Lobbyismus in der EU

Die neue EU-Kommission unter der Lupe – Teil 2: Maroš Šefčovič (Bessere Rechtsetzung)

Im zweiten Teil unserer Blogreihe wenden wir uns Maroš Šefčovič zu, dem designierten Kommissar für „Interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau“. Šefčovič kann einiges an Erfahrung vorweisen, bereits seit zehn Jahren arbeitet er als EU-Kommissar. Seine Erfolge in dieser Zeit waren allerdings spärlich gesät. Welche Prognosen ergeben sich daraus für seine Tätigkeit im Bereich „Bessere Rechtsetzung“?
von 1. Oktober 2019

Im zweiten Teil unserer Blogreihe wenden wir uns Maroš Šefčovič zu. Der Kommissionskandidat der Slowakei soll in Zukunft den Bereich "Interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau" verantworten. Šefčovič kann einiges an Erfahrung vorweisen, bereits seit zehn Jahren arbeitet er als EU-Kommissar. Von 2010 bis 2014 war er zuständig für das Ressort Interinstitutionelle Beziehungen und Verwaltung.

Schwache Leistung beim Lobbyregister

Damit fiel auch die Überprüfung des gemeinsamen Lobbyregisters von Kommission und Parlament in seine Verantwortung. Ein gute Figur hat er dabei leider nicht abgegeben. Die Änderungen, die Anfang 2014 schließlich in Kraft traten, waren lediglich minimal und führten nicht zu substantiellen Verbesserungen. Erst Jean-Claude Juncker setzte nach seinem Amtsantritt im Jahr 2014 einige einschneidende Änderungen durch. Darunter auch die neue Verpflichtung der KommissarInnen und ihrer Kabinette, nunmehr ausschließlich registrierte Lobbyisten zu treffen. Letztlich fiel die Überarbeitung des Lobbyregisters, wie es seit 2015 besteht, deutlich besser aus als Šefčovič selbst es beabsichtigt hatte. Zuletzt war Šefčovič zuständig für die Energie-Union. Während dieser Zeit fanden 81 Prozent seiner Treffen mit VertreterInnen von Unternehmen statt. (Quelle: Integritywatch)

"Interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau" - Was genau ist das?

Aus dem sperrigen Ressortnamen geht Šefčovičs zukünftiger Aufgabenbereich nicht direkt hervor. Tatsächlich umfasst er alle Aspekte der so genannten "Better regulation" (Bessere Rechtsetzung). Der sperrige Begriff bezeichnet ein Maßnahmenpaket der EU-Kommission, das 2016 im Rahmen einer gemeinsamen Vereinbarung von Rat, Kommission und Parlament in Kraft trat. Ziel dieser Agenda ist eine Regulierung nach dem Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet, dass auf EU-Ebene nur solche Regelungsvorhaben angestoßen werden, die zwangsläufig dort passieren müssen und über das absolut notwendige nicht hinausgehen. Außerdem soll "Better Regulation" die Einbindung von Interessengruppen in den gesamten Prozess der Politikgestaltung sicherstellen, sich dabei streng auf "Fakten und eine Analyse der Auswirkungen" stützen und den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, BürgerInnen und die öffentliche Verwaltungen minimieren.

"Bessere Rechtsetzung" - Für wen?

Was zunächst sinnvoll klingen mag, birgt in Wahrheit die große Gefahr, dass diesen Grundsätzen auch solche Regelungen zum Opfer fallen, die für den Schutz der europäischen BürgerInnen zentral sind. Denn was Unternehmen als lästige Bürokratie darstellen, ist zum Beispiel für VerbraucherInnen und ArbeiterInnen oft sinnvoll und notwendig. Von der verstärkten Einbeziehung von "Interessenträgern" profitieren aber vor allem Unternehmen. Denn diese sind in Brüssel viel präsenter und mit weit mehr Ressourcen ausgestattet als etwa zivilgesellschaftliche Organisationen. Ein Beispiel, das zeigt, wie Unternehmen das Wort vom geringen Verwaltungsaufwand für sich nutzbar machen, ist die Autoindustrie. Ihr gelang es im Rahmen der "besseren Rechtsetzung", europäische Abgastestmethoden durch schwächere globale Standards zu ersetzen. Einer Studie von Friends of the Earth Europe und Corporate Europe Observatory zufolge wurde darüber hinaus erreicht, dass die Zulassungstests nicht zentral und unabhängig erfolgen, sondern dezentral und unter Aufsicht von Instituten, deren Unabhängigkeit fraglich ist. Diese Praxis leistete einen entscheidenden Beitrag zum Dieselskandal.

"One in - one out - principle"

Ursula von der Leyen will diesen Deregulierungsaspekt noch verstärken und hat Maroš Šefčovič in dessen "mission letter" einen besonderen Auftrag erteilt: Für jedes Gesetz, das neu verabschiedet wird, soll ein altes entsorgt werden. In seiner Anhörung vor dem Europäischen Parlament wurde er diesbezüglich auch gefragt, welche 97 alte Gesetze er im Austausch für die 97 neuen Gesetzesvorschläge seiner Chefin denn streichen werde. Šefčovičs Antwort: Die Umwelt- und Sozialstandards der EU wolle er zumindest nicht gefährden. Wir werden ihn hier an seinen Taten messen und im Zweifelsfall an seine Beteuerungen erinnern.

Auch das so genannte "evidence-based lawmaking" (deutsch: evidenzbasierte Gesetzgebung) ist Teil der "besseren Rechtsetzung". Eigentlich ist es selbstverständlich, dass neue Gesetze auf "Evidenz", also belegbaren Fakten beruhen müssen. Dieses Lieblingsschlagwort der Industrie wurde in der Vergangenheit aber immer wieder genutzt, um so genannte "Impact Assessments" einzufordern. Diese Folgenabschätzungen der Industrie listen vor allem befürchtete Kosten für die Unternehmen auf. "Kosten" zulasten der Umwelt oder von VerbraucherInnen stellen ihre Prognosen hingegen nicht in Rechnung. Ein Lichtblick: Immerhin sagte Šefčovič während seiner Anhörung zu, alle Impact Assessments zukünftig in einem Register zu veröffentlichen.

Mehr Unabhängigkeit bei Expertise?

Abgesehen davon wird der neue Kommissar auch für die vielen Beratungsgremien der EU zuständig sein - ein Thema, dem wir uns schon seit Langem widmen. Denn die ExpertInnengruppen der Kommission sind des Öfteren einseitig mit "Fachleuten" aus Industrie und Konzernen besetzt. Hier erhalten sie die Gelegenheit, mit ihrem Fachwissen neue Gesetze schon früh in die richtige Richtung zu lenken. Zwar versicherte Šefčovič, dass man genau auf ihre Interessenerklärungen blicken müsse - bei der Frage, ob er unabhängige Expertise finanziell unterstützen wolle, redete er sich allerdings heraus.

Auch soll Šefčovič die Beziehungen mit dem Parlament stärken und dafür Sorge tragen, dass Gesetzesinitiativen des Parlaments es auch wirklich in die EU-Kommission schaffen. Diesen Aufgaben misst die neue Kommissionspräsidentin in ihren Leitsätzen besonders große Bedeutung bei. Zudem muss er regelmäßig einen Bericht verfassen, in welchen Bereichen Politik, Forschung und digitale Entwicklungen vereint zu Fortschritten für Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt führen können. Ziel dieser Berichte: Bessere Gesetze und eine zukunftsorientierte Politik. Es bleibt abzuwarten, welche gesellschaftlichen Gruppen letztlich davon profitieren werden.

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