Lobbyismus in der EU

TTIP-Plus-Agenda zur besseren Rechtssetzung

Im Mai 2015 verabschiedete die EU-Kommission das neue Maßnahmenpaket für „bessere Rechtssetzung“ (engl.: better regulation). Hinter dem Programm zum Abbau von Bürokratie verbergen sich sowohl neue Einfallstore für Lobbyisten als auch weitreichende Deregulierungsbemühungen: Die Entscheidungsfindung würde noch weiter in kleine Expert/innen-Gruppen verlagert und das EU-Parlament in seiner Handlungsfähigkeit beschnitten.
von 29. Oktober 2015

Im Mai 2015 verabschiedete die EU-Kommission das neue Maßnahmenpaket für „bessere Rechtsetzung“ (engl.: better regulation). Ihr Vorschlag soll bis Ende 2015 mit EU-Parlament und Rat ausgehandelt werden. Das vorgeschlagene Paket wird als ein Update der Gesetzgebung präsentiert, welches die Rechtssetzung in der EU vereinfachen und unnötige Belastungen für Unternehmen reduzieren soll. Hinter dem Programm zum Abbau von Bürokratie verbergen sich jedoch sowohl neue Einfallstore für Lobbyisten als auch weitreichende Deregulierungsbemühungen: Die Entscheidungsfindung würde noch weiter in kleine Expert/innen-Gruppen verlagert und das EU-Parlament in seiner Handlungsfähigkeit beschnitten. Ähnlich wie die geplante regulatorische Zusammenarbeit in TTIP und CETA läuft die Better-Regulation-Agenda zudem Gefahr, EU-Mindeststandards im Arbeitsrecht, in der Sozial- und Umweltpolitik sowie im Verbraucherschutz zu unterminieren.

Schaffung von zwei neuen demokratiefeindlichen EU-Expert/innen-gremien

br-infographic

Infografik der EU-Kommission zur „besseren Rechtssetzung.“ Quelle.

Um alte bürokratische Hürden loszuwerden und den Verwaltungsaufwand künftiger Gesetze zu minimieren, wurden in Brüssel zwei neue Expert/innen-Gremien eingesetzt, die jeder demokratischen Kontrolle entbehren – der Ausschuss für Regulierungskontrolle (englisch: „Regulatory Scrutiny Board“; im Folgenden RSB) und die REFIT-Platform.

Die REFIT-Platform, in der bis zu 18 Expert/innen („high-level-experts“) aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft vertreten sind, soll künftig sogenannte Fitnesschecks mit allen neuen und einigen ausgewählten älteren Gesetzen durchführen, um die „bürokratische Last“ zu reduzieren. Wann aber ist ein Gesetz fit? Die Analyse der REFIT-Platform konzentriert sich in den Vorstellungen der EU-Kommission ausschließlich auf die quantitativen Kosten für Unternehmen, die eine Regulierungsmaßnahme zur Folge haben könnte. Und die können natürlich am besten von den Betroffenen selbst beziffert werden. Unter dem Mantra der vermeintlich verbesserten Transparenz werden die Brüsseler Unternehmens-Lobbyisten zukünftig außerdem über jeden Gesetzesentwurf der EU-Kommission im Vorfeld informiert und dazu eingeladen, eigene Verbesserungsvorschläge zur Beseitigung regulativer Kosten einzureichen. Die Vorschläge werden vom REFIT-Gremium gesammelt, weitergeleitet und sollen von Parlament und Rat berücksichtigt werden – nie war Lobbying in Brüssel einfacher!

Rechtssetzung soll an erster Stelle Kosten für Wirtschaft minimieren

Der sechsköpfige Ausschuss für Regulierungskontrolle RSB unterstützt die beschriebenen Deregulierungsbestrebungen, indem er über die Zulässigkeit von wissenschaftlichen Folgenabschätzungen entscheidet. Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass Studien über negative soziale und ökologische Auswirkungen von Gesetzen zukünftig für unwissenschaftlich erklärt werden, falls sie keine quantitative Kosten-Nutzen-Rechnung für Unternehmen und Bürger aufstellen. Auch das EU-Parlament soll in Zukunft zu jeder Änderung an einem Gesetzesentwurf kurzfristig eine Folgenabschätzung erstellen und diese vom RSB genehmigen lassen – eine massive Beschränkung der parlamentarischen Handlungsfreiheit. Dass die gesamte EU-Rechtssetzung in erster Linie Rücksicht auf die Kosten für die Wirtschaft nehmen muss, dafür soll der Vorsitzende des RSB sorgen, der ehemalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der zuvor seit 2006 die „High Level Group on Administrative Burdens“ leitete.

Mehr Transparenz = Mehr Demokratie?

Nachdem der EU-Kommission immer wieder Geheimhaltung vorgeworfen wurde (v.a. im Zusammenhang mit den geplanten Freihandelsabkommen), präsentiert sie die Better-Regulation-Reform als nie dagewesene Transparenz-Offensive. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob diese Art der Transparenz und vermeintlicher wissenschaftlicher Objektivität tatsächlich das Demokratiedefizit in der EU behebt. Denn wenn der Gesetzgebungsprozess in der EU frühzeitig nur für bestimmte „gesellschaftliche Interessen“ geöffnet wird, dann profitieren vor allem die etablierten Wirtschafts-Lobbyisten. Sie können am meisten Zeit und Energie für die Erstellung von eigenen Folgenabschätzungen und Änderungsvorschlägen aufbringen. Zudem gibt es in Brüssel mindestens doppelt so viele Unternehmenslobbyisten wie Lobbyisten der Zivilgesellschaft. Gerade die Ex-post-Fitnesschecks von bestehenden Gesetzen bieten eine geeignete Gelegenheit für Industrieverbände, unliebsame Kosten wie Umweltschutzmaßnahmen für Unternehmen zu minimieren. Das zeigt: Die angekündigte verbesserte Transparenz könnte in einem noch engeren Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik und noch besseren Zugängen für Lobbyisten enden.

Paralellen zur regulatorischen Kooperation in TTIP und CETA

Diese Entdemokratisierungs- und Deregulierungsbestrebungen im EU-Inland werden durch die geplante regulatorische Zusammenarbeit in TTIP und CETA und den darin vorgesehenen „Abbau von Handelshemmnissen“ ergänzt. Das Pendant zur REFIT-Platform und dem RSB ist das Gremium für Regulatorische Zusammenarbeit ebenfalls ein neues Expert/innen-Gremium, das die Demokratie schwächt und Lobbyinteressen stärkt . Beide Vorhaben streben danach, die regulativen Kosten für Unternehmen in neuen und älteren Gesetzen zu minimieren. Da der Verbraucher-, Arbeits- und Umweltschutz nicht ausgenommen sind, besteht die Gefahr, dass auch sie dem Ziel der höheren Wettbewerbsfähigkeit zum Opfer fallen und aufgeweicht werden. Der Vorschlag für das Gremium für Regulatorische Zusammenarbeit legt ebenfalls besonderen Wert auf die Einbeziehung von externen Expert/innen, den sogenannten „stakeholdern“, in den Gesetzgebungsprozess. Lobbycontrol kritisiert, dass dadurch die Autonomie der politischen Entscheidungsträger bedroht und die Handlungsfreiheit des EU-Parlamentes durch neue undemokratische Gremien beschränkt wird.

In Brüssel formiert sich Protest gegen „bessere Rechtsetzung“

Das Bild zeigt das Logo des neuen zivilgesellschaftlichen Bündnisses "Better Regulation Watchdog."

Das Bild zeigt das Logo des neuen zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Better Regulation Watchdog.“

Das neue Rechtssetzungspaket ist mehr als nur eine kleine Veränderung der Arbeit zwischen den Institutionen. Es handelt sich vielmehr um eine Revolution des EU-Gesetzgebungsprozesses, die fortan dem Diktat der geringstmöglichen Kosten für die Wirtschaft unterworfen würde.

Mittlerweile formiert sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherverbänden, das die Agenda zur besseren Rechtssetzung kritisch beobachtet. Auch erste EU-Abgeordnete sind auf die fragwürdigen Expert/innen-Gremien und die Einschränkung der parlamentarischen Entscheidungsspielräume aufmerksam geworden. Die Abgeordneten sollten im Rahmen der zur Zeit stattfindenden Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission Widerstand gegen Demokratieabbau und ihre eigene Entmachtung zu leisten.

Weiterführende Links:

Teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert

Kommentar absenden

6 Kommentare

Simon29. Oktober 2015 um 17:26

Neben dem „Normenkontrollrat“ in Deutschland und den Niederlanden, das ist ein von Politik und Wirtschaft unabhängiges Gremium, gibt es mit dem „Integrated Impact Assessment“ bereits etwas grob Entsprechendes auf EU-Ebene.

( https://de.wikipedia.org/wiki/Nationaler_Normenkontrollrat und Zitat Tagesspiegel unten)

Wäre es nicht sinnvoll, NEBEN ein unabhängiges Gremium ZUSÄTZLICH eine Gruppe von subjektiven aber dafür tatsächlich Betroffenen aus der Wirtschaft zu stellen?

Dass Bürokratie häufiger, aber eben nicht immer sinnvolle und optimale Regulierung bedeuten muss, ist ja allein schon aus Bürgersicht bekannt.

Warum also nicht ZUSÄTZLICH Direkt-Betroffene einbinden und deren Vorschläge wiederum unabhängig bewerten lassen?
Warum den Vorschlag komplett ablehnen?

—-
Zitat Tagesspiegel:
„Dem Entwurf zufolge soll ein neu zu bildendes Regulierungs-Kontrollgremium, das sogenannte Regulatory Scrutiny Board, über die Folgenabschätzung wachen. Dabei sollen anders als bisher externe Fachleute beteiligt werden, die nicht den EU-Institutionen angehören.
Bisher waren mit dieser Aufgabe nur Kommissionsbeamte betraut.“

( http://www.tagesspiegel.de/politik/eu-plan-gegen-ueberfluessige-buerokratie-weniger-soll-mehr-sein/11793138.html )

Rauschi30. Oktober 2015 um 8:49

@Simon,

Du fragst:“Warum also nicht ZUSÄTZLICH Direkt-Betroffene einbinden und deren Vorschläge wiederum unabhängig bewerten lassen?
Warum den Vorschlag komplett ablehnen?“

Ich stelle mir das mal praktisch vor, wir fragen z.B. VW, ob die Kosten für die Abgasreduzierung in den Augen des Unternehmens nicht zu hoch sind, was wäre wohl die Antwort?
Oder ich frage einen AKW Betreiber, ob er nicht auch findet, die Kosten für die Senkung der Abwassertemperaturen wäre zu hoch, was ist die wahrscheinlichste Antwort?

Grundsätzlich gilt das Sprichwort: Frag nicht die Frösche, ob Du den Sumpf trocken legen sollst.

Genauso gilt, wenn Kosten anfallen, sind diese durch den Verursacher zu tragen.

Was genau wäre Dein Vorschlag? Warum werden denn die Betroffenen der Kostensenkung nicht gefragt? Wenn Kosten anfallen, ändert deren Finanzierung nichts an der Höhe, es muss also jemand bezahlen, das sind dann wieder im Zweifelsfall die Bürger, oder wie?

Mit Bürokratieabbau wird viel argumentiert, ich habe aber festgestellt, das wegen eines solchen Gesetzes (Bürokratieabbaugesetz) auf einmal eine fehlende Einspruchsmöglichkeit gegen ein Urteil begründet war, das macht mich sehr stutzig.

Die Kontrolle des Mindestlohnes ist auch bürokratisch, sollten wir deswegen weiter auf die Aussagen oder Selbstverpflichtungen der Wirtschaft vertrauen, die ja so wunderbare Ergebnisse gebracht hat?

Bei all dem hast Du an keiner Stelle die fehlende demokratische Mitwirkung angesprochen, ist Dir das egal?

MfG
Rauschi

Simon1. November 2015 um 17:36

Klar wird versucht, den Begriff Bürokratieabbau fälschlicherweise mit Absenkung von Standards gleichzusetzen, wie bei deinem obigen Beispiel mit Abgasnormen.
Neoliberale geben an, Bürokratie abbauen zu wollen um Standards zu senken; Pöstchenhalter warnen vor einer Absenkung von Standards, weil sie Bürokratie nicht verringern wollen, weil sie ihnen Einkommen und Einfluss gewährt.

Wie hoch ein Standard, also welche Ansprüche an die Leistungshöhe (z.B. Abgasqualität) gestellt wird hat aber selten etwas mit der Länge und Komplexität des Gesetzestextes zu tun. Wegen undurchsichtigen Ausnahmeregelungen ist es umgekehrt. Schweden gilt z.B. in vielen Studien als sowohl weniger bürokratisch als auch anspruchsvoller in vielen Umwelt- Verbraucher-, Sozial etc Standards als Italien. Doppelt so viel Dokumentationspflicht über den Mindestlohn bei halber Mindestlohnhöhe wäre eben nicht gleichwertig zu einer einfachen aber effektiven Regelung.

Steuerschlupflöcher können sich auch durch meist gut gemeinte Zusatzregelungen ergeben (Sonderregelung, dass Patent- und Lizenzeinnahmen weniger stark besteuert werden, werden von IKEA und Starbucks ausgenutzt).

Fehlende demokratische Mitwirkung sollte im Parlament, was alles letzten Endes entscheidet nicht wirklich befürchtet werden, oder?

Wenn die Politiker konstruktive Vorschläge aus der Wirtschaft bekommen, also eine eine weniger umständliche Art dasselbe Ziel in vergleichbarer Höhe zu erreichen vorschlagen, ist das doch gut. Mitspracherecht also natürlich nur darüber, wie die gleichen Ziele günstiger erreicht werden können, nicht was die Ziele sein sollen. Wenn sie Quatsch vorschlagen, mit dem das Ziel (hohe Luftqualität) verschoben werden soll, ist das natürlich abzuweisen, das sollte klar sein.

Rauschi2. November 2015 um 12:31

@Simon

Dir ist es also egal, das dieser Rat dann „Auch das EU-Parlament soll in Zukunft zu jeder Änderung an einem Gesetzesentwurf kurzfristig eine Folgenabschätzung erstellen und diese vom RSB genehmigen lassen “ die Folgeabschätzung genehmigen muss?
Ist das noch die Entscheidung eines Parlamentes, wenn man die Mannschaft in Brüssel überhaupt so nennen darf?

„Wie hoch ein Standard, also welche Ansprüche an die Leistungshöhe (z.B. Abgasqualität) gestellt wird hat aber selten etwas mit der Länge und Komplexität des Gesetzestextes zu tun.“
Was ändert denn die Länge an der Sache? Wo wird denn geschrieben, das die Gesetze einfach und kürzer werden? Es geht um Folgeabschätzung, die aber sehr subjektiv beurteilt wird. Ich finde schon diese Abwägungsaussage mehr als fragwürdig, denn normalerweise kann es eine Abwägung nur geben, wenn die negativen und die positiven Folgen von den gleichen Personen getragen werden. Wenn aber eine Seite nur die Vorteile hat und die andere nur die Nachteile, kann es keine Abwägung geben, da geht es nur noch um den Schutz der Benachteiligen, der so hoch wir möglich sein soll.

Es stört mich einfach grundsätzlich, alles nur in monetären Grössen zu messen, was sich aber nicht messen lassen kann. Wie viel ist die Gesundheit wert, wie viel die Lebensqualität?

Da die Unternehmen aber immer nur Ihre Kosten sehen, finde ich den Ansatz schon falsch, denn de facto haben die Bürger nicht die Macht und die Ressourcen, Ihre Anliegen mit dem gleichen Nachdruck vorzubringen, wie die Industrie das hat.

Hast Du das Gefühl, die EU will nur Dein bestes und deswegen ist TTIP völlig super, oder wie darf ich den Einspruch verstehen?

Wer soll beurteilen, ob das Ziel durch die vorgeschlagenen Methoden auch erreicht werden kann? Wieder so tolle Studien, wie jene, welche „auf lange Sicht für jeden Haushalt mehr als 500 Euro Jahreseinkommen mehr“ verspricht?
Keinen konkreten Zeitraum, aber konkrete Werte für das Einkommen, das finde ich extrem glaubhaft. LOL

Die Zusammensetzung mit mehrheitlich wirtschaftswissenschaftlichen „Fachleuten“ macht mich einfach sehr stutzig, denn das auch diese die Zukunft nicht kennen können und noch weniger vorhersagen hat ja wohl die letzte Finanzkrise mehr als deutlich bewiesen.

Wie wäre es zur Abwechslung mal mit echter, direkter Demokratie, einfach das Volk befragen, was es will und das dann umsetzen, nicht wie jetzt, wir entscheiden, was Ihr zu wollen habt?

MfG
Rauschi

Simon4. November 2015 um 21:51

@Rauschi

Ich habe nur betont, dass es auch einen Abbau von Bürokratie geben kann der im Sinne der Allgemeinheit ist, der die Standards sogar anspruchsvoller macht, als Beispiel nannte ich das Stopfen von Steuerschlupflöchern (Nachteil für einzelne Verwaltungsangestellte und Steuerberater und Steuerflüchtlinge, Vorteil für den Rest der Gesellschaft). Oder bist du gegen das Stopfen von Steuerschlupflöchern für Großkonzerne, weil das in die Kategorie Bürokratieabbau fiele?
Es ist eben nicht so einfach, dass Bürokratie immer gut und sozial .. etc ist und Bürokratieabbau per se schlecht ist.

Ich bin absolut gegen TTIP.

„Da die Unternehmen aber immer nur Ihre Kosten sehen, finde ich den Ansatz schon falsch, denn de facto haben die Bürger nicht die Macht und die Ressourcen, Ihre Anliegen mit dem gleichen Nachdruck vorzubringen, wie die Industrie das hat.“
Klar, die Unternehmen sind wie gesagt stark subjektiv, aber sie sind die direkt Betroffenen. Deren Vorschläge sollte man immer kritisch sehen, aber deren Meinung sollte man (kritisch) anhören.
In anderen Parlamenten finden ja auch Anhörungen statt. Wenn diese nur formeller organisiert werden sollte, wäre doch nichts prinzipiell Schlechtes dran. Ich habe mich gefragt, ob und warum man das prinzipiell ablehnen will, oder ob man nicht nur weitere Verbesserungen innerhalb des Systems fordert, z.B. eine ausgewogenere Besetzung der Befragtenrunden (mehr Bürger, NGOs..)

Mir wurde also nicht ganz klar, was an Anhörungen von Wirtschaftsvertretern, die nicht so stark vororganisiert sind (bisheriges System), besser ist; bis auf folgenden Punkt:
Was ich auf jeden Fall komplett inakzeptabel finde, ist dass die Vorschläge der Kommission durch das RSB genehmigt werden müssten. Meiner Meinung sollte das RSB nur konstruktive Verbesserungsvorschläge (wie die gleichen Ziele geschickter zu erreichen wären) anmerken dürfen.

„The Board examines and issues opinions on all the Commission’s draft impact assessments and of major evaluations and „fitness checks“ of existing legislation.
__ In principle, a positive opinion is needed from the Board for an initiative accompanied by an impact assessment to be tabled for adoption by the Commission.“__ http://ec.europa.eu/smart-regulation/index_en.htm

Rauschi10. November 2015 um 13:33

Hallo Simon,

um es gleich vorweg zu schicken:
Ich habe überhaupt nichts gegen Interessenvertretung, jeder sollte seine Interessen vortragen dürfen. Auch die Industrie, ich unterstelle niemandem von vorne herein schlechte Absichten.

Nur ist ja de facto so, das überproportional die Interessen der Wirtschaft eine Rolle bei Entscheidungen spielen, weil die einfach Lobbygruppen haben und auch mit der entsprechenden Manpower auftreten können.
Für die Bürger gibt es nur einzelne NGOs, die mal den Umweltschutz, mal die Demokratie, mal den Arbeitsschutz in Gefahr sehen und deswegen auch nur auf diese Punkte eingehen.

Zu Deinem Einwand:“Klar, die Unternehmen sind wie gesagt stark subjektiv, aber sie sind die direkt Betroffenen. Deren Vorschläge sollte man immer kritisch sehen, aber deren Meinung sollte man (kritisch) anhören.“
Sie sind nicht nur betroffen, meist sind Sie auch der Verursacher der Kosten, oder der Bürokratie, die entstanden ist, um damit einen Missstand zu bekämpfen. Wenn eine Fabrik die Umwelt verschmutzt, wer ausser dem Besitzer sollte für die Kosten der Beseitigung aufkommen?

Ich habe auch noch von keinem einzigen Fall gehört, wo der Vorschlag der Industrie nicht auf Absenkung von Vorschriften, sondern lediglich auf einfachere Vorschriften hinauslief. Wenn es eine bessere Möglichkeit zur Kontrolle des Mindestlohnes gibt, als die Arbeitszeit zu erfassen, dann hätte ich gerne einen Vorschlag gehört. Auch hier ist aus meiner Sicht das Bürokratieargument nur vorgeschoben, oder gibt es Unternehmer, die Stundenlöhne zahlen, aber die Arbeitszeit der Mitarbeiter nicht erfassen?

Wie kommst Du eigentlich darauf, das nur die Unternehmen von Vorschriften betroffen sind? Die sind vielleicht direkt von den Kosten betroffen, die sich aus Ihrem Handeln ergeben, aber wer ist denn von Umweltverschmutzung betroffen, sind das nicht alle Bürger?

Wenn die Kräfte gleichmässig verteilt wären, würde ich keinen Einwand zur Mitsprache der Unternehmen haben, dann würden auch die befragt, die betroffen sind, wenn die Wünsche der Unternehmen umgesetzt werden.
Was ich fordere ist Waffengleichheit, die ist aber gerade bei TTIP und anderen Abkommen nicht gegeben.

ZU Steuerschlupflöchern: “ Oder bist du gegen das Stopfen von Steuerschlupflöchern für Großkonzerne, weil das in die Kategorie Bürokratieabbau fiele?“
Ich denke, die Schlupflöcher gibt es, weil es wohl nicht zu viel Bürokratie gibt, sondern die gewünschten Schlupflöcher gibt. Das ist die Sache, einfache Vorgaben lassen sich eben viel leichter umgehen, wenn Spezialfälle abgefangen werden sollen, wird es immer umfangreicher.

Es ist immer die Frage der Perspektive, welche Position ich einnehme, so ist es für ein Unternehmen kurzfristig vielleicht sinnvoll, die Kosten für Personal zu senken, indem die Löhne gesenkt werden, wenn das aber alle tun, dann haben auch alle verloren, denn es sinkt die gesamte Kaufkraft für alle Unternehmen. Manchmal sollte man die Unternehmen vor falschen Handlungen schützen, wie auch Verbraucher vor krankmachenden Inhaltsstoffen.

Die Frage ist, gibt es jemanden, der keine eigenen Interessen vertritt und auf diese ganzen Punkte achten könnte? Wenn nicht, wäre es Zeit, das das Parlament diese Rolle auch wirklich übernimmt.