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Aserbaidschan-Affäre: Sonderermittler des Europarats belasten CDU-Abgeordnete schwer

Der Untersuchungsbericht des Europarats zu Korruptionsvorwürfen und den Einflussversuchen Aserbaidschans kommt zu dem Schluss, dass die CDU-Abgeordnete Karin Strenz die Verhaltensregeln verletzt hat und nicht korrekt mit ihrem Interessenkonflikt umgegangen ist. Strenz hatte sich einer mündlichen Befragung verweigert. Die Korruptionsvorwürfe und viele Fragen bleiben offen. Ein Zwischenfazit.
von 27. April 2018

Mit viel Geld und einem dichten Lobbynetzwerk soll sich Aserbaidschan im Europarat ein positives Image erkauft haben. Am Sonntag veröffentlichte der Europarat seinen Untersuchungsbericht zu den Korruptionsvorwürfen und Einflussversuchen des autoritären Regimes, das gerne Erdgas im großen Stil nach Europa liefern möchte. Die Sonderermittler kommen zu dem Schluss, dass die CDU-Abgeordnete Karin Strenz die Verhaltensregeln verletzt hat und nicht korrekt mit ihrem Interessenkonflikt umgegangen ist. Strenz hatte Gelder von dem Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner (CSU) erhalten und dies nicht angegeben.

Aserbaidschan war einer der ersten Erdölproduzenten der Welt. Heute wecken vor allem die Erdgasvorkommen Begehrlichkeiten. So bewilligte die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) erst im Oktober 2017 einen 500 Millionen Dollar-Kredit für das Pipelineprojekt „Südlicher Gaskorridor“, mit dem Gas aus der Kaukasusrepublik nach Europa strömen soll. Im März gab die Bundesregierung bekannt, dieses 40-Milliarden-Dollar-Projekt mit einer Kreditgarantie in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar abzusichern.

Gleichzeitig hat Aserbaidschan ein Image-Problem. Das autoritäre Regime von Präsident Alijew in Baku ist für seine Menschenrechtsverletzungen bekannt. Regimekritiker werden mundtot gemacht und eingesperrt, die Opposition behindert.

Korruptionsvorwürfe im Europarat

Für solche Fälle ist eigentlich der Europarat zuständig: er soll über Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa wachen (über die EU hinaus, er ist keine EU-Einrichtung). Im Fall Aserbaidschan fiel auf, wie kritische Berichte im Europarat ausgebremst wurden. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Informationen öffentlich, dass dahinter ein großes Lobbynetzwerk Aserbaidschans stand. Mit Geschenken und Geldzahlungen an Europarats-Abgeordnete und Diplomaten wollte sich das Regime eine weiße Weste erkaufen.

Daraufhin setzte der Europarat drei Sonderermittler an, die die Korruptionsvorwürfe untersuchen sollten. Letzte Woche legten sie ihren Bericht vor. Er geht auch auf die CDU-Abgeordnete Karin Strenz ein, die mehrfach als Unterstützerin des aserbaidschanischen Regimes auffiel. Strenz hatte Gelder von dem Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner (CSU) erhalten und diesen Interessenkonflikt nicht korrekt angegeben.

Fragwürdige Nähe: Karin Strenz und Aserbaidschans Präsident Alijew. Screenshot: Report Mainz/ ARD von Screenshot www.azertag.az

Für LobbControl ist klar: Durch die Verletzung der Verhaltensregeln, den unsauberen Umgang mit Interessenkonflikten und ihre Täuschungsmanöver hat Frau Strenz ihre Glaubwürdigkeit als Bundestagsabgeordnete verspielt. Noch vor der Bundestagswahl hatte sie behauptet, sie sei „allen rechtlichen Transparenzanforderungen“ nachgekommen. Dies stellte sich im Nachhinein als Wählertäuschung heraus. Sie sollte daher von ihrem Mandat zurücktreten.

Mangelnde Kooperation von Frau Strenz mit Untersuchungsgremium

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Karin Strenz einer mündlichen Befragung durch die Sonderermittler entzogen hat. Frau Strenz begründet das öffentlich mit ihrer Krankschreibung. Laut Europarat-Bericht trifft dies aber nur für Oktober 2017 zu. Frau Strenz hat dann im November 2017 eine schriftliche Stellungnahme für das Untersuchungsgremium abgegeben. Doch das reichte den Sonderermittlern nicht. Sie fragten Frau Strenz ein zweites Mal um eine mündliche Befragung.

Im Januar 2018 verweigerte sich Frau Strenz einer erneuten Einladung mit Verweis auf ihre parlamentarischen Verpflichtungen. Zu dieser Zeit arbeitete der Bundestag wegen der verzögerten Regierungsbildung noch gar nicht voll. Es gab nur den Hauptausschuss, in dem Strenz nicht Mitglied war. Die Begründung für ihre erneute Absage ist somit unglaubwürdig.

Auch die schriftliche Erklärung von Frau Strenz von November 2017 kann nicht als Versuch einer umfassenden Aufklärung verstanden werden. Die Stellungnahme ist lückenhaft und lässt wichtige Aspekte unter den Tisch fallen:

  • Auffällig ist, dass die Erkärung nichts zur Extent GmbH sagt. Diese Firma hatte sie mit einer Mitarbeiterin des Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner gegründet. Auch hier wäre zu klären, welche Verbindung es zwischen der Firma und den politischen Aktivitäten von Frau Strenz gab.
  • Die Liste der Aktivitäten von Frau Strenz mit Aserbaidschan-Bezug ist unvollständig. So fehlt etwa eine Reise von Frau Strenz mit einer Unternehmerdelegation des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft nach Aserbaidschan (Sept. 2014, kurz vor der ersten Honorarzahlung der Line M-Trade).
  • Frau Strenz verschwieg in der Stellungnahme auch, dass sie ihre Tätigkeit für die Firma Line M-Trade von Eduard Lintner zu spät beim Bundestag gemeldet hat (siehe dazu unsere Pressemitteilung von November).

Die gesamte Erklärung erweckte den Eindruck, dass Frau Strenz in zentralen Fragen die Aufklärung verweigert. Eine schriftliche Stellungnahme ist kein Ersatz für eine Befragung. Das gilt auch, wenn Frau Strenz auf Nachfragen der Sonderermittler nochmals schriftlich antwortet. Wir haben Frau Strenz gebeten, uns auch diese Antworten zur Verfügung zu stellen. Auf diese Anfrage haben wir bislang keine Antwort bekommen.

Aufarbeitung der deutschen Aserbaidschan-Connection unzureichend

Da sich sowohl Strenz als auch Eduard Lintner einer mündlichen Befragung verweigerten, konnten die Sonderermittler den Korruptionsskandal nicht vollständig ausleuchten. Gerade die deutschen Aserbaidschan-Verflechtungen müssen weiter untersucht werden.

In Italien gab es polizeiliche Ermittlungen rund um den italienischen Abgeordneten Luca Volontè. Das führt dazu, dass der Bericht des Europarats die Vorgänge rund um Volontè genauer analysieren konnte. Für ihn stellt die Untersuchungskommission fest, dass es ernsthafte Gründe für die Annahme korrupter Handlungen gibt.

Frau Strenz stuft der Untersuchungsbericht nicht in diese Gruppe ein, bei denen ernsthafte Gründe für die Annahme korrupter Handlungen vorliegen. Umgekehrt ist es aber verkürzt anzunehmen, dass Frau Strenz damit vom Vorwurf der Korruption entlastet sei. Bis heute existieren unterschiedliche Versionen von Frau Strenz und Herrn Lintner über den angeblichen Beraterauftrag von Frau Strenz für Lintners Firma Line M-Trade. Doch die Ermittler konnten Strenz und Lintner gar nicht befragen, ihnen fehlten echte Ermittlungskompetenzen und für Deutschland gab es keine polizeilichen Erkenntnisse. So bleibt vieles offen. Die Firma Extent GmbH, die Frau Strenz in ihrer Stellungnahme verschwieg, taucht in dem Bericht gar nicht auf (zu weiteren offenen Fragen bei Frau Strenz siehe auch den LobbyControl-Artikel von Januar 2018)

Unwillige Unionsfraktion – Konsequenzen dürfen nicht ausbleiben

Die Autoren machen selbst in ihren Schlussbemerkungen deutlich: Der Europarat sei davon abhängig, dass die Parlamente der Mitgliedsstaaten ihn im Kampf gegen Korruption unterstützen. Wenn es ernsthafte Bedenken wegen des Verhaltens einzelner Abgeordneter gebe, müssten die nationalen Parlamente diesen Vorwürfen nachgehen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Das hat der Europarat gestern in einer Resolution bekräftigt und von den nationalen Parlamenten eine Antwort auf den Bericht bis Ende des Jahres erbeten. Dies ist eine klare Aufforderung an den Bundestag und insbesondere die CDU/CSU-Fraktion, dem Fehlverhalten von Frau Strenz Taten folgen zu lassen und die Aufklärung weiter zu treiben.

Aber genau das passiert nicht. Die CDU/ CSU-Fraktion äußerte „Bedauern“ über das Fehlverhalten von Frau Strenz, lehnt weitergehende Konsequenzen aber offensichtlich ab. Das ist nicht akzeptabel. Union und Strenz haben den Ernst der Lage offensichtlich nicht begriffen.

Wenn CDU und CSU jetzt versuchen, den unvollständig aufgearbeiteten Fall zu den Akten zu legen, vermitteln sie das Bild, dass in Deutschland bei intransparenter Lobbyarbeit durch fragwürdige Regimen, dubiosen Honorare an Abgeordnete und der Verletzung von Verhaltensregeln nicht so genau hingeschaut wird. Das wäre genau das falsche Signal. Der Bericht muss im deutschen Bundestag debattiert und weiter verfolgt werden. Außerdem braucht der Fall rechtliche Konsequenzen wie ein verpflichtendes Lobbyregister, um weiteren Skandalen vorzubeugen.

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