Zwei Jahre nach dem Ende der Rot-Grünen-Koalition präsentiert LobbyControl heute eine Kurzstudie über den Verbleib der 63 damaligen Minister und Staatssekretäre. Wir haben untersucht, in welchem Umfang die ehemaligen Regierungsmitglieder in Lobbytätigkeiten gewechselt sind. Unsere Studie zeigt: Ex-Kanzler Schröder ist bei weitem nicht der einzige, der einen fliegenden Wechsel in einen Lobby-Job hingelegt hat. Die Drehtür zwischen Politik und Unternehmen bzw. Lobbyorganisationen kreist munter.
Die Ergebnisse in Kürze:
- Das Ausmaß der Revolving-Door-Problematik ist erheblich. Ehemalige Regierungsmitglieder und Führungspersonen der Ministerialbürokratie wechseln in großem Umfang direkt nach Beendigung ihrer politischen Tätigkeit (oder parallel zur Fortführung ihres Bundestagsmandates) in Lobbytätigkeiten im engeren und weiteren Sinn. In den meisten Fällen sind die Lobbytätigkeiten eng mit den vorherigen politischen Aufgabenfeldern verbunden.
- Viele ehemalige Politiker zeigen sich sehr intransparent, was ihre neuen Tätigkeiten angeht.
- Die Ex-Politiker werden vor allem von Unternehmen, unternehmensnahen Stiftungen und Denkfabriken sowie Wirtschaftsverbänden angeworben.
- Der mit den fliegenden Wechseln verbundene privilegierte Zugang zu Insiderwissen und persönlichen Kontakten sichert, reproduziert und vertieft vorhandene Machtungleichgewichte und verzerrt Politikprozesse zu Gunsten von Einzelinteressen.
Das rot-grüne Kabinett in der zweiten Legislaturperiode bestand aus 63 Minister/innen und Staatssekretär/innen (incl. Bundeskanzler und Staatsminister). 19 davon sind auch nach dem Regierungswechsel 2005 als Minister oder Staatssekretäre im Amt. Von den 44 übrigen, die ihren Posten nach der Neuwahl abgegeben haben, ist die Hälfte weiterhin in politischen Institutionen oder der öffentlichen Verwaltung tätig. Von denen, die ihre politische Laufbahn verlassen haben, sind nach der Einordnung von LobbyControl 12 klar in Lobbytätigkeiten oder Tätigkeiten mit starkem Lobbybezug gewechselt. Drei weitere üben Tätigkeiten aus, die unserer Beurteilung nach Lobbyaspekte beinhalten, auch wenn es keine primären Lobbytätigkeiten sind.
Politiker sitzen das Problem aus
Die betreffenden Ex-Politiker sowie das Parlament und die nachfolgende Regierung haben das Problem bisher trotz bisweilen massiver Empörung der Öffentlichkeit ausgesessen. Parlamentarische Initiativen der Oppositionsparteien sind nach Ende der öffentlichen Empörung in der untersten Schublade des Innenausschusses gelandet.
„Es darf nicht sein, dass Spitzenpolitiker nahtlos in Vorstände und Aufsichtsräte wechseln oder ihre noch warmen Kontakte und Insiderinformationen durch Beratungstätigkeiten für die Privatwirtschaft in privilegierten Einfluss umsetzen“, kritisiert LobbyControl-Vorstandsmitglied und Autorin der Studie Heidi Klein.
Unsere Forderungen
- Eine dreijährige Karenzzeit (Abkühlphase) während der ehemalige Regierungsmitglieder keine Lobby-Tätigkeiten ausüben dürfen;
- ein unabhängiges Kontrollgremium zur Kontrolle und Überwachung von Streitfällen;
- ein Lobbyisten-Register, in dem Lobbyisten ihre Auftraggeber und Kunden, ihre Finanzquellen und Budgets sowie die Themen ihrer Lobbyarbeit offen legen müssen.
Die Studie gibt es hier als Download (pdf).
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