Macht der Digitalkonzerne

Koalitionsvertrag: So will die Ampel die Macht der Internetplattformen begrenzen

Die zukünftige Ampel-Koalition macht im Koalitionsvertrag Vorschläge, wie sie die großen Internetplattformen regulieren will. Ein Überblick über die geplanten Maßnahmen.
von 7. Dezember 2021

Die zukünftige Ampel-Koalition macht in ihrem Koalitionsvertrag einige Vorschläge, wie sie die großen Internetplattformen regulieren will. Ob es ihr damit gelingt, die Macht von Facebook, Google, Amazon & Co zu begrenzen ist fraglich, denn an vielen Stellen bleiben die Pläne unkonkret. Für Facebook, Google & Co bleibt mit ihrer großen Lobbymacht viel Spielraum für Verwässerungen. Die Koalition wird noch zeigen müssen, dass sie es ernst meint mit der Begrenzung der Macht der Techkonzerne. Ein kurzer Überblick über die geplanten Maßnahmen im Koalitionsvertrag.

"Ambitionierter Digital Markets Act (DMA)"

  • Die Parteien sprechen sich für einen "ambitionierten Digital Markets Act (DMA) aus, der "nicht hinter bestehende nationale Regeln zurückfallen dürfe. Dazu gehören auch europäisch einheitliche Interoperabilitätsverpflichtungen und Regelungen zur Fusionskontrolle.“
  • Mit dem Digital Markets Act will die EU den Machtmissbrauch durch Facebook, Amazon, Google & Co verhindern. Besonders große Internetplattformen sollen dem DMA zufolge gesonderten Regeln unterliegen und unter Beobachtung stehen. Verstoßen sie gegen die Regeln, drohen Strafen.
  • Die auch von uns geforderte Interoperabilität und eine Stärkung der Fusionskontrolle werden glücklicherweise im Koalitionsvertrag erwähnt. Doch bereits die letzte Bundesregierung ist an der Stärkung der Fusionskontrolle im Rahmen des DMA in den Verhandlungen im Rat, dem Gremium der Mitgliedsstaaten, gescheitert. Was sich die Koalition darüber hinaus unter einem ambitionierten Digital Markets Act vorstellt, bleibt offen.
  • Der mögliche neue Wirtschaftsminister Robert Habeck und der zuständige Staatssekretär Sven Giegold werden hier schnell liefern müssen. Denn die Verhandlungen um den DMA gehen im neuen Jahr bereits in die letzte Runde und könnten noch im ersten Halbjahr 2022 abgeschlossen werden.

„Digital Services Act: starke Nutzerrechte, klare Meldeverfahren, Zugang zu Daten für Forschungszwecke“

  • Der Koalitionsvertrag spricht sich für einen starken Digital Services Act (DSA) aus, die Schwester-Regulierung des Digital Markets Acts. Er soll „die Wahrung der Kommunikationsfreiheiten, starke Nutzerrechte, klare Meldeverfahren, den Zugang zu Daten sehr großer Plattformen für Forschungszwecke, die Überprüfbarkeit ihrer algorithmischen Systeme sowie klare Regelungen gegen Desinformationen“ beinhalten.
  • Keine Erwähnung findet jedoch ein Kernstück des DSA, die Regulierung von personalisierter Onlinewerbung und dem dabei zum Einsatz kommenden Mikrotargeting.
  • Ein Verbot von personalisierter Onlinewerbung, das im Rahmen des DSA derzeit diskutiert wird, würde direkt in das Geschäftsmodell von Facebook und Google eingreifen. Wenn die Unternehmen keine verhaltensbasierten Daten mehr für Werbung nutzen können, fällt ein zentraler Grund weg, diese Daten zu erheben. Weniger Daten bedeutet gleichzeitig auch weniger Missbrauchspotential.
  • Besonders im Wahlkampf hebelt die gezielte Ansprache das für demokratische Wahlen wichtige Prinzip der Öffentlichkeit aus. Nötig wäre daher eine deutliche Einschränkung der Kriterien, nach denen einzelne Personen gezielt angesprochen werden können.

Konzerne aufbrechen: "Missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit auf europäischer Ebene"

  • Die Ampel-Parteien wollen sich für eine "missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit auf europäischer Ebene" einsetzen.
  • Mit diesem Instrument könnten Kartell- und Regulierungsbehörden Konzerne ohne den Nachweis eines Missbrauchs entflechten. Wenn eine große strukturelle Abhängigkeit von einem Konzern besteht und dieser derart marktmächtig ist, dass dies schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft hat, wäre das ein hilfreiches Instrument. Die Ampel beschränkt sich hier jedoch auf die europäische Ebene.
  • Die Formulierung im Koalitionsvertrag bezieht sich möglicherweise auf das sogenannte Neue Wettbewerbsinstrument (New Competition Tool), das ursprünglich im Rahmen des DMA angedacht war. Möglich wäre auch, dass damit eine grundlegende Überarbeitung des europäischen Kartellrechts angestoßen werden soll. Bei beiden Prozessen ist eine Umsetzung schwierig. Bei einer Überarbeitung des Kartellrechts etwa wäre Einstimmigkeit im Rat notwendig. D. h. ein einzelnes Land könnte ein neues Gesetz verhindern. Dennoch ist es gut, das Thema auf die Agenda zu setzen.

„Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) weiterentwickeln“

  • Laut Koalitionsvertrag soll das Kartellamt gestärkt und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) weiterentwickelt werden.
  • Das GWB ist die Arbeitsgrundlage des Kartellamtes. Es wurde Anfang 2021 überarbeitet und macht jetzt ein frühzeitiges Eingreifen bei Internetplattformen möglich. Ob die Überarbeitung die gewünschte Wirkung erzielt, ist noch offen.
  • Eine Weiterentwicklung des GWB könnte ein wichtiger Schritt zur Begrenzung von Konzernmacht sein. Dazu sollte die Bundesregierung neue Impulse aus der internationalen politischen und wissenschaftlichen Diskussion um Marktkonzentration und Konzernmacht aufgreifen. Bei der Überarbeitung sollten verschiedene gesellschaftliche und wissenschaftliche Stimmen beteiligt werden.

„Entwicklungsaufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt“

  • Die Bevorzugung von Open-Source-Software bei öffentlichen Aufträgen könnte ebenfalls Einfluss auf die Macht der Digitalkonzerne haben, in diesem Fal insbesondere Microsoft . Hier bleibt zu hoffen, dass dies auch konsequent umgesetzt wird.
  • Bei konsequenter Umsetzung könnte die Ampel-Koalition mit Bevorzugung von Open-Source-Software die Abhängigkeit von Microsoft & Co reduzieren und hier eine grundlegende Schieflage beseitigen.
  • Die Aufgabe der Umsetzung liegt voraussichtlich bei Verkehr- und Digitalminister Wissing von der FDP. Wir werden genau hinschauen, ob er die Abhängigkeit von Microsoft und anderen Digitalkonzernen reduzieren wird.

Deutschland sollte in den weiteren DMA-Verhandlungen Farbe bekennen

Die Pläne der neuen Ampel-Koalition gehen in die richtige Richtung und könnten, wie etwa bei einem ambitionierten Digital Markets Act oder der Bevorzugung von Open Source, die Macht der Digitalkonzerne begrenzen. Vieles bleibet jedoch leider weitgehend unkonkret.

Wie ernst es die neue Regierung mit der Einschränkung der Macht von Facebook, Google, Amazon & Co meint, werden schon die nächsten Monate zeigen. Denn der Digital Markets Act, mit dem der Machtmissbrauch der großen Internetplattformen beschränkt werden soll, befindet sich auf der Zielgeraden. Nachdem sich das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten auf ihre Verhandlungsposition geeinigt haben, stehen jetzt die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen den drei EU-Institutionen an.

Doch während sich der Binnenmarkt-Ausschuss im EU-Parlament für eine deutliche Verschärfung der Regeln ausgesprochen hat, bleibt die Einigung im Rat dahinter zurück. Deutschland muss daher in den weiteren Verhandlungen um den Digital Markets Act Farbe bekennen, und sich für einen ambitionierten DMA einsetzen, der nicht wieder hinter die Forderungen des Parlaments zurückfällt. Dazu gehören insbesondere umfassende Interoperabilität, eine starke Fusionskontrolle und die Grundlagen für eine effektive Durchsetzung der Regeln. Die Ampel-Koalition sollte diese Gelegenheit, Facebook, Google, Amazon in die Schranken zu weisen, nicht ungenutzt lassen.

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