Lobbyismus in der EU

Welche Kommissar:innen könnten wegen Interessenkonflikten durchfallen?

In Brüssel werden derzeit die Kandidat:innen für die neuen Kommissarsposten auf Herz und Nieren gecheckt. Hier die Kandidat:innen, denen das EU-Parlament ganz genau auf die Finger schauen muss:

von 2. Oktober 2024

In Brüssel werden derzeit die Kandidat:innen für die neuen Kommissarsposten auf Herz und Nieren gecheckt. Zunächst prüft der Rechtsausschuss des EU-Parlamenmts die finanziellen Interessenerklärungen der Bewerber:innen. Erst wenn er sein OK gibt, dürfen sie weiter in die inhaltlichen Hearings mit dem Parlament. Dort müssen die designierten Kommissar:innen zahlreiche Fragen zu ihrer Vergangenheit und ihren zukünftigen Plänen beantworten.

Bisher hat das Parlament noch jedes Mal einen oder mehrere Kandidat:innen durchfallen lassen, wenn auch nicht immer nur wegen Interessenkonflikten, sondern auch aus inhaltlichen Gründen.

Leider dürfen wir die Interessenerklärungen erst später einsehen. Aber nach unseren Recherchen sind das hier die Kandidat:innen, denen das EU-Parlament ganz genau auf die Finger schauen muss:

Ekaterina Sachariewa

Ekaterina Sachariewa
Außenministerium Bulgarien - Public Domain
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Ekaterina Sachariewa

Die bulgarische Kandidatin Sachariewa – vorgeschlagen als Kommissarin für Startups, Forschung und Innovation - sah sich 2018 massiven Vorwürfen einer bulgarischen Whistleblowerin konfrontiert. Diese sagte aus, dass während Sachariewas Amtszeit als Justizministerin in tausenden Fällen bulgarische und damit europäische Pässe gegen Beträge von 500 bis 1500 Euro verkauft worden seien. Die Whistleblowerin Katja Matewa beschreibt Sachariewa zwar nicht als Hauptnutznießerin des Betrugs, sie sei aber durchaus verantwortlich für die Genehmigung von mehr als 7000 unrechtmäßigen Bewerbungen gewesen.

Zudem wirft Matewa der Kommissarsanwärterin vor, für die Kündigung Matewas 2016 verantwortlich gewesen zu sein, nachdem sie sich geweigert hätte, die illegalen Machenschaften mit zu tragen. Sachariewa stritt alle Vorwürfe ab. Ob oder inwieweit die Vorwürfe stimmen, wissen wir nicht abschließend. Das liegt aber auch daran, dass es trotz Matewas Aussagen vor der bulgarischen Staatsanwaltschaft bis heute nicht zu Ermittlungen gegen die betroffenen Politiker:Innen und damit einer Aufarbeitung der schweren Vorwürfe gekommen ist. Wir finden, dass dieser Mangel an Transparenz keine Grundlage für einen vertrauensvollen Start in das Amt als Kommissarin für Startups, Forschung und Innovation bieten kann. UPDATE (8.10.2024):

Das Nachrichtenportal Euractiv berichtet über weitere brisante Aktivitäten in Sachariewas politischer Vergangenheit. So hat die Bulgarin 2019 vorgeschlagen, Jordan (Orce) Kamcev (Kamchev) zum bulgarischen Honorarkonsul in Nordmazedonien zu ernennen. Ein Posten, welcher diplomatische Immunität verleiht. Doch Kamcev, der mit bulgarischem Pass in Nordmazedonien lebt, ist nicht bloß der reichste Mann Nordmazedoniens, sondern wurde auch 2023 von den Vereinigten Staaten aufgrund von Korruption sanktioniert.

Konkret warf das US- Finanzministerium ihm “corruption, including abuse of office, money laundering, and other offenses for more than a decade starting in the early 2000s“ vor. Aber auch bereits vor 2023 gab es zahlreiche Skandale um den Geschäftsmann Kamcev, bei welchen ihm unter anderem Geldwäsche und Bestechung vorgeworfen wurden. Aufgrund der vielen Anschuldigungen wurde der Vorschlag Sachariewas letztendlich auch abgelehnt. Unabhängig von der doch sehr merkwürdigen Wahl Sachariewas, sind folgende Aspekte Sachariewas Vorstoßes aber politisch brisant:

Zum einen die Russland-Nähe: Kamcev unterstützt finanziell die nordmazedonische VMRO-DPMNE, welche im Interesse Russlands gegen die Einbeziehung Nordmazedoniens in die EU wirkt. Eine potentielle Russland-Verbindung Sachariewas fällt Euractiv auch an anderer Stelle auf. Der investigative Journalist Nikolay Staykov von der NGO Anti-Corruption Fund fand wohl über interne russische Mails heraus, dass Sachariewa Russland beim Erwerb strategischer Infrastruktur half.

Zum anderen ein Beigeschmack von Korruption: Euraktiv beruft sich auf einen nordmazedonischen Politiker, welcher aussagte, dass „Kamcev [] acht Millionen Euro []zahlt[e], um mithilfe der bulgarischen Behörden Schutz vor Strafverfolgung zu erhalten.“ Bei diesem Plan fiel wohl der Name von Sachariews Ehemann.

Diese Vorwürfe vor dem Hintergrund Sachariewas rechtlich nie aufgearbeiteten Verbindungen im Geld-gegen-Pass-Skandal – sind so stehengelassen – eine Absage an die europäischen Prinzipien der Transparenz und Rechtsstaatlichkeit und verhindern das Vertrauen in das kommende Kommissariat Bulgariens.

Wopke Hoekstra

Roel Wijnants - CC-BY-NC-SA 2.0
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Der Niederländer Hoekstra verkaufte Anteile an einer Briefkastenfirma auf den britischen Jungferninseln kurz bevor er niederländischer Finanzminister wurde. Als Finanzminister unterstützte er die niederländische Fluggesellschaft KLM mit mehreren Milliarden Euro und schwächte aktiv die Ziele der niederländischen Regierung zur Verringerung der Stickstoffemissionen ab. Auch beim Thema Nebentätigkeiten hatte Hoekstra in der Vergangenheit etwas zu bieten: während seiner Zeit im niederländischen Parlament arbeitete er gleichzeitig für die Beratungsfirma McKinsey. Diese hat Großunternehmen aus zahlreichen Bereichen als Kunden, beispielsweise aus dem fossilen Sektor den saudischen Ölkonzern Saudi Aramco. Inzwischen ist Hoekstra Klimakommissar (er ist vergangenes Jahr auf Frans Timmermans gefolgt, der als Ministerpräsident in den Niederlanden kandidierte.)

Bei seiner Anhörung im Parlament sagte er zu, die Kunden, für die er bei McKinsey gearbeitet hatte, zu nennen. Im Nachhinein hat das aber verweigert, weil McKinsey Vertraulichkeit über die Kunden eingefordert hatte. Die Abgeordneten werden Hoekstra hoffentlich ordentlich auf den Zahn fühlen. Denn zukünftig ist er nicht nur für Klima, sondern auch für Steuerwesen zuständig, was sein Investment in einer Steueroase nochmal brisanter macht. Auch unsere Partner vom Netzwerk Steuergerechtigkeit zeigen sich überrascht: Sie zeigten Anfang des Jahres in einer Studie, dass der Reisekonzern Booking.com zwischen 2011 und 2022 fast drei Milliarden Euro einsparte, indem er einen Großteil seiner Gewinne in den Niederlanden günstig versteuerte. Der Konzern habe eine besondere Steuervergünstigung, die so genannte „Innovation Box Tax“, in Anspruch genommen. Dass "ein Kommissar aus einer der größten Steueroasen und mit persönlicher Steueroasen-Vergangenheit diese Aufgaben (des Steuerkommissars Anm. d. Verf.) übernehmen soll, ist ein schlechtes Zeichen“, so Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Marta Kos

Reinis Inkēns, Saeimas Kanceleja - CC-BY-SA 2.0
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Die Kandidatin Kos aus Slowenien arbeitet als Senior Advisor bei Kreab, einer der größten Lobbyberatungsunternehmen für Großunternehmen. Zu den Firmenkunden von Kreab gehören Amazon, Google und BP, aber auch Banken und Chemiehersteller. Aus unserer Sicht muss sie hre Kund:innen der Öffentlichkeit nennen, bevor sie Kommissarin werden kann.

Olivér Várhelyi

European Parliament CC-BY 2.5 -
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Várhelyi ist derzeitiger Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung. Es ist fraglich, ob er die Anhörungen im Europäischen Parlament überstehen wird, da er während seiner Zeit als Kommissar an vielen Kontroversen beteiligt war. Beispielsweise bezeichnete er Abgeordnete des Europäischen Parlaments als „Idioten“. Dem Nationalisten und Vertrauten von Viktor Orbán wurde wiederholt vom Parlament vorgeworfen, bei den Erweiterungsgesprächen die Notwendigkeit demokratischer Reformen zu negieren oder den Schutz der territorialen Integrität infrage zu stellen.

Henna Virkkunen

Henna Virkkunen
EP/European Union 2024 -
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Henna Virkkunen

Die zukünftige Exekutiv-Vizepräsidentin für Digitales, Virkkunen, ist Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Platform Economy" von SME Connect. Der Verband gibt vor, die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu vertreten. Zu seinen Mitgliedern gehören aber auch Google, Meta und Amazon. 

Hadja Lahbib

Belgische Ratspräsidentschaft 2024 - CC-BY 2.0
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Lahbib ist bisher belgische Außenministerin. In ihrem früheren Job als Journalistin hat sie 2022 eine von Russland finanzierte Krim-Reise in Anspruch genommen. Das muss dringend aufgeklärt werden. Auch gab es ein Misstrauensvotum gegen sie, weil sie einer iranischen Delegation um den Teheraner Bürgermeister Alireza Zakani – ein Ultra-Radikaler des iranischen Regimes – 2023 Visa für einen Brüsseler Städtegipfel (12.-15. Juni) ausstellen ließ. Sie soll das Humanitäre-Hilfe Ressort erhalten.

Wenn wir weitere Interessenkonflikte ermitteln, werden wir diesen Blog für Sie ergänzen.

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