Bankenverband/ Gregor Fischer - CC-BY 2.0
Aus der Lobbywelt

Comeback in die Politik: Wer ist Friedrich Merz?

Friedrich Merz ist zurück. Doch wer genau ist dieser Mann, der den Älteren noch als Merkel-Konkurrent und Bierdeckel-Steuererklärer bekannt sein dürfte? Und was hat er seit seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik eigentlich gemacht?
von 3. November 2018

Er ist zurück. Kurz nachdem Angela Merkel am Montag nach der Hessen-Wahl ankündigte, nicht wieder für den CDU-Vorsitz kandidieren zu wollen, reagierte Merz sofort: Nur weniger Minuten später meldete die "Bild" exklusiv, der ehemalige Politiker und heutige Multifunktionär und Lobbyist Friedrich Merz wolle Merkel als CDU-Vorsitzende beerben.

Doch wer genau ist dieser Friedrich Merz, der den Älteren noch als Merkel-Konkurrent und Bierdeckel-Steuererklärer bekannt sein dürfte? Und was hat er seit seinem endgültigen Ausscheiden aus der aktiven Politik gemacht? Einen Hinweis darauf könnte die ebenfalls schnelle Reaktion der Börse geben, wo an eben jenem Montag die Kurse kräftig anzogen. Investoren börsennotierter Unternehmen scheinen sich von einem möglichen CDU-Vorsitzenden und damit auch potentiellem Kanzerkandidaten Merz einiges zu versprechen.

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Friedrich Merz auf dem Bankentag 2017. Bild: Gregor Fischer/Flickr.com. Lizenz: CC-BY-2.0. Bildausschnitt.

Lobbyist für Blackrock

Merz steht für einen klaren wirtschaftsliberalen Kurs. Zugleich ist er lange raus aus der aktiven Politk. Aber mit Politik hatte er auch in den vergangenen Jahren durchaus zu tun - vertritt der Mann doch die Interessen des größten Einzelaktionärs der Unternehmen an der deutschen Börse: Blackrock. Merz ist seit 2016 Aufsichtsratschef von Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, der an allen Unternehmen des Deutschen Aktienindex DAX erhebliche Anteile hält. Das ist zwar nur eine der vielen Tätigkeiten und Ämter von Friedrich Merz - dazu später mehr - aber mit Sicherheit eine der herausragendsten. Merz ist nämlich nicht nur Aufsichtsrat dieses Geldriesen, sondern auch explizit dessen Lobbyist.

Als er im Frühjahr 2016 von Blackrock angeheuert wurde, teilte das Unternehmen mit, Merz solle nicht nur Aufsichtsrat sein, sondern eine "weiter gefasste Beraterrolle einnehmen, in der er die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regulierungsbehörden in Deutschland für Blackrock fördern wird".  Eine klarer Lobbyauftrag also. Merz vertritt somit seit fast drei Jahren die Interessen von Blackrock, der "unbekannten Finanzmacht" (Süddeutsche Zeitung). Was also macht Blackrock genau und welche Fragen ergeben sich daraus mit Blick auf Interessenkonflikte für einen möglichen CDU-Chef Merz?

Blackrock - Ein Finanzkonzern der Superlative

Der Name Blackrock ist in Deutschland immer noch weitgehend unbekannt. Dabei handelt es sich um einen Finanzkonzern der Superlative. Als weltgrößter Vermögensverwalter ist Blackrock an rund 17.000 Unternehmen weltweit beteiligt, wird auf Grund seines Einflusses auf ganze Wirtschaftsbranchen inzwischen von Wettbewerbshütern kritisch beäugt und steht mit vielen Regierungen und politischen Institutionen auf der ganzen Welt in engem Kontakt.

Blackrocks Aufstieg und enormes Wachstum in den letzten Jahren ist eng mit den Ereignissen der Finanzkrise 2008 verbunden. Die damals noch kleine Fondgesellschaft stand in der Folge der Krise in engem Austausch mit der US-Regierung und der US-Notenbank.  Sehr aufschlussreich zur ökonomischen und auch politischen Macht von Blackrock sind die Recherchen der Investigativgruppe "Investigate Europe". Harald Schumann und Elisa Simantke haben im Tagesspiegel Blackrock unter dem Titel "Ein Geldkonzern auf dem Weg zur globalen Vorherrschaft" gründlich durchleuchtet.

Blackrock verwaltet inzwischen ein Vermögen von sagenhaften 6,44 Billionen US-Dollar, das sind 6.440 Milliarden. Besonders erfolgreich war und ist Blackrock dabei mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs), die inzwischen auch von vielen Kleinanlegern auch in Deutschland genutzt werden. Mit dem Erfolg von Blackrock geht eine ökonomische Macht einher, die inzwischen Wettbewerbshütern und auch manchen Politikern Sorgenfalten auf die Stirn treiben. "Die schiere Größe von Blackrock erzeugt eine Marktmacht, die kein Staat mehr kontrollieren kann", zitiert der Tagesspiegel den FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Theurer. Durch die signifikante Beteiligung an vielen Unternehmen derselben Branche, werde der Wettbewerb ausgehebelt, da Blackrock keine Interesse an wachsenden Martkanteilen eines Unternehmens zu Lasten eines anderen habe. Für einen Investor wie Blackrock wäre das ein Nullsummenspiel. Kunden würden dadurch im Zweifel höhere Preise zahlen, so die Befürchtung von Ökonomen.

Politische Macht von Blackrock

Es erscheint also durchaus auch aus marktwirtschaftlicher Sicht unter Wettbewerbsgesichtspunkten geboten, der Marktmacht von Blackrock etwas entgegenzusetzen. Blackrock würde sich gegen mehr und strengere Regulierung wohl wehren - und hier stellt sich die Frage, wie glaubwürdig ein Friedrich Merz im Falle einer Wahl und möglichen Kanzlerschaft gesamtgesellschaftliche Anliegen gegenüber seinen früheren Arbeitgebern vertreten kann.

Aber nicht nur bei Regulierungsfragen -  zu denen Merz laut Blackrock explizit arbeiten sollte - sondern auch bei Themen wie einer Ausweitung der privaten Altersvorsorge hat Blackrock ein klares Interesse. Im Gespräch ist etwa eine private Altersvorsorge auf EU-Ebene. Während in Deutschland auf Grund fehlender Transparenzregeln keine Daten zur Lobbyarbeit von Blackrock verfügbar sind, ergibt eine schnelle Recherche über unser Portal lobbyfacts.eu, dass Blackrock intensiven Kontakt zu den EU-Institutionen pflegt und rund 1,5 Mio. Euro jährlich in die Lobbyarbeit investiert.

Merz' Sorge um die Demokratie

Merz muss bei einer Rückkehr in die Politik klarmachen, dass er gewillt ist, im Zweifel auch gegen die Interessen von Blackrock Politik im Sinne des Gemeinwohls durchzusetzen. Dass er seine Posten in Aufsichtsräten im Falle seiner Wahl niederlegen möchte, ist daher richtig, aber nicht hinreichend. Wir erwarten, dass Merz im Umgang mit seinen früheren Arbeitgebern besonders transparent und sensibel für Interessenkonflikte agiert. Denn Merz begründet seinen Rückkehrwillen selbst mit seiner Sorge um die Demokratie und Spaltung der Gesellschaft. Er sorge sich, dass die Menschen sich aus Frust über die etablierten Parteien "populistischen Bewegungen" anschließen.

Zu diesem Frust gehört aber eben auch, dass viele Menschen sich über den zu großen Einfluss finanzstarker Einzelinteressen zu Lasten der Allgemeinheit sorgen -  siehe den Protest gegen industriedominierte Handelsabkommen wie TTIP, die Empörung über den Dieselskandal oder die nach wie vor ungenügende Regulierung des Finanzsektors in Folge der Krise von 2008.

Fragen an den Kandidaten

Zu Lasten der Allgemeinheit ging auch der "größte Steuerraub in der deutschen Geschichte" (Die Zeit). Der Cum/Ex-Skandal ist auch ein Lobbyskandal, mehr dazu im Lobbyreport 2017. Pikant ist, dass es auch hier Bezüge zu Merz' Tätigkeit im Finanzsektor gibt: So saß er im Aufsichtsrat des deutschen Ablegers der britischen Bank HSBC, gegen die die Staatsanwaltschaft Düsseldorf 2016 Ermittlungen im Zusammenhang mit Cum/Ex aufnahm. Auf kritische Nachfragen dazu reagiert Merz gestern mit der Äußerung, er habe derartige Geschäfte "schon immer verurteilt". Das ist begrüßenswert, aber wenn Merz nun in die politische Arena zurückkehren möchte, muss er sich weitere Fragen zu diesem Skandal gefallen lassen. Zum Beispiel, was er davon hält, dass ausgerechnet die Anwaltskanzlei Mayer Brown, bei der Merz arbeitet, Beratung für von "wachsenden rechtlichen Risiken" betroffene Mandanten im Zusammenhang mit Cum/Ex anbietet und ob er auch selbst Mandanten in dieser Hinsicht beraten oder vertreten hat.

Zusammengefasst halten wir es als LobbyControl so: Eine Rückkehr in die Politik sollte für jeden, auch für einen Friedrich Merz, möglich sein. Doch zugleich muss Merz nun strengen Maßstäben folgen, was Transparenz und den Umgang mit Interessenkonflikten angeht. Er muss Fragen beantworten und demonstrieren, dass er seinen bisherigen Arbeitgebern keine Vorzugsbehandlung einräumt. Denn die Menschen in diesem Land wünschen sich nicht nur jemanden mit Sachverstand, sondern auch jemanden, der glaubwürdig das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft durchsetzen kann und sich im Zweifel auch mit mächtigen Akteuren wie Blackrock im Sinne des Gemeinwohls auseinandersetzt. Ob Merz in dieser Hinsicht glaubwürdig ist, dürften sich sicherlich auch viele CDU-Mitglieder fragen. Es erscheint durchaus fragwürdig, ob Merz mit seiner Vita als Finanzlobbyist der geeignete Kandidat ist, um einer wachsenden Entfremdung zwischen den Menschen und der Politik zu begegnen. Oder wie es der Finanzexperte Gerhard Schick im aktuellen Spiegel formuliert: "Merz ist der Kandidat der Finanzindustrie, die CDU muss sich gut überlegen, ob sie dieses Signal an die Wähler senden möchte."

Weitere Informationen in der Lobbypedia:

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