daten. Demnach war hier 2018 Google das Unternehmen mit den höchsten Lobby-Ausgaben, vor Microsoft (Quelle: lobbyfacts.eu). Welche Denkfabriken von Google & Co. unterstützt werden, geht aus den Daten nicht hervor. Deswegen habe wir bei Google dazu angefragt, warten aber weiter auf Antwort. Digitalisierung und die wachsende Macht der Digitalkonzerne sind wichtige politische Themen. Deshalb werden wir weiter dran bleiben: mit eigenen Recherchen und mit unserem Einsatz für ein verpflichtendes Lobbyregister in Deutschland.

Weitere Informationen

  • Ungezähmte Internetgiganten: Kommentierung der GWB-Novelle durch die Initiative "Konzernmacht beschränken"
  • Dominik Piétron und Marita Wiggerthale: Neue Wettbewerbsregeln für die Plattformökonomie. Gastbeitrag auf netzpolitik.org
  • Einer der zentralen Akteure der Antitrust-Bewegung in den USA ist das Open Markets Institute. Dessen Vertreter Matt Stoller war im November Gast bei der Konferenz Digitaler Kapitalismus der Friedrich Ebert-Stiftung (SPD-Parteistiftung). Seinen Auftritt kann man auf Youtube nochmal anschauen (englisch).

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