Lobbyismus in der EU

Europas Lobbyhauptstadt kompakt: Der neue Lobbyplanet Brüssel ist da

Der neue LobbyPlanet Brüssel stellt die wichtigsten Lobby-Akteure vor und erklärt anhand vieler Beispiele, mit welchen Strategien sie Politik, öffentliche Meinung und wissenschaftliche Diskurse beeinflussen. Die Zahlen zeichnen zudem ein deutliches Bild: Lobbyismus in Brüssel ist ein Milliardengeschäft. Konzernlobbyisten dominieren. Von Ausgewogenheit keine Spur.
von 1. Februar 2018

Lobbyplanet Brüssel

Heute erscheint eine neue deutschsprachige Ausgabe des LobbyPlanet Brüssel. Unser Stadtführer bietet spannende Einsichten in Europas Lobbyhauptstadt: Denn zwischen Pommes, Pralinen und Manneken Pis geht’s in Belgiens Metropole vor allem auch um Macht, Millionen und Meinungsmache rund um die EU-Politik.

Der LobbyPlanet belegt, dass Lobbyismus in Europa ein Milliardengeschäft ist. Konzernlobbyisten dominieren. Von Ausgewogenheit keine Spur.

Schätzungen zufolge versuchen rund 25.000 Lobbyisten in Brüssel mit einem Jahresbudget von 1,5 Milliarden Euro Gesetze, Politik und öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die meisten arbeiten im Interesse von Unternehmen. Einfluss haben also vor allem die, die es sich leisten können. So vertreten die 20 Lobbyakteure mit den höchsten Lobbyausgaben fast ausschließlich Wirtschaftsinteressen. Darunter finden sich der Europäische Chemieverband, der Dachverband der europäischen Industrie- und Handelskammerorganisationen (Eurochambers), ExxonMonbil oder Google. Die 20 finanzstärksten Akteure investierten 2016/17 mindestens 106 Millionen Euro in ihre Lobbyarbeit.

Auch bei den Treffen mit der EU-Kommission dominieren Unternehmensinteressen. Nach einer aktuellen Auswertung von LobbyControl hatten allein der Arbeitgeberverband Businesseurope, Google und Airbus seit Dezember 2014 468 Treffen mit der Kommission. Unter den Top-15 dieser Rangliste finden sich dagegen lediglich vier Vertreter der Zivigesellschaft (Europäischer Verbraucherverband, WWF, Greenpeace und der Europäische Gewerkschaftsbund).

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Bayer, BASF und Co: Lobbyarbeit mit teils fragwürdigen wissenschaftlichen Fakten

Der LobbyPlanet stellt die wichtigsten Akteure und Lobbyschlachten der vergangenen Jahre vor, führt auf zwölf Routen zu ihren Treffpunkten und erklärt, mit welchen Strategien sie Politik, öffentliche Meinung und wissenschaftliche Diskurse beeinflussen.

Dabei geht die Industrie nicht immer zimperlich vor. So haben Bayer, BASF & Co. zum Beispiel jahrelang strengere Regeln für sogenannte endokrine Disruptoren verhindert. Diese Stoffe stecken in Alltagsmaterialien wie Plastik oder Kosmetika und wirken auf das Hormonsystem von Menschen. Die Chemie-Lobby spielte verschiedene Dienststellen der Kommission gegeneinander aus und schreckte auch nicht davor zurück, unabhängige Experten, die strengere Regeln für diese Umwelthormone forderten, durch industrienahe „Experten“ anzugreifen und als „Pseudowissenschafter“ zu diffamieren. Eigentlich wollte die EU bereits 2013 Regeln für endokrine Umwelthormone verabschieden. Bis heute ist das nicht passiert.

Einfluss über Expertengruppen

Ein anderes Beispiel sind dien Expertengruppen. Diese vorübergehend zusammengesetzten Gremien sollen bei der Ausarbeitung neuer Gesetze helfen. Tatsächlich sitzen dort aber häufig die Experten genau der Unternehmen, die eigentlich reguliert werden sollen. Oder der Ministerrat: Dieses höchst intransparente Gremium der Regierungen der Mitgliedstaaten eignet sich hervorragend für die Lobbyarbeit. Wenn man mit dem Arbeitsergebnis der EU-Kommission noch nicht zufrieden ist, tritt man an die Regierung des eigenen Landes heran und droht, dass eine neue Regelung Arbeitsplätze vernichten könnte.

VW, VDA, Daimler: Der wundersame Einfluss der deutschen Automobilindustrie in Brüssel

Die deutsche Ausgabe des Lobbyplanet Brüssel widmet sich besonders ausführlich der Autolobby und dem Abgasskandal. Die deutsche Automobilindustrie ist und bleibt mit einem Jahresetat von rund neun Millionen Euro eine der einflussreichsten in Brüssel. Sie gibt für ihre Lobbyarbeit genauso viel aus wie alle anderen europäischen Autokonzerne zusammen. Seit Jahren verhindert diese Lobby effektive Auflagen für Autoabgase, die dem Schutz von Umwelt und Gesundheit dienen würden. Das geht so weit, dass die EU-Kommission Deutschland nun hohe Strafen androht, weil es seine Luftreinhaltevorgaben nicht einhält. Der Lobbyplanet erläutert, mit welchen Strategien die Automobilindustrie ihre kurzfristigen Interessen immer wieder durchsetzt. Dazu gehört die Drohung mit dem Abzug von Arbeitsplätzen ebenso wie die Mobilisierung der Bundesregierung vor Abstimmungen im Ministerrat.

Der LobbyPlanet Brüssel erklärt den Leserinnen und Lesern aber auch, wie sie selbst aktiv werden können. Wir wollen die Leser nicht resigniert zurücklassen, sondern dazu beitragen, dass sie sich informieren, einmischen und für eine lebendige Demokratie streiten.

Info

Der deutsche Lobbyplanet Brüssel ist ein gemeinsames Projekt von Corporate Europe Observatory (den Herausgebern der englischen Originalfassung) und LobbyControl. Erstmals erschienen ist die deutsche Fassung 2005 mit 32 Seiten. Heute, 13 Jahre später, sind es bereits 160 Seiten kompaktes Wissen über Lobbyismus in Brüssel.

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6 Kommentare

Deininger3. Februar 2018 um 9:44

Wofür braucht man so einen riesen Apparat an Kommissare und sonstige Politiker in Brüssel und Strasbourg, wenn sich eigentlich 90% (wenn nicht noch mehr) der Arbeit und Gesetze von den Lobbyisten erledigen läßt? Nur noch 10% der Politiker und Personal übrig, die Länder müssten weniger zahlen und es wäre genug Geld für die wichtigen Dinge da.
Europa ist leider ein Einstieg mit sehr gutem Verdienst und Pension für viele abgehalfterte Politiker aller Europäische Länder geworden.

W. Bernhardi3. Februar 2018 um 13:14

Sehr geehrte Frau Katzemich!

Die Arbeit von LobbyControl ist wichtig und lobenswert! Wenn Sie allerdings wie oben schreiben „von Ausgewogenheit keine Spur“, impliziert dies die Möglichkeit einer Ausgewogenheit. Genau das ist der Denkfehler wie in so vielen anderen Debatten. Eine Ausgewogenheit zwischen Kapital und Arbeit kann es nicht geben. Dieser antagonistische Widerspruch ist nicht durch „Reformen“ aufzulösen!

MfG
W. Bernhardi

Bernd pfeiffenberger3. Februar 2018 um 14:21

Hallo
In Deutschland wurde ich durch den VW Konzern fast zum „Kriminellen „ nur weil ich die schummelsoftware nicht entfernen wollte.
Jetzt droht das Bundesamt für Verkehr mit der Stilllegung meines KFZ. Wert 30000 €.
So kann es doch nicht weitergehen!

Mich interessiert die deutsche Ausgabe ihres Brüssel Report
Kann ich das erwerben?
Bernd pfeiffenberger
Cloppenburg

Miesbauer Gertraud4. Februar 2018 um 2:22

Ich begreife einfach nicht, dass die Leute die bei Mac Donalds, Starbucks,
Amazon, Bayer, Nestle usw. einkaufen nicht gleichzeitig bewusst sind,
welche schlimmen unsozialen Konzerne amerikanischer liberalen Ursprungs-
prägung sie ihr oft nicht so leicht verdientes Geld anvertrauen um diese
reich zu machen. Konzerne, die durch Steuerflucht und Verweigerung ihrer
sozialen Verpflichtungen den Großteil der Bürger, die ihre Lohnsteuer unge-
fragt abgezogen bekommen, betrügen, werden weiterhin von gerade diesen
Leuten aufgesucht, um wie bei Amazon einige Euros zu sparen und vermeint
lich günstigst einzukaufen. Diese übersehen aber, dass solche Konzerne sich
vieler Subunternehmer bedienen (Versand) deren Stundenlohn oft nur mehr
schändliche Euro 3,50 oft erreicht. Genauso verfahren sie nach amerikanischen
liberalen Methoden mit ihren Arbeitern und Angestellten und drücken dabei
ihre eigentliche soziale Verantwortung auf den tiefsten Stand um ihre reichen
Aktionäre gut zu bedienen, Leute, welche die nieder–gestellten Arbeiter egoistisch und skrupellos ausbeuten, aus lauter Gier. Dieses System immer noch nicht
durch eine grundsätzliche Änderung in der Wahl der politischen Vertretung zu
Fall zu bringen!
skrupellos ausbeuten

Dr. Christiane Kleuss6. Februar 2018 um 8:33

Bei aller Zustimmung, mit der ich Ihre Lobbyismus-Kritik teile, bitte ich um eine differenziertere Diskussion: Die Beeinflussung der Gesetzgebung durch wen auch immer zugunsten persönlicher/firmeneigener/Branchen-inhärenter Interessen ist durchweg zu kritisieren. Keinesfalls ist die Forschungsförderung durch Industrieunternehmen per se zu verdammen, so lange diese Experimente und Studien Ergebnis-offen gefördert werden. Die Förderung von Forschung wird aber dann problematisch, wenn die Fördergelder an das Ergebnis der Forschung geknüpft werden und die Wissenschaftler da mitmachen, also korrumpierbar sind. Diese Interessenkonflikte gibt es schon lange im Landwirtschafts, Agrar- und Nahrungsmittelbereich, sogar mit industrieller Förderung der Ausbildungsstätten der späteren Wissenschaftler und Kontrolleure.

Nina Katzemich6. Februar 2018 um 9:25

Lieber Herr Pfeiffenberger,
ja, den können Sie bei uns sehr gerne bestellen: https://www.lobbycontrol.de/produkt/lobby-planet-bruessel/
Mit besten Grüßen
Nina Katzemich