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Lobbyismus und Klima

Gaslobby-Studie: So reagieren Politik und Lobbyverbände

Gestern haben wir unsere Gaslobby-Studie veröffentlicht. Es gab breite Medienresonanz, aber auch mehrere Reaktionen aus der Politik.

von 16. Februar 2023

Das Wirtschaftsministerium weist unsere Vorwürfe zurück, dass es zu große Nähe zur Gaslobby pflegen würde. Der PR-Lobbyverband Zukunft Gas wirft uns „verschwörungstheoretisches Geraune“ vor. Wir nehmen die Reaktionen zum Anlass, Stellung zu beziehen – und zeigen auf, wo es politische Änderungen braucht, um einseitigen Lobbyeinfluss zurückzudrängen.

Unser Vorwurf: Lobby-Pipelines in die Politik

In unserer Studie zur Macht der Gaslobby in Deutschland werfen wir der aktuellen Bundesregierung unter anderem vor, sie würde eine zu große Nähe zur Gaslobby pflegen und dieser privilegierte Zugänge gewähren. Das bezeichnen wir als „Lobby-Pipelines“. Wir belegen diese Nähe unter anderem durch die Vielzahl an Treffen zwischen Spitzenpersonal der Bundesregierung – vor allem aus dem Kanzleramt und dem Wirtschaftsministerium – und Vertreter:innen der Gasindustrie.

Zudem verweisen wir darauf, dass die Gaslobby in anstehenden gaspolitischen Entscheidungen zu den Themen LNG, Heizen und Wasserstoff massiv auf den Erhalt ihrer fossilen Geschäftsmodelle drängt. Im Jahr 2021 gab die Gasindustrie laut Lobbyregister rund 40 Millionen Euro für Lobbyarbeit aus. Sie ist damit eine der finanzstärksten Lobbybranchen in Deutschland. Vor allem beim Ausbau der LNG-Terminals fällt auf, dass die Bundesregierung der scharfen Kritik von Umweltverbänden und Wissenschaft an diesen Vorhaben offenbar nicht ausreichend Gehör schenkt.

Reaktion aus dem Wirtschaftsministerium

Das Bundespresseamt hat bislang noch nicht auf unsere Vorwürfe reagiert, auch Stellungnahmen über die Medien haben uns nicht erreicht. Das Wirtschaftsministerium dagegen hat gegenüber der Presse – und heute auch uns gegenüber – Vorwürfe nach besonderer Nähe „ausdrücklich“ zurückgewiesen. Ein Ministeriumssprecher verweist auf Verbände-Anhörungen und darauf, dass „infolge einer Energiekrise besonderen Ausmaßes“ sich zwangsläufig regelmäßiger Austausch mit der Gaswirtschaft ergebe. Das ist richtig, das bestreiten wir nicht, sondern verweisen selbst darauf, dass die derzeitige Krise selbstverständlich Gespräche erfordert.

Auffällig ist aber dennoch, in welcher hohen Schlagzahl sich Spitzenpersonal aus dem Wirtschaftsministerium mit Vertreter:innen von Gas- und Energiekonzernen trifft. Zwischen Dezember 2021 und September 2022 gab es im Schnitt ein Treffen pro Tag allein mit Gaskonzernen, weitere Treffen mit Gaslobbyverbänden kamen hinzu. Das schafft besondere Nähe. Und Nähe schafft bekanntlich Wohlwollen – auch gegenüber den Interessen fossiler Konzerne an der Fortsetzung ihrer Geschäftsmodelle. Nähe schaffen durch häufige Kontakte und Treffen ist das A und O effektiver Lobbyarbeit. Ministerien ebenso wie Bundestagsabgeordnete müssen sich darüber im Klaren rein – und immer wieder proaktiv den Austausch mit Akteuren suchen, die sich nicht leisten können, ebenso starke Lobbyarbeit zu betreiben.

Unsere Kritik: Unausgewogene Beteiligung und Intransparenz

Problematisch ist dies, weil es auch nicht annähernd so viele Treffen mit Umweltverbänden gab. Dass es weniger waren als mit der Gasindustrie, wurde uns von vielen Seiten bestätigt. Auch wurde uns von Vertreter:innen von Umweltverbänden berichtet, dass es teilweise erst dann Rücksprache gab, als politische Entscheidungen weit fortgeschritten waren.

LNG-Terminals: Grundlage für politische Entscheidungen bleibt im Dunkeln

Zudem fanden die Eingaben von Umweltverbänden zum Thema LNG-Terminals nicht ausreichend Gehör in gaspolitischen Entscheidungen: Trotz starker Einwände werden diese weiter in großer Stückzahl gebaut. Zudem hat das Ministerium noch immer nicht detailliert begründet, wie es den massiven Ausbau der LNG-Infrastruktur und die dafür notwendigen Milliardensummen aus Steuergeldern begründet und rechtfertigt. Dazu ließ das Ministerium gestern eine Frist verstreichen, um gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestages endlich Zahlen vorzulegen, die den Bedarf an LNG-Terminals genauer aufzeigen.

Ein zentrales Problem ist zudem Intransparenz: Wir können nicht genau nachvollziehen, mit welchen energiepolitischen Akteuren die Bundesregierung Kontakt hatte. Unsere Zahlen zu den Treffen mit der Gasindustrie beruhen auf einer Antwort auf eine parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion. Unsere eigene Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz dazu blieb über Monate liegen. Das ist empörend und frustrierend – denn schließlich sind zivilgesellschaftliche Akteure - aber auch Medien - auf solche Auskunftsrechte angewiesen, um Lobbyeinflüsse über politische Entscheidungen sichtbar zu machen. Das Beispiel zeigt: Wir brauchen dringend gesetzliche Verpflichtungen über die Offenlegung von Lobbytreffen. Eine entsprechende gesetzliche Lobby-Fußspur ist in Arbeit, der Prozess stockt dazu allerdings.

Reaktionen aus Verbänden: BDEW und Zukunft Gas

In unserer Studie benennen wir auch zahlreiche Lobbyverbände der Gasindustrie, darunter den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) als größten energiepolitischen Lobbyverband. Dieser hatte von Verbandsseite die meisten Kontakte mit der Bundesregierung. Der Verband rechtfertigt diese Nähe gegenüber dem Deutschlandfunk damit, dass es die Aufgabe von Verbände sei, Meinungen der Branche „an die Politik heranzutragen bzw. Anfragen aus der Politik im Namen der Branche zu beantworten.“ Das ist eine richtige Einschätzung.

Fragwürdig ist allerdings immer wieder, welch großen Einfluss Seitenwechsel aus der Politik an Verbandsspitzen haben. BDEW-Geschäftsführerin Kerstin Andreae war zuvor wirtschaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen und sagte jüngst in einem Interview selbst, dass ihr dies nun Vorteile bei Gesprächen mit dem grün geführten Wirtschaftsministerium brächte. Das stärkt einen mächtigen Verband wie den BDEW noch weiter. Gibt es hier zu wenig Regeln, gefährdet diese aber zugleich die Unabhängigkeit von Politiker:innen, die schon im Amt auf mögliche Anschlussbeschäftigungen schielen. Es benachteiligt zudem gesellschaftliche Interessengruppen, die es sich nicht leisten können, mit den entsprechenden Gehältern ehemalige Politiker:innen anzuheuern. Deswegen braucht es dringend verbesserte Regeln für Seitenwechsel aus der Politik in Lobbytätigkeiten.

„Verschwörungs-theoretisches Geraune“?

Etwas ruppiger fällt die Reaktion vom PR- und Lobbyverband Zukunft Gas aus: Laut Tagesspiegel Background wirft uns deren Geschäftsführer „verschwörungstheoretisches Geraune“ vor und sagte dem Tagesspiegel, dass unsere Vorwürfe auf Basis falscher Einschätzungen und Behauptungen beruhten. Damit – so zitiert der Tagesspiegel – sei der Austausch zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gefährdet. Schließlich sei Kommunikation zwischen Politik und Gasbranche zur Bewältigung der Versorgungskrise erforderlich.

Auch hier: Wir stellen nicht in Abrede, dass es Austausch geben sollte. Es geht uns um Ausgewogenheit und Transparenz - sowie darum, wem in welchen Fragen wie viel Gehör geschenkt wird. Und angesichts der Klimakrise und gefährlicher Abhängigkeit sollte sich die Politik nicht mehr als tatsächlich unbedingt nötig mit der fossilen Gaslobby treffen. Was an unseren Aussagen „verschwörungstheoretisches Geraune“ sein solle, können wir nicht nachvollziehen. Wir fordern Zukunft Gas auf, unsere Studie vollständig zu lesen.

Update vom 17.2.2023: Weitere Reaktionen von Seiten der Gaslobby löste auch ein meinungsstarker Verriss unserer Studie in einem Artikel in der Welt aus. Darin wurde uns unter anderem vorgeworfen, unsere Studie strotze vor "Faktenfehlern", allerdings ohne diese zu benennen. Vertretern der Gaslobby oder anderer Klimabremser-Verbände gefiel dies offenbar: Der Gaslobby-Verband ASUE und der Leiter des Mineralölverbands UNITI jubelten auf Twitter, die Pressesprecher vom Gaslobbyverband Zukunft Gas und dem Windkraftgegner-Verband Vernunftkraft retweeteten. Wir werden den Autor des Welt-Artikels um Belege für seine Vorwürfe bitten. Fundierte Hinweise auf Faktenfehler nehmen wir immer gerne entgegen. Bislang gab es keine.

Pipelines in die Politik

Die Macht der Gaslobby in Deutschland


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