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Lobbyismus an Schulen

Gericht stärkt Kampf gegen Lobbyismus an Schulen

Seit vielen Jahren haben wir immer wieder besonders problematische Aktivitäten von Unternehmen an Schulen als Lobbyismus an Schulen und deep lobbying bezeichnet. Dass diese Begriffe in dem Zusammenhang zulässig sind, hat eine Richterin in Wiesbaden Ende Februar entschieden.
von 10. Mai 2021

Seit vielen Jahren weisen wir immer wieder auf besonders problematische Aktivitäten von Unternehmen an Schulen hin und bezeichnen diese als Lobbyismus an Schulen und deep lobbying. Deep lobbying zielt darauf ab, mit langfristigen Strategien die Einstellungen, Stimmung und Diskurse in der Bevölkerung und der politischen Elite zu beeinflussen und in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Marco Stirn/LobbyControl -
Für ein starkes Werbeverbot an Schulen. LobbyControl-Aktion vor dem Hessischen Landtag 2017.

Dass diese Begriffe in dem Zusammenhang zulässig sind, hat eine Richterin in Wiesbaden Ende Februar entschieden. Damit wurde die Klage gegen einen Lehrer abgewiesen. Dieser hatte in der Vergangenheit wiederholt ein Schulbuch des Vereins NFTE (Network for Teaching Entrepreneurship) Deutschland e.V. als unzulässige Einflussnahme kritisiert. Der Verein und Herausgeber des Schulbuchs hatte dagegen geklagt.

Mit dem Urteil stärkt die Richterin den Kampf gegen Lobbyismus an Schulen. Denn die Unternehmen versuchen bei ihren Schulaktivitäten geschickt zu verschleiern, dass es dabei auch um Einflussnahme und Imageförderung geht. Daher wehren sie sich gegen unsere Kritik. Dabei sind solche Aktivitäten oft Teil einer umfassenden Lobbystrategie.

Ein anschauliches Beispiel aus einer anderen Branche sind die Materialien des Vereins information.medien.agrar e.V, hinter dem Organisationen der deutschen Landwirtschaft stehen. Die Unterrichtsmaterialien werden etwa in Zusammenarbeit mit Lobbyorganisationen wie dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft ZDG herausgegeben. Gesellschaftlich kontroverse Diskussionen werden dabei ausgegrenzt und die Darstellung entspricht den Interessen der Herausgeber. Das erschwert eine kritische Auseinandersetzung.

"Die Beeinflussung kann nicht ernsthaft in Frage stehen"

Der Verein NFTE wollte dem Wiesbadener Lehrer gerichtlich die Aussagen verbieten lassen, der Verein betreibe Lobbyismus an Schulen und deep lobbying, da es sich um eine persönliche Diffamierung des Klägers in Form von Schmähkritik handele. Dem hat die Richterin eine klare Absage erteilt. In dem Urteil heißt es u. a.:

Zur Bewertung der Einflussnahme: „Das positive Bild, das der Kläger in seinem Buch von den Möglichkeiten der Wirtschaft zeichnet, wird unterlegt mit Beispielen erfolgreicher Unternehmen (und den dazugehörigen Firmenlogos). Dass hierdurch die Schüler beeinflusst werden sollen in ihrer Wahrnehmung der Wirtschaft, kann nicht ernsthaft in Frage stehen. Nichts anderes aber bezeichnet das Wort 'Lobbyismus'“

Zur Kritik an Lobbyismus an Schulen: Lobbyismus sei an sich legitim. „Kritisch zu hinterfragen ist Lobbyismus allerdings, wenn er an Schulen betrieben wird, da hierdurch Schüler, die vielleicht noch nicht die Reflexionsfähigkeit eines Erwachsenen besitzen, leicht beeinflusst werden können.“

Zur Definition von deep lobbying: „Auch die Verwendung des Begriffes „Deep lobbying“ erscheint in diesem Zusammenhang angebracht zu sein. Das Gericht versteht „deep lobbying“ als eine Erscheinungsform des Lobbyismus, die durch eine langfristige Einflussnahme auf die Beeinflussung von Einstellungen in der Gesellschaft abzielt. Durch das Schülerbuch will der Kläger eine positive Einstellung der Schüler zur Wirtschaft erreichen. Diese Grundsteinlegung im jungen Alter kann die Einstellung der Schüler für die Zukunft nachhaltig beeinflussen.“

Zur Relevanz der Debatte: „Die Diskussion eines Themas wie Lobbyismus an Schulen und Beeinflussung von Schülern ist für große Teile der Bevölkerung von erheblicher Bedeutung. In einer solchen Diskussion darf Kritik auch in überspitzter und abwertender Weise angebracht werden. Diese Kritik muss der Kläger auch hinnehmen, wenn er sie auch für ungerechtfertigt, haltlos oder einseitig hält.“

Zur Rolle des Lehrers: „Als Lehrer ist er auch dazu berufen, auf in seinen Augen unzulässige Einflussnahme an Schulen aufmerksam zu machen, da ihm insoweit ein Schutzauftrag zugunsten der Schüler übertragen wurde. Die Äußerungen des Beklagten dienen mithin einem Informationsinteresse der Allgemeinheit.“

Was tun gegen Lobbyismus an Schulen?

Unternehmen und Verbände drängen in die Schulen und werben für ihre Interessen und Produkte. Spezialisierte Agenturen bieten die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen und Werbung im Schulumfeld als Dienstleistung an.

  • Umso wichtiger ist es, dass sich kritische Lehrer*innen dieser Einflussnahme in den Weg stellen und sich dabei auch nicht durch Gerichtsverfahren einschüchtern lassen.

Die Verantwortung sehen wir jedoch bei den zuständigen Bildungsministerien. Diese müssen klare Regeln vorgeben, damit es zu keiner Einflussnahme kommt.

  • Wir fordern hier etwa ein umfassendes Werbeverbot an Schulen, eine Monitoringstelle für Unterrichtsmaterialien und höhere Transparenzpflichten.

Was LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen gegen Lobbyismus an Schulen unternehmen können und wie die Politik konkret handeln sollte, haben wir in einer Broschüre veröffentlicht.

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