Macht der Digitalkonzerne

Uber Files: Gekaufte Wissenschaft an der Universität Düsseldorf

Der betroffene Wissenschaftler schweigt auf Anfrage von LobbyControl. Neuigkeiten liefert hingegen die Antwort der Universität.

von 25. Oktober 2022

In aller Deutlichkeit zeigen die kürzlich veröffentlichten Uberfiles-Recherchen, wie systematisch und skrupellos der Fahrdienstleister Uber aus Kalifornien Lobbyarbeit betrieb, um den deutschen Taximarkt zu liberalisieren. In die Lobbyarbeit verwickelt war auch der renommierte deutsche Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Der Fall zeigt, wie problematisch es ist, wenn sich renommierte Wissenschaftler in den Dienst von finanzstarken Lobbyakteuren stellen. Pikant dabei zusätzlich: Haucap nutzt die Reputation eines öffentlichen Forschungsinstituts für private geschäftliche Zwecke. Dies muss dringend ein Ende haben.

Gekaufte Wissenschaft: Die Rolle von Justus Haucap

Im Fokus der Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung steht die Einbeziehung des bekannten deutschen Wettbewerbsökonomen Justus Haucap in die Lobbyarbeit von Uber. Haucap nahm demnach Auftragsforschung von Uber als Nebentätigkeit über die DICE Consult GmbH an. Diese Zusammenarbeit war Uber 44.000 Euro wert. Weitere 4.000 Euro sollen für einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) geflossen sein, der die Liberalisierung des Taximarktes als unproblematisch einstufte. Für die Leserschaft der FAZ war der Zusammenhang mit Uber nicht sichtbar. Es ist eine ebenso beliebte wie fragwürdige Lobbymethode, namhafte Wissenschaftler:innen oder andere Expert:innen für Meinungsbeiträge zu gewinnen. Sowohl beim Artikel als auch bei der Studie behielt sich Uber laut Tagesschau das Recht vor, Änderungen vor der Veröffentlichung vorzunehmen.

Abwicklung über die DICE Consult GmbH

Abgewickelt wurde die Auftragsforschung über ein Beratungsunternehmen, in dem Haucap Partner ist. Auffällig dabei: Der Name des Beratungsunternehmen DICE Consult GmbH ist dem Namen des Forschungsinstituts an der HHU Düsseldorf, dem Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) verblüffend ähnlich. Haucap ist somit zugleich Direktor des DICE an der HHU Düsseldorf als auch Partner der DICE Consult GmbH. Neben der Namensähnlichkeit und Haucaps Rolle gibt es weitere Überschneidungen bei den Angestellten des DICE-Instituts und der DICE Consult GmbH: Für die Öffentlichkeitsarbeit ist in beiden Fällen Marc Feist zuständig. Das deutet auf eine enge institutionelle Verbindung hin.

Ein an eine Universität angedocktes Forschungsinstitut trägt also den gleichen Namen wie ein Beratungsunternehmen, das kommerzielle Auftragsforschung betreibt, und es gibt personelle Überschneidungen. Haucap nutzt damit die Reputation und womöglich die Ressourcen des öffentlichen Forschungsinstituts für seine private Beratungsfirma und lässt sich über diese in die Lobbyarbeit von Firmen wie Uber einspannen. Wissenschaftliche Reputation wird hier - zugespitzt ausgedrückt – käuflich.

Haucap schweigt – die Universität Düsseldorf reagiert

Auf eine Anfrage von LobbyControl Mitte Juli 2022 reagierten weder Haucap noch das DICE, ebenso nicht die DICE Consult GmbH. Bei diesen Anfragen wurde auch der sowohl beim Institut als auch bei der GmbH für Presseanfragen zuständige Marc Feist direkt angeschrieben. Er reagierte ebenfalls nicht.

Anders die Heinrich Heine Universität Düsseldorf selbst: Dort teilte man uns mit, dass „die Hochschulleitung der HHU und Prof. Dr. Haucap zwischenzeitlich in dieser Sache Gespräche geführt [haben]. Herr Haucap hat der Hochschulleitung im Zuge dessen mitgeteilt, dass er für die DICE Consult GmbH eine Namensänderung anstrebt. Die Hochschulleitung begrüßt diesen Schritt.“

Offenbar ist die Universität Düsseldorf wenig begeistert von der Ähnlichkeit der Namen des Forschungsinstituts und der DICE Consult. Es ist zu vermuten, dass sie die Verquickung von öffentlicher Forschung und Auftragsforschung ebenfalls kritisch sieht. Die HHU machte zudem gegenüber LobbyControl klar, dass sie in die Namensfindung nicht eingebunden war. Bislang hat die von Haucap angekündigte Namensänderung jedoch nicht stattgefunden (Stand 25.10.2022), obwohl Haucap dafür bereits im August laut HHU nur „einige Wochen“ veranschlagte.

In der personellen Überschneidung bei der Öffentlichkeitsarbeit sieht die HHU hingegen kein Problem. Sie geht davon aus, dass Herr Feist „die Ressourcen der HHU ausschließlich für die Arbeit an der HHU nutzt und [habe] keinerlei Anhaltspunkte für eine anderslautende Beurteilung.“ Auch wenn die Ressourcen der Universität nicht für die Nebentätigkeit bei der GmbH genutzt werden, ist eine solche Nebentätigkeit jedoch nicht per se unproblematisch, gerade an einer so zentralen Stelle wie der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das zeigt sich schon daran, dass Nachfragen zu einer das Ansehen und Integrität des öffentlichen Instituts betreffenden Problematik bei der gleichen Person landen. Arbeitgeber können Nebentätigkeiten untersagen, wenn sie dadurch eigene Interessen gefährdet sehen.

Haucaps Verhalten fördert einseitigen Lobbyeinfluss und gefährdet wissenschaftliche Neutralität

Haucaps Auftragsarbeit für Uber weist auf eine grundsätzliche Problematik hin: Wenn Wissenschaftler:innen ihre mit öffentlichen Mitteln erworbene wissenschaftliche Reputation zugunsten von Unternehmensinteressen einsetzen, befördert das einseitigen Lobbyeinfluss.

Denn es muss klar sein, dass Uber sicherlich keine Forschung gefördert hätte, die dem kalifornischen Techkonzern nicht genehm gewesen wäre. Darauf deutet die Information der Tagesschau hin, dass sich Uber ein Recht auf Veränderungen an den Veröffentlichungen vorbehielt. Darauf verweist auch der ehemalige Chefökonom der EU-Wettbewerbsbehörde DG Competition Tommaso Valletti auf einem Panel der Antitrust-Jahreskonferenz der Chicago Stigler School. Uber, Airbnb & Co würden demnach nur denjenigen Wissenschaftler:innen Daten zur Verfügung stellen, die Forschung machten, die ihnen passt oder zumindest nicht ihren Interessen schadet. Ein solcher Umgang lenkt Forschung und macht sie zusätzlich einseitig. Forschung zur Marktkonzentration im Techbereich etwa wird schwierig, wenn die darin agierenden Plattformen keine Daten bereitstellen.

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HHU Düsseldorf muss Druck für Namensänderung erhöhen

Die Uberfiles haben deutlich zutage gebracht, wie mächtige Unternehmen versuchen systematisch und länderübergreifend Politik zu beeinflussen. Wissenschaftliche Forschung darf sich nicht vor diesen Karren spannen lassen.

Überfällig ist deshalb die Umbenennung der DICE Consult GmbH zum Zwecke der eindeutigen namentlichen Trennung von wissenschaftlicher Forschung auf der einen Seite und Auftragsforschung auf der anderen Seite. Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Justus Haucap als Professor und Direktor eines öffentlichen Forschungsinstituts nebenher noch ein Beratungsunternehmen für Auftragsforschung führen sollte. Hieraus können sich Interessenkonflikte ergeben, und die Kommerzialisierung der wissenschaftlichen Reputation beschädigt ebenjene.

Der Fall sollte daher für Universitäten und andere öffentliche Forschungseinrichtungen ein Anlass sein, Maßnahmen zur Sicherstellung von Unabhängigkeit und Integrität in der Forschung zu überprüfen und bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten mögliche Verflechtungen mit Lobbyinteressen stärker zu berücksichtigen.

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