Die EU-Kommission arbeitet derzeit an Vorschriften (Code of Practice) für Allzweck-KI-Modelle. Am Erarbeitungsprozess gibt es breite öffentliche Kritik, da die großen Tech-Konzerne privilegierten Zugang haben und damit wichtige Grundrechte sowie der Schutz des Urheberrechts untergraben werden könnten. Die Veröffentlichung des Code of Practice wurde durch intensive Lobbyarbeit der Tech-Konzerne und den Druck der Trump-Regierung verzögert.
Kommerzielle Interessen und enge Verbindungen zu Big Tech
Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen haben aufgrund des privilegierten Einflusses von Google, Microsoft und Co entweder mit einem Rückzug aus dem Prozess gedroht oder sind bereits ausgetreten.
Tatsächlich wird das KI-Büro der EU bei der Ausarbeitung des Verhaltenskodex’ von einem Konsortium aus Beratungsunternehmen unterstützt. Dabei handelt es sich um Wavestone und Intellera. Sowohl Wavestone als auch Intellera haben kommerzielle Interessen und enge Verbindungen zu Konzernen wie Google und Microsoft, die selbst Allzweck-KI-Modelle entwickeln. Diese Interessenkonflikte könnten den politischen Prozess weiter zugunsten der Anbieter von KI-Modellen verzerren.
Zu den wichtigsten Bedenken gehören:
- Wavestone, der Hauptauftragnehmer, führt derzeit aktiv das KI-Tool 365 Copilot von Microsoft in französischen Unternehmen ein.
- Im Jahr 2024 wurde Wavestone zum „Microsoft Partner of the Year“ ernannt, während es bereits die EU-Kommission in KI-Fragen beriet.
- Intellera, ein Partner des Konsortiums, wurde im April 2024 von Accenture übernommen. Accenture ist ein wichtiger Akteur im Bereich der generativen KI, dessen Umsatz in diesem Sektor im Jahr 2023 innerhalb eines Jahres von 100 Millionen Dollar auf 900 Millionen Dollar gestiegen ist.
- Beide Unternehmen sind direkt mit Anbietern von KI-Modellen verbunden. Dennoch tragen sie dazu bei, die EU-Politik zu genau diesen Technologien mitzugestalten.
CEO und LobbyControl haben bei der Europäischen Bürgerbeauftragten Teresa Anjinho eine Beschwerde gegen einen „Missstand in der Verwaltungstätigkeit" der EU-Kommission eingereicht. Die Regeln zu Interessenkonflikten sind eindeutig. Wenn eine Beratungsfirma ein wirtschaftliches Interesse hat, sollte die Kommission den Auftrag nicht an diese vergeben.
EU-Kommission ignoriert Anfragen
Trotz wiederholter Anfragen von CEO und LobbyControl beantwortete die EU-Kommission kritische Fragen zum Auftrag und zur konkreten Rolle der Beratungsfirmen nicht.
Bram Vranken von Corporate Europe Observatory kommentiert: „Die Beratungsunternehmen Wavestone und Intellera haben einen eindeutigen Interessenkonflikt. Sie sind selbst große Akteure auf dem Markt für generative KI und unterstützen die Kommission gleichzeitig bei der Ausarbeitung von Vorschriften für KI. Die Kommission hätte diese Unternehmen niemals beauftragen dürfen und sollte den Vertrag nun kündigen.“
Felix Duffy von LobbyControl kommentiert: „Der einseitige Prozess zur Entwicklung des KI-Verhaltenskodex’ hat den Tech-Konzernen einen privilegierten Zugang verschafft, über den die Zivilgesellschaft nicht verfügte. Das ist inakzeptabel und stärkt die Macht von Google, Meta, Microsoft & Co. Big Tech hat aufgrund seiner enormen Ressourcen ohnehin bereits erheblichen Einfluss auf die EU-Politik. Die Europäische Kommission muss sicherstellen, dass die Grundrechte der Menschen im Zusammenhang mit der Nutzung von KI gewahrt bleiben. Daher müssen Interessenkonflikte, die den Einfluss großer Technologieunternehmen stärken, verhindert werden.“
Interessenkonflikte kein Einzelfall
Leider handelt es sich hierbei nicht um einen Einzelfall. Seit vielen Jahren beauftragt die Kommission Beratungsunternehmen mit der Durchführung von Untersuchungen und Analysen in Politikbereichen, an denen diese direkte oder indirekte finanzielle Interessen haben. Im Jahr 2024 hat die EU ihre Vorschriften verschärft, um Interessenkonflikte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu verhindern. Es wird höchste Zeit, dass die Kommission diese Vorschriften endlich umsetzt.
Hintergrund
- Wie Digitalkonzerne die Regeln für KI verwässern https://www.lobbycontrol.de/macht-der-digitalkonzerne/wie-digitalkonzerne-die-regeln-fuer-ki-verwaessern-120728/
- Interessenkonflikt: Zusammenarbeit zwischen EU-Kommission und Beraterfirma wird untersucht https://www.lobbycontrol.de/pressemitteilung/interessenkonflikt-zusammenarbeit-zwischen-eu-kommission-und-beraterfirma-wird-untersucht-109766/