Lobbyregister

Schwächeln die Piraten bei der Lobby-Transparenz? (Update)

Auf dem Parteitag am Wochenende in Bochum wollen die Piraten ihr Wahlprogramm für den anstehenden Wahlkampf festgelegen. Zur Abstimmung steht u.a. ein umfassender Antrag für ein Transparenzpaket zu den Themenfeldern Lobbyismus, Sponsoring und Korruptionsbekämpfung. Er enthält viele gute Punkte, etwa zu Abgeordnetenbestechung und Sponsoring. Beim Lobbyregister ist er aber aus unserer Sicht leider etwas schwach. […]
von 22. November 2012
Foto vom Piratenpartei Tag 2011, CC-BY: Tobias M. Eckrich

Foto vom Piratenpartei Tag 2011, CC-BY: Tobias M. Eckrich

Auf dem Parteitag am Wochenende in Bochum wollen die Piraten ihr Wahlprogramm für den anstehenden Wahlkampf festgelegen. Zur Abstimmung steht u.a. ein umfassender Antrag für ein Transparenzpaket zu den Themenfeldern Lobbyismus, Sponsoring und Korruptionsbekämpfung. Er enthält viele gute Punkte, etwa zu Abgeordnetenbestechung und Sponsoring. Beim Lobbyregister ist er aber aus unserer Sicht leider etwas schwach.

Grundsätzlich zielt der Antrag auf „die Offenlegung der Einflussnahme von Interessenverbänden und Lobbyisten auf politische Entscheidungen, um den demokratischen Prozess zu schützen und die Grundlagen von Entscheidungen transparent zu machen.“ Das ist begrüßenswert und ein richtiger Ansatz. Konkret soll dieses Ziel mit Einführung eines Lobbyregisters erreicht werden. Das im Antrag vorgeschlagene Lobbyregister würde jedoch Lobbyisten und Interessengruppen nicht zur Eintragung verpflichten – ein aus unserer Sicht zentrales Element bei der Herstellung von mehr Lobbytransparenz. Statt einer verpflichtenden Eintragung für alle Lobbyisten, sollen Lobbyisten Anreize erhalten, um sich in dem Register einzutragen: Als Gegenleistung für die Eintragung sollen Lobbyisten einen Hausausweis für den Bundestag erhalten sowie an Anhörungen teilnehmen dürfen.

Anreize nicht effektiv

Dass diese Form der anreizbasierten, also im Kern freiwilligen, Transparenzregelung nicht effektiv funktioniert, zeigt etwa das Brüsseler Transparenzregister. Dort wird seit Mitte letzten Jahres mit einer eben solchen Regelung gearbeitet. Wer einen Hausausweis für das EU-Parlament haben möchte, muss sich eintragen. Es ist jedoch auch ohne Hausausweis und ohne die Möglichkeit zur Teilnahme an öffentlichen Anhörungen sowohl in Brüssel als auch in Berlin hervorragend möglich, Lobbyarbeit zu leisten. In Brüssel sind daher wichtige Lobbyakteure nach wie vor nicht registriert. Darunter sind Unternehmen wie die Deutsche Bank, die Metro AG oder Monsanto, aber auch Lobbyagenturen wie die britische Lobbyberatung Bell Pottinger oder Ketchum Pleon. Zudem bleiben bei einer freiwilligen und nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestellten Regelung, die Angaben im Register oft zweifelhaft. Es fehlt ohne gesetzliche Grundlage an wirkungsvollen Kontroll- und Sanktionsmechanismen.

Wir würden uns wünschen, dass die Piraten sich zu einem deutlichen Bekenntnis zu einem gesetzlichen, verpflichtenden Lobbyregister entschließen würden. In dem Antrag wird lediglich vage angekündigt, man wolle prüfen „ob die weitere Ausgestaltung durch ein Bundesgesetz geregelt werden kann.“

Streitthema Karenzzeit

Neben dem Transparenzregister werden in dem Antrag die Offenlegung von Nebeneinkünften „auf Euro und Cent“, eine Verschärfung der Antikorruptionsgesetzgebung sowie mehr Transparenz bei Parteisponsoring gefordert. Auch eine Regelung des Drehtürphänomens – also des schnellen Wechsels von Spitzenpolitiker in Lobbyjobs – wird als Teil des Transparenzpakets vorgeschlagen. Richtigerweise wird hier eine Karenzzeit gefordert.  Laut Antrag sollen ausgeschiedenen Spitzenpolitikern Lobbytätigkeiten „im Bereich ihrer ehemaligen Zuständigkeiten“ untersagt werden. Wir denken, dass ein zeitlich begrenztes Verbot jeglicher Lobbytätigkeiten nach dem Ausscheiden aus dem Amt sinnvoller wäre.

Aber auch mit dieser relativ schwachen Forderung nach einer „Abkühlphase“ für Spitzenpolitiker scheinen nicht alle Piraten einverstanden zu sein. So hat der ehemalige Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Jens Seipenbusch, einen konkurrierenden Antrag eingebracht, der dem ursprünglichen Antrag Wort für Wort gleicht – bis auf den letzten Absatz zu Karenzzeiten. Dieser fehlt vollständig. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Piratenpartei am Wochenende positionieren wird.

Verzicht auf Sponsoringeinnahmen?

Während der Antrag zum Transparenzpaket eine Änderung des Parteiengesetzes fordert, um Sponsoringeinnahmen aller Parteien zumindest transparent zu machen, beziehen sich zwei weitere Anträge auf die Satzung der Piratenpartei und werfen die Frage auf, wie in Zukunft mit Sponsoringeinnahmen umgegangen werden soll. Beide Anträge beziehen sich auf Bundesparteitage und fordern, dass zumindest für diese Parteiveranstaltungen keine Sponsoringgelder angenommen werden dürfen. LobbyControl begrüßt die Bemühungen, dass Parteiensponsoring zu begrenzen. Wir setzen uns für mehr Transparenz und eine allgemeine Obergrenze von 50.000 Euro beim Parteiensponsoring ein. Wenn die Piraten sich selbst schärfere Regeln geben, kann das dazu beitragen, diese Diskussion auch bei anderen Parteien voranzubringen.

Update:

Es gibt auch noch einen Antrag zum Einsatz von Lobbyisten als Externe Mitarbeiter in Ministerien: „Lobbyisten und Wirtschaftsunternehmen dürfen keine Gesetze schreiben. Nur unter der Voraussetzung, dass der Einsatz von Interessenvertretern in Ministerien lückenlos, vollständig und auch rückwirkend für alle Bürger einsehbar dokumentiert und öffentlich zugänglich gemacht wird, dürfen diese zu Rate gezogen werden.“ Gesetze schreiben ist auch nach der heutigen Verwaltungsvorschrift verboten. Allerdings werden die Berichte über externe Mitarbeiter nur dem Bundestag vorgelegt und sind nicht lückenlos. Mehr Transparenz wäre also gut. Wir gehen noch weiter und setzen uns für ein vollständiges Verbot von externen Mitarbeitern ein. Mehr zu externen Mitarbeitern auch in der Lobbypedia.

Update 2: Vergleich zu anderen Parteien
SPD, Grüne und Linke fordern gesetzlich verpflichtende Lobbyregister. D.h. im Vergleich drohen die Piraten bei diesem spezifischen und wichtigen Punkt hinter die Beschlusslage der anderen Oppositionsparteien zurück zu fallen. (Schwarz-Gelb ist bislang strikt gegen mehr Lobby-Transparenz)

Update 3: Transparenzpaket angenommen
Gestern wurden auf dem Parteitag das Transparenzpaket (Antrag PA001) angenommen, erfreulicherweise in der Fassung mit Karenzzeiten. Außerdem wurde der Antrag PA074 angenommen, der eine Anpassung des Abgeordnetengesetzes an die UN-Konvention gegen Korruption fordert.

Wie oben geschrieben, enthält das Transparenzpaket der Piraten viele gute Punkte, über die wir uns freuen. Beim Thema Lobbyregister ist uns die Position aber zu schwach. Auch mit den Anreizen Hausausweis und Teilnahme an Anhörungen bleibt der Piratenvorschlag letztlich freiwillig. Es würde Lobbyist_innen geben, die sich nicht registrieren werden – und damit weiter intransparente Lobbyarbeit. Für uns ist es wichtig, eine umfassende Transparenz auch auf Seiten der Lobbyisten zu erreichen: wer macht Lobbyarbeit für wen, mit welchem Budget und zu welchen Themen? Ein gutes Beispiel wäre die aktuelle Debatte um ein Leistungsschutzrecht. Diese umfassende Lobby-Transparenz lässt sich aus unserer Einschätzung und angesichts internationaler Erfahrungen nur durch ein verpflichtendes Lobbyregister erreichen.

Wir tragen noch nach, wie der Stand bei den Satzungsänderungen ist (auch bei denen zur Begrenzung von Spenden an die Piratenpartei).

Unsere einzelnen Forderungen finden sich übrigens ausführlicher in unserem Positionspapier (pdf).

Foto: Tobias M. Eckrich, Lizenz CC-BY

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5 Kommentare

Simon24. November 2012 um 19:08

Gut, den Piraten in Sachen Transparenz genau auf die Finger zu schauen.

Das Thema Transparenz sollte meiner Meinung nach für die Piratenpartei absolut im Fokus stehen, wie Umweltthemen bei den Grünen.

Was sollen denn sonst die Kernpunkte der Piraten Politik sein? Das Thema Transparenz ist von gesellschaftlich viel größerer Tragweite als Urheberrecht (was etwas Wahlgeschenk-Charakter hat).

Mir gefällt es, wenn die Erfahrung von bestehenden ähnlichen Regelungen recherchiert wurden. Die damit ermöglichten Vergleiche haben in meinen Augen eine sehr hohe Aussagekraft. Danke für den Artikel.

Martin Kliehm25. November 2012 um 18:17

Auf dem Bundesparteitag wurden der PA001 und der PA074 angenommen. Ersterer wurde von Euch als zu lasch kritisiert, weil darin die Formulierung mit dem Hausausweis enthalten ist, letzterer ergänzt ihn, indem er die Anpassung des Abgeordnetengesetzes an die UN Konvention gegen Korruption fordert. Ist das in Eurem Sinne?

Ulrich Müller26. November 2012 um 13:04

Hallo Martin,

wie gesagt, finden wir ja viele Punkte in dem Transparenzpaket gut. Aber ein freiwilliges Lobbyregister reicht aus unserer Sicht nicht, auch nicht mit Anreizen. Für uns ist das ein wichtiger Punkt, der auch nicht durch weitgehende Positionen beim Sponsoring oder bei der Abgeordnetenbestechung ausgeglichen wird. Das sind einfach unterschiedliche Baustellen: die Regeln für Abgeordnete, für Parteien oder für Lobbyisten. Bei den Transparenzverpflichtungen für Lobbyisten wünschen wir uns weiterhin eine striktere Position der Piraten.

Christoph Erle26. November 2012 um 22:56

Das Problem mit einem verpflichtenden Register liegt meines Erachtens allerdings in zwei Punkten:

1)*Wen* soll man verpflichten sich dort einzutragen, wer wird „verschont“? Es gibt ja nicht nur „böse“ Konzerne, die Lobbyarbeit machen, sondern auch viele Vereine usf. Die machen das teilweise auch auf kommunalem Niveau, ehrenamtlich, haben kaum 20 Mitglieder – aber Lobbyarbeit kann man auch auf diesem Niveau tun.

Woran soll also die Eintragung gekoppelt werden und mit welchen Pflichten ist sie verbunden? Und sind diese Pflichten für Ehrenämtler leistbar?

Sollte der Vorschlag sein, die Definition des „Lobbyisten“ an Geld zu koppeln, das für die Arbeit ausgegeben wird, möchte ich zu bedenken geben, dass man Geldflüsse ziemlich kreativ lenken kann, um jede mögliche Definition zu umgehen. Was mich zu Punkt 2) führt.

2)Wir kennen das ja von der Überwachung: Wenn man definiert, was verdächtig ist, kann der geneigte Pirat oder Terrorist sich anpassen, um unentdeckt zu bleiben. Hier kritisiert ihr am anreizbasierten Register, dass genau dieses „Ausweichen“ passiere würde, wenn man ein solches einführte.

Ich sehe aber persönlich nicht, wie ein Zwangsregister diesen Umstand ausschließt. Man kann ja einfach Berufsbezeichnungen und Tätigkeitsbeschreibungen relevanter Personen anpassen, ihnen andere „Gründe“ geben, in Berlin oder Landeshauptstadt X zu verweilen und Ausgaben kreativ tarnen. Ich sehe nicht, wie hier das Zwangsregistern einen echten Vorteil bietet.

Liegen die Möglichkeiten, diese Dinge zu unterbinden nicht eher abseits des Registers, also in Bestechungs- und Spendenregelungen sowie der Gestaltung eines legislativen Fußabdrucks?

Ich würde mir diesbezüglich eine differenziertere Betrachtung wünschen, denn Hinweise auf empirische Erkenntnisse aus Brüssel, wo sicher viele der genannten Randbereiche unzureichend reguliert sind, ist in meinen Augen nicht sonderlich repräsentativ. Existieren denn weitere empirische Daten zu anreizbasierten Registern, bestenfalls aus Nationalstaaten mit repräsentativem System?

Falls ihr euch die Mühe macht, meine Fragen zu beantworten, schon mal vielen Dank.

Ansonsten macht weiter so, finde euch total gut! :-)

Timo Lange29. November 2012 um 16:18

Lieber Christoph Erle,

ein verpflichtendes Lobbyregister auf gesetzlicher Basis zielt nicht
auf die Ehrenamtler/innen, die für Vereine oder Bürgerinitiativen tätig sind. Es geht uns um Lobbyisten, die bei Verbänden, Unternehmen, NGOs, Agenturen und Anwaltskanzleien entgeltlich beschäftigt sind. Das Lobbyregister soll nicht auf kommunaler Ebene gelten.

Zu Ihrem zweiten Punkt: Die Eintragung wäre in der Tat an finanzielle
Schwellenwerte gekoppelt. Erst wenn ein bestimmter Betrag für
Lobbyarbeit ausgegeben wird, wird die Eintragung verpflichtend. Die
Eintragungspflicht richtet sich dabei nach objektiven Kriterien, wie
etwa, ob es Kommunikation zwischen einem Lobbyakteur und einem
politischen Entscheidungsträger mit Bezug auf ein Gesetz gegeben hat.
Wie sich die Lobbyisten selbst bezeichnen, ist dabei nicht relevant.
Neben einer gesetzlichen Definition davon, wer Lobbyist ist und wer
nicht, enthielte ein Lobbyregister-Gesetz auch eine Definition von
Lobbyaktivität. Daher geht es um die faktischen Tätigkeiten und nicht
darum, was jemand angibt in Berlin zu tun oder zu lassen.

Letztlich kann gegen jede Regel und jedes Gesetz verstoßen werden. Aber nur mit einer gesetzlichen Grundlage können Verstöße wirkungsvoll
sanktioniert werden. Das ist durchaus ein Anreiz, dort keine falschen
Angaben zu machen! Bei einer freiwilligen, anreizbasierten Lösung sind
keine wirkungsvollen Kontroll- und Sanktionsmechanismen denkbar. In
Kanada, wo es ein gesetzliches, verpflichtendes Lobbyregister schon lange gibt, übernimmt das Office of the Commissioner of Lobbying die
Untersuchung, wenn der Verdacht auf gesetzeswidriges Verhalten besteht:
https://ocl-cal.gc.ca/eic/site/012.nsf/eng/h_00017.html

Das ist eventuell hilfreich, um besser anschaulich zu machen, wie ein
verpflichtendes Register funktionieren kann.

Letztlich dient ein verpflichtendes Register auch der Öffentlichkeit als Informationsquelle. Es geht nicht zentral darum, die Beeinflussung
politischer Entscheidungen zu verhindern, sondern der Öffentlichkeit zu Ihrem Recht zu verhelfen, mehr über die Aktivitäten von Lobbyakteuren in Berlin zu erfahren. Insbesondere schwächere Interessen würden davon profitieren, wenn bekannt wäre, wer in wessen Auftrag zu welchem Themen und mit welchem eingesetzten Lobbybudget in Berlin tätig ist. Ein verpflichtendes Register beugt Korruption vor und macht Interessenkonflikte sichtbar. Ein verpflichtendes Register erleichtert andere Instrumente der Lobbyregulierung, etwa die Einführung einer Karenzzeit für Spitzenpolitiker/innen.

Mehr Transparenz und Schranken bei der Parteienfinanzierung sind zwar
auch nötig. Jedoch kann das ein Lobbyregister nicht ersetzen.

Wir haben immer wieder Fälle, in denen Industriekampagnen vorgeben,
Bürgerinitiativen zu sein. Etwa vermeintliche Kampagnen von Menschen in kreativen Berufen pro Softwarepatente, die aber von Microsoft & Co
finanziert wurden. Oder Lobbygruppen, die sich wie Patientenorganisationen geben, aber von der Pharma- oder
Medizintechnik-Industrie initiiert wurden. Für solche Fälle brauchen wir ein Lobbyregister, das mehr Transparenz in die öffentliche Debatte
bringt. Da helfen keine Bestechungs- oder Spendenregeln. Das sind
einfach unterschiedliche Felder, für die wir unterschiedliche Regelungen brauchen. Das eine ersetzt das andere nicht.

Für weitere Details verweise ich auf unser Positionspapier:
http://www.lobbycontrol.de/download/Lobbyismus-Transparenz_Positionen.pdf

Viele Grüße

Timo Lange, LobbyControl