Lobbyregister

Ein Jahr Lobbyregister

Die Ampel hat ihr Versprechen, das Lobbyregister-Gesetz zügig zu reformieren und noch bestehende Lücken zu schließen, bisher nicht umgesetzt. Wo stehen wir also beim Lobbyregister?
von 2. Januar 2023

Seit einem Jahr gibt es nun ein verpflichtendes Lobbyregister in Deutschland. Am 1. Januar 2022 trat das Lobbyregister-Gesetz in Kraft, das unter großem öffentlichen Druck vor dem Hintergrund der Masken- und Aserbaidschan-Affären im Frühjahr 2021 von der damaligen Groko verabschiedet wurde. Die Ampel hat ihr Versprechen, das Gesetz zügig zu reformieren und noch bestehende Lücken zu schließen, bisher nicht umgesetzt. Wo stehen wir also beim Lobbyregister nach einem Jahr?

Lobbyregister ist in Lobbyszene bekannt

Zunächst ein Blick auf die Zahlen: Über 5.500 Lobbyakteure sind Ende Dezember 2022 im Register eingetragen. Damit liegt die Zahl nicht weit entfernt von unserer Prognose im Frühjahr und zeigt, dass die Registrierungspflicht inzwischen in der Lobbyszene weitgehend bekannt ist und das Instrument zunehmend Akzeptanz findet. Noch immer kommen fast täglich Neueintragungen hinzu. Zu den kürzlichen Neueintragungen am 20. Dezember gehört auch die Deutsche Vermögensberatung Aktiengesellschaft DVAG, die wir bislang im Register vermisst haben. Besser spät als nie.

Startseite des Lobbyregisters
×
Startseite des Lobbyregisters

Tatsächlich gibt es noch eine ganze Reihe von Verbänden und Unternehmen, die immer noch nicht registriert sind, obwohl sie das – sehr wahrscheinlich – müssten. Darauf werden wir an anderer Stelle noch eingehen. Für hier bleibt festzuhalten, dass die Zahl der eingetragenen Verbände, Unternehmen, Kanzleien, Agenturen und Einzellobbyist:innen noch weiter steigen wird, insbesondere wenn die Reform des Gesetzes bald gelingt und damit auch die registerführende Stelle – die Bundestagsverwaltung - mehr Kompetenzen erhält.

Nachbesserungsbedarf bei Anwaltskanzleien

Ein deutliches Underreporting findet sich jedoch beispielsweise bei Anwaltskanzleien – obwohl die Eintragungspflicht für Anwält:innen ebenso wie für andere gilt, wenn sie im Auftrag von Mandant:innen Tätigkeiten der politischen Interessenvertretung im Sinne des LobbyRG nachgehen. Eingetragen sind aktuell gerade einmal acht Kanzleien, die Auftraggebende benennen. Hinzu kommen 15 Einzelanwält:innen. Wichtige große Namen der Branche wie Freshfields Bruckhaus Deringer fehlen bislang vollständig. Und das obwohl Freshfields seit 2005 eine eigene Public Affairs-Abteilung unterhält, also explizit Lobby-Dienstleistungen anbietet. Hier muss also künftig noch genauer hingeschaut werden und die Vorschriften effektiv durchgesetzt werden. Aber auch die aktuell geltende Formulierung im Gesetz zur Ausnahme von bestimmten anwaltlichen Tätigkeiten, die nicht unter die Registrierungspflicht fallen, sollte im Zuge der anstehenden Reform auf den Prüfstand. Die Abgrenzung ist hier nicht gut gelungen und die Formulierung lässt zu viel Interpretationsspielraum.

Weitgehend plausible Angaben

Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass die meisten Interessen gegenüber Bundestag und Bundesregierung vertretenden Lobbyakteure nach einem Jahr eingetragen sind und weitgehend plausible Angaben machen. Die Datenqualität lässt aber dennoch in vielen Fällen noch zu Wünschen übrig – und ist damit in etwa auf dem Niveau des EU-Lobbyregisters angekommen: Immer wieder tauchen einzelne Fehleintragungen auf, teilweise verstehen die Eingetragenen offenbar schlichtweg nicht, welche Angabe in welcher Form von ihnen verlangt wird. Das führt zu unglaubwürdigen Zahlen oder unnötigen Verweigerungen von Angaben. Die Bundestagsverwaltung als registerführende Stelle geht solchen Fällen durchaus nach, sodass nach unserem Eindruck sich die Datenqualität im Jahresverlauf immer weiter verbesserte.

Suchen und Filtern

Die zehn Konzerne mit den höchsten Lobbyausgaben 2021
×
Die zehn Konzerne mit den höchsten Lobbyausgaben 2021

Die Suchfunktion mit vielen Filtermöglichkeiten ist im Vergleich mit dem EU-Lobbyregister sehr viel besser. So lassen sich leicht Akteure nach bestimmten Kriterien sortieren. Das ermöglicht es ohne großen Aufwand zum Beispiel eine Liste der Lobbyakteure mit den höchsten Lobbyausgaben zusammenzustellen.

Blickt man nur auf Unternehmen, findet man unter den Top 10 folgende Akteure (nach Lobbyausgaben für 2021):

  • Volkswagen: 6.490.001 Euro (plus AUDI 2.610.001 Euro und Porsche 1.040.001 Euro)
  • Mercedes-Benz: 4.080.001 Euro
  • BASF: 3.800.001 Euro
  • Deutsche Bank: 3.570.001 Euro
  • SAP: 3.500.001 Euro
  • Axel Springer: 3.140.001 Euro
  • E.ON: 3.040.001 Euro
  • Google: 3.000.001 Euro
  • Siemens Energy: 2.990.001 Euro
  • Uniper: 2.910.001 Euro

Mit dem Lobbyregister Zusammenhänge sichtbar machen

Neben interessanten Zahlen liefert das Lobbyregister einen Fundus an Zusammenhängen und Strukturen: Wer ist bei wem Mitglied? Wer beauftragt wen? Das ist eine der Kernfunktionen eines Lobbyregisters: es macht Strukturen der Interessenvertretung sichtbar. Niedergeschlagen hat sich das in einer Reihe von Recherchen und Studien in diesem Jahr, die stark auf die Daten des Registers zurückgreifen.

Anfang Dezember 2021 veröffentlichte beispielsweise die NGO Bürgerbewegung Finanzwende eine umfangreiche Studie zur Finanzlobby in Deutschland: „Finanzlobby: Im Auftrag des Geldes“. Für die Analyse der Lobbyarbeit einzelner Sektoren, wie hier der Finanzbranche, wird es mit dem Lobbyregister nun erstmals möglich, plausible Daten zu Lobbybudgets und Anzahl der beteiligten Personen zusammenzutragen. Demnach investiert die Finanzlobby nach vorläufigen Schätzungen rund 200 Mio. Euro pro Jahr in die Lobbyarbeit in Deutschland. „Unter den 101 Organisationen mit den größten Lobbybudgets ist keine Branche so stark vertreten wie die Finanzlobby“, so die auch ansonsten sehr aufschlussreiche und lesenswerte Studie.

Mit den Daten des Lobbyregisters hat sich die Studienautorin auch das Lobby-Netzwerk der Deutschen Bank genauer angeschaut (S. 14). Eine solche Auswertung wäre ohne die entsprechenden Angaben zu Mitgliedschaften im Lobbyregister nicht möglich. Die Studie arbeitet für den Finanzsektor auch heraus, wie wichtig ehemalige Politiker:innen und Ex-Ministerialbeamt:innen für die Lobbyarbeit der Branche sind, um Türen zu öffnen und Interessen effektiv an der richtigen Stelle in politischen Prozessen einzuspeisen. Gerade hier ist das Lobbyregister besonders hilfreich: Sichtbar machen, welche Seitenwechsler:innen aus der Politik inzwischen für welche Lobby tätig sind. Diesem Thema widmete sich Abgeordnetenwatch.de in einer umfangreichen Recherche mit Zeit Online und dem ZDF Magazin Royal.

Defizite des Registers und Reformprozess

Die Recherche weist aber zugleich – und zurecht – auf viele noch bestehende Lücken und Schwächen des Registers hin, die wir ebenfalls bereits kritisierten. So sieht man zwar in vielen Fällen, dass ehemalige Politiker:innen inzwischen als Lobbyist:innen tätig sind – aber oft genug eben nicht, für wen oder wozu genau sie arbeiten.

Lobbyakteure müssen im Register nämlich keine genauen Angaben dazu machen, welche Gesetze oder sonstige Vorhaben sie beeinflussen möchten. Auch müssen Lobbyagenturen oder Freiberufler:innen keine weiteren Angaben machen, worauf ihre Lobbyauftrag abzielt und welches finanzielle Volumen er hat. Beides ist im EU-Transparenzregister – inzwischen – besser gelöst.

Hinzu kommt, dass wir viele Kettenbeauftragungen sehen. Etwa nach dem Muster: Unternehmen beauftragt Lobbyagentur, Agentur beauftragt eine weitere Agentur, die wiederum eine:n Einzellobbyist:in unter Vertrag nimmt. Ohne weitere Angaben ist es so in vielen Fällen unmöglich, die tatsächlichen Auftraggebenden des letzten Glieds in der Kette zu identifizieren.

Bei der nach wie vor geplanten Reform des Gesetzes sollte die Ampel darauf achten, hier mindestens zum Standard des EU-Registers aufzuschließen: Bei beauftragter Lobbyarbeit sollte das finanzielle Volumen, das Ziel oder Thema des Auftrags und der tatsächliche Auftraggeber sichtbar sein.

Und klar ist auch: Ohne die ebenfalls im Koalitionsvertrag angekündigte Erweiterung der Transparenz um eine Lobby-Fußspur für Gesetze („legislativer Fußabdruck“) bleiben wir auf der Hälfte der Strecke stehen.

Wie steht es um die Ampel-Projekte für mehr Lobbytransparenz?

Kurz gesagt: Das Ziel, noch im Jahr 2022 das LobbyRG zu überarbeiten und eine exekutive und legislative Fußspur einzuführen, wurde klar verfehlt. Sicherlich hat hier der Krieg gegen die Ukraine und die folgende Energiekrise Prioritäten verändert. Dennoch ist es äußerst unbefriedigend, dass es nicht gelungen ist, zum Jahreswechsel bei diesen für unsere Demokratie so wichtigen Vorhaben voranzukommen. Wie wichtig ein umfassender Regelungsrahmen für Transparenz und Integrität ist, zeigt der aktuelle Skandal um illegale Einflussnahme autoritärer Regierungen auf die EU-Institutionen.

Ob Drittstaaten oder andere Akteure: Wer auf Politik Einfluss nimmt, muss sichtbar sein – das ist das Ziel eines Lobbyregisters. Und zu dieser Sichtbarkeit gehören nicht nur Informationen, wer wen beauftragt, sondern auch, wer wen finanziert. Auch daher wäre eine Reform des LobbyRG zum Jahreswechsel wichtig gewesen. Das aktuelle Gesetz verlangt zwar Angaben zur Finanzierung, aber nicht von allen Akteuren gleichermaßen. So sieht das Gesetz vor, dass umfangreich die Herkunft von Spenden und öffentlichen Geldern offengelegt werden soll. Das betrifft aber vor allem Organisationen aus der Zivilgesellschaft. Von Wirtschaftsverbänden wird deutlich weniger Transparenz verlangt. Diese Unwucht hätte eine Reform angehen müssen.

Bisher galt aber noch eine Übergangsfrist für die Angaben zur Herkunft von Spenden. Erst ab 2023 wären alle im Lobbyregister eingetragenen Akteure verpflichtet gewesen, die Namen von Spender:innen zu nennen, wenn diese im Jahr 2022 mehr als 20.000 Euro gespendet haben. An dieser pauschalen Schwelle, die vor allem die spendenfinanzierte Zivilgesellschaft betrifft, gab es bereits viel Kritik, auch von uns.

Kritik an Spenden-Schwelle

Das Lobbyregister soll nicht dazu beitragen, dass Spenden für zum Beispiel humanitäre Hilfe in der Ukraine zurückgehen. Es ist nachvollziehbar, dass vermögende Menschen, die für solche Zwecke spenden, nicht erwarten, plötzlich namentlich im offiziellen Lobbyregister von Bundestag und Bundesregierung aufzutauchen. Auch für das Ziel der Transparenz ist es nicht notwendig, dass eine solche Spende an eine große Organisation veröffentlicht wird. Spenden können zwar einen relevanten Einfluss auf die politische Arbeit einer Organisation haben und deshalb ist ein bestimmter Grad an Transparenz hier auch wichtig. Aber zugleich dürfte der Einfluss einer einzelnen 20.000 Euro-Spende an eine viele Millionen Euro Spendengelder einnehmende Hilfsorganisation äußerst gering sein. Zumal in solchen Fällen mit dem Spendengeld Hilfsprojekte finanziert werden und nicht die politische Arbeit.

Es wäre richtig und wichtig gewesen, im Zuge der Reform die Offenlegungsschwellen für Spenden so anzupassen, dass Namen von einzelnen Spender:innen erst ab einer höheren Summe gemessen an den Gesamteinnahmen der Spendenempfängerin angegeben werden müssen. Für juristische Personen, also Unternehmen, Stiftungen, Verbände etc., können und sollten durchaus niedrigere Schwellen gelten als für natürliche Personen.

Da diese Reform aber nun nicht gelungen ist, plant die Ampel die Übergangsfrist per Gesetz für 2023 verlängert. Das ist äußerst unbefriedigend. Praktisch bedeutet das, dass nun gar keine verpflichtende Transparenz über die Herkunft von Geldern mehr herrscht - auch dann, wenn die Zuwendungen von juristischen Personen stammen, also Unternehmen, Verbänden oder Stiftungen.

Im nächsten Jahr sollte sich die Ampel daher nun zügig an die Arbeit machen und die Transparenz im Lobbyregister darüber, wer wen finanziert, gründlich überarbeiten: Es muss sichtbar sein, wer die wesentlichen Geldgeber eines Lobbyakteurs sind, das muss auch für Wirtschaftsverbände und andere unternehmensnahe Organisationen gelten. Wir empfehlen eine am Jahresbudget bemessene Schwelle in Kombination mit einer absoluten Schwelle für sehr große Zuwendungen/Spenden/Beiträge. Für geldgebende natürliche Personen sollten dabei andere Regeln gelten als für juristische Personen.

Weiterer Reformbedarf im Überblick

Wichtig ist die Reform aber auch, um alle weiteren Lücken und Schwachstellen anzugehen, wie hier beschrieben. Die wichtigsten Punkte in der Übersicht:

  • Die Ausnahmen sollten reduziert werden, insbesondere für Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und religiöse Organisationen. Die Ausnahme für Rechtsberatung sollte präzisiert werden.
  • Der Anwendungsbereich sollte auf die Lobbyarbeit gegenüber den Bundesministerien insgesamt erweitert werden.
  • Lobbyakteure sollten verpflichtet werden, möglichst genaue Angaben zu Vorhaben und Gesetzen zu machen, zu denen sie arbeiten.
  • Dienstleister wie Agenturen und Kanzleien sollten (in Stufen) Angaben zum finanziellen Volumen und Thema eines Interessenvertretungs-Auftrags machen müssen.
  • Kettenbeauftragungen sollten nachvollziehbar sein (s.o.).
  • Die Angabe zu Lobbyausgaben sollte nicht verweigert werden können.
  • Die Angaben zur Finanzierung sollten so überarbeitet werden, dass für alle Akteure wesentliche Quellen und Geldgeber sichtbar werden.
  • Verbände sollten verpflichtet werden, Angaben zur Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft zu machen.
  • Die registerführende Stelle sollte in ihren Kompetenzen gestärkt, der mögliche Rahmen für Bußgelder deutlich erhöht werden. Verletzungen der Registrierungspflicht sollten stärker geahndet werden.

Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.

Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.

Teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert. Neue Kommentare erscheinen erst nach Freigabe auf der Webseite.

Interesse an mehr Lobbynews?

Newsletter abonnieren!