Lobbyismus in der EU

Neue Studie: Wie die Bundesregierung Konzerninteressen in Brüssel durchdrückt

Bislang zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit, gleichwohl sehr bedeutsam: Über die nationalen Regierungen der EU-Staaten nehmen Konzernlobbyisten massiv Einfluss auf die europäische Gesetzgebung. Das arbeitet eine neue Studie unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory unter anderem für den Fall der deutschen Autoindustrie gut heraus.
von 8. Februar 2019

Bislang zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit, gleichwohl sehr bedeutsam: Über die nationalen Regierungen der EU-Staaten nehmen Konzernlobbyisten massiv Einfluss auf die europäische Gesetzgebung. Das arbeitet eine neue Studie unserer Partnerorganisation Corporate Europe Observatory unter anderem für den Fall der deutschen Autoindustrie gut heraus. VW, Daimler und Co haben die Bundesregierung für sich und ihre Interessen bei CO2-Emissionen vereinnahmt.

Hinzu kommt: Während EU-Parlament und Kommission wichtige Schritte in Sachen Lobbytransparenz vorangehen, blockiert und verweigert sich der Rat, das Gremium der Mitgliedstaaten, diesem Trend ziemlich hartnäckig. Ein politischer Skandal, zumal die nationalen Regierungen die Schuld für unpopuläre EU-Entscheidungen oftmals auf Brüssel schieben, obwohl sie selbst wesentlich daran beteiligt waren. Die Intransparenz des Rates begünstigt die Durchsetzung einer einseitig an Industrieinteressen ausgerichteten Politik in Brüssel.

Studie im Überblick: Die wichtigsten deutschen Fälle

Neben der Autoindustrie gibt es weitere Fälle, in denen die Bundesregierung gewissermaßen als Sprachrohr deutscher Konzerne in Brüssel auftritt und so wichtige Reformen blockiert. Bei der Eprivacy-Richtlinie etwa verteidigt die Bundesregierung die Interessen deutscher Verleger, Werbeunternehmen und Internetplattformen und verhindert bislang einen umfassenderen europäischen Datenschutz zugunsten von Bürgerinnnen und Bürgern.

Ähnliches gilt für die Debatte um die Wiederzulassung des Ackergifts Glyphosat, bei der Teile der Bundesregierung zugunsten von Bayer, dem größten Hersteller des Breitband-Herbizids, direkt zugunsten der Wiederzulassung intervenierten und Bayer somit Schützenhilfe leisteten.

Und dann ist da noch Nordstream 2: In der Arbeitsgruppe „Energie“ des EU-Ministerrats blockiert Deutschland mit Unterstützung einiger anderer Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, einen Änderungsvorschlag zur Erdgasrichtlinie. Die Kommission hatte diese Änderung 2017 in dem Versuch vorgeschlagen, den Bau von Nord Stream 2 zu verhindern. Diese Erdgas-Pipeline zwischen Russland und Deutschland würde die derzeitige Erdgas-Transit-Route über die Ukraine umgehen. Dass Deutschland und Österreich sich so vehement für Nord Stream 2 einsetzen, hängt nicht nur mit der Beteiligung von Uniper, Wintershall und OMV zusammen, sondern auch mit den engen Verbindungen zwischen dem russischen Energieriesen Gazprom –Haupteigentümer von Nord Stream 2 – und der deutschen Politik.

Günther Oettinger umgibt sich gerne mit Konzernvertretern. Foto: Olaf Kosinsky/ CC BY-SA 3.0 von Olaf Kosinsky Creative Commons Lizenzlogo

Der Fall Oettinger

Doch nicht nur die Bundesregierung verteidigt die Interessen deutscher Konzerne in Brüssel. Auch der deutsche EU-Kommissar Oettinger trifft sich überraschend häufig mit Vertretern deutscher Unternehmen. Seit er 2018 Haushaltskommissar wurde, traf er in mehr als 50 Prozent der Fälle deutsche Lobbyisten. Dass er sich die Interessen deutscher Unternehmen stets gut anhört, zeigen auch seine jährlichen Zusammenkünfte im österreichischen Lech, eine Art von Mini-Davos veranstaltet von Oettinger. Dabei sollten EU-Kommissare eigentlich explizit nicht nationale Interessen in Brüssel vertreten, sondern sich für gesamteuropäische Anliegen einsetzen.

Weitere Fälle von Einfluss über nationale Regierungen

Auch andere Regierungen agieren als Lobbyisten ihrer heimischen Konzerne. Fallstudien liefert die neue Studie von Corporate Europe Observatory unter anderem auch zu Großbritanniens Bemühungen um die Interessen der Finanzlobby und Spaniens Einsatz für den regierungsnahen Telekommunikationskonzern Telefónica. So kassieren Staaten in Namen ihrer Industrie oftmals heimlich Gesetzesinitiativen, die dem Allgemeinwohl dienen würden.

Mehr Transparenz überfällig – gerade auch in Deutschland

Eines zeigen all diese Fälle: Gerade die Regierungen der EU müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, schlecht abzuschneiden, wenn es um die Transparenz und Ausgewogenheit ihrer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse geht. Zum einen handeln die Mitgliedstaaten in Form des Rates mit Abstand am intransparentesten in Brüssel. Zum anderen fehlen oftmals nationale Regelungen für Lobbytransparenz in den Mitgliedstaaten selbst. Gerade in Deutschland ist ein verpflichtendes Lobbyregister überfällig, damit wir mehr darüber wissen, wer wie Einfluss auf die Politik nimmt. Andere Mitgliedstaaten wie Irland und Frankreich sind da deutlich weiter.

LobbyControl hat bereits einen Gesetzesentwurf für ein Lobbyregister in Deutschland vorgelegt und Vorschläge für eine Legislative Fußspur gemacht. Die Umsetzung dieser Forderungen würde dazu beitragen, dass auch Entscheidungen auf EU-Ebene künftig transparenter und damit auch ausgewogener ausfallen. Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, klare Regeln und Schranken für Lobbyisten über alle politischen Ebenen hinweg zu denken.

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