Pressemitteilung

Auswertung des Lobbyregisters zeigt Übermacht der Wirtschaftslobby

Eine Auswertung des Lobbyregisters zeigt, wie mächtig die Wirtschaftslobby im Vergleich zu anderen Akteuren ist. LobbyControl befürchtet, dass dieses Ungleichgewicht auch die aktuellen Koalitionsverhandlungen zugunsten wirtschaftlicher Interessen verzerren könnte.

von 19. März 2025

Die wichtigsten Auswertungsergebnisse im Überblick:

  • Unter den 100 Lobbyakteuren mit den größten Lobbyausgaben sind nur sieben zivilgesellschaftliche Organisationen im weiteren Sinne. Das sind: Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, das Deutsche Rote Kreuz, die Caritas und der ADAC. Mit Campact, Greenpeace und dem Deutschen Naturschutzbund sind es nur drei NGOs im engeren Sinne.
  • Zu der größten Gruppe zählen Akteure aus der Wirtschaft mit einem Anteil von 81 unter den insgesamt 100 größten Lobbyakteuren. Das sind Wirtschafts- und Berufsverbände und Unternehmen. Die Verbände mit den größten Lobbyausgaben sind der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), der Verband der Chemischen Industrie (VCI) und der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Die Unternehmen mit den größten Lobbyausgaben sind Deutsche Lufthansa, BASF und EnBW. Huawei ist das ausländische Unternehmen mit den größten Lobbyausgaben.
  • Zur Gruppe der Sonstigen zählen Think Tanks, Wissenschaft, gesetzliche Krankenkassen, Kammern und Behörden. Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen müssen sich nicht in das Lobbyregister eintragen. Das ist eine Leerstelle, die LobbyControl immer wieder kritisiert.
  • Die 20 größten Akteure aus der Wirtschaft geben rund 15-mal so viel für ihre Lobbyarbeit aus wie die 20 größten Umwelt-, Natur- und Tierschutzverbände. Die von manchen kritisierte angebliche Übermacht einer „Ökolobby“ lässt sich anhand der Zahlen keinesfalls belegen.
  • Auffällig viele Akteure mit hohen Lobbyausgaben stammen aus der Energiebranche. Das betrifft sowohl Erzeugung, Handel und Vertrieb (Uniper, EnBW, Eon) als auch die Verbraucherseite: BASF, ThyssenKrupp und Covestro zählen zu den energieintensiven Unternehmen. Auch auf Verbandsseite sind mit dem BDEW, dem VKU und dem VCI mächtige Verbände mit energiepolitischen Interessen dabei. Hier braucht es besondere Wachsamkeit in den anstehenden energiepolitischen Debatten, um einseitige Einflussnahme zu verhindern.

Christina Deckwirth, Expertin für Lobbyismus in Deutschland, kommentiert die Auswertung:

„In den laufenden Koalitionsverhandlungen werden die politischen Weichen für die nächsten Regierungsjahre gestellt. Unsere Auswertung zeigt: Vor allem Wirtschaftslobbyverbände und Unternehmen mit Gewinninteressen haben sehr viel Geld, um diese Verhandlungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Gesellschaftliche Anliegen, denen eine finanzstarke Lobby fehlt, drohen dadurch unter die Räder zu geraten. Das wäre zum Nachteil für die gesamte Gesellschaft – und würde auch das Vertrauen in demokratische Entscheidungen weiter schwächen.

Hohe Lobbyausgaben führen nicht automatisch dazu, dass entsprechende Lobbywünsche auch erfüllt werden. Doch ein Blick auf das Sondierungspapier lässt vermuten, dass hohe Lobbyausgaben Wirkung haben können: Der Verband der Deutschen Automobilindustrie mit seinen Lobbyausgaben in Höhe von mindestens 7,3 Millionen Euro hat immer wieder darauf gedrängt, die CO2-Grenzwerte für Autos aufzuweichen – und tatsächlich findet sich dieser Punkt im Papier. Die erneute Subventionierung von Agrardiesel entspricht den Forderungen des Deutschen Bauernverbands, der mit seinen Lobbyausgaben in Höhe von mindestens 4,8 Millionen Euro ebenfalls zu den größten Lobbyakteuren zählt. Beide Vorhaben werden von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden scharf kritisiert. 

Unsere Zahlen zeigen überdeutlich: Das Bild der angeblich übermächtigen NGOs, das von CDU und rechtspopulistischen Medien immer wieder gezeichnet wird, ist ein Mythos. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind ein wichtiges Korrektiv, um die Übermacht der Wirtschaftslobby auszugleichen. Es ist gefährlich, deren Rolle in Frage zu stellen.

Die Verhandler:innen in den Koalitionsverhandlungen müssen nun zeigen, dass sie dem einseitigen Lobbydruck Stand halten können. Es hilft nicht, dass in den Verhandlungen einige Personen mit starken Lobbyverbindungen sitzen. Im Sinne des Gemeinwohls braucht es eine ausgewogene Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen an politischen Debatten und Entscheidungsprozessen. Es braucht zudem Instrumente, um den Interessenausgleich sicherzustellen. Dazu zählt auch ein Parteispendendeckel, der den Einfluss von finanzstarken Konzernen und Superreichen abschwächt.“

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