Lobbyismus in der EU

EU-Kommission gibt Bericht zu Glyphosat nur an Monsanto heraus

Die EU-Kommission hat der Nichtregierungsorganisation Testbiotech e.V. zufolge die Herausgabe eines Berichts des Bundesinstituts für Risikobebewertung (BfR) zum Pflanzenschutzmittel Glyphosat verweigert. Gleichzeitig hatten Monsanto und andere Hersteller von Glyphosat Zugang zu ihm. Das ist inaktzeptabel.
von 18. August 2015

Die EU-Kommission hat der Nichtregierungsorganisation Testbiotech e.V. zufolge die Herausgabe eines Berichts des Bundesinstituts für Risikobebewertung (BfR) zum Pflanzenschutzmittel Glyphosat verweigert. Gleichzeitig hatten Monsanto und andere Hersteller von Glyphosat Zugang zu ihm. Der Bericht spielt eine wichtige Rolle in der laufenden EU-Debatte um die Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittels. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte es kürzlich als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hingegen hat das Mittel bereits 2014 für unbedenklich erklärt und die Wiederzulassung empfohlen.

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EU-Kommission verschleppt Entscheidung trotz gesundheitlicher Gefahren

Die Art und Weise, wie die EU-Kommission nun bei der Frage der Wiederzulassung von Glyphosat verfährt, ist äußerst fragwürdig. Eigentlich ist die Europäische Zulassung für Glyphosat bereits 2012 ausgelaufen, die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA), die über die Gefährlichkeit des Pflanzenschutzmittels entscheiden soll, verschob jedoch die Entscheidung auf 2015. Schon lange gibt es Bedenken, ob Glyphosat tatsächlich ungefährlich ist. Die renommierte Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheits­organisation WHO ist inzwischen zu der Einschätzung gekommen, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist.

Monsanto bekommt Zugang zum Bericht und produziert rasch eine Gegenstudie

Ein Monsanto Pestizid wird für die Versprühung auf dem Feld vorbereitet.

Ein Monsanto Pestizid wird für die Versprühung auf dem Feld vorbereitet.

Das BfR arbeitet der Europäischen Behörde als Berichterstatter zu. Der Bericht bleibt trotz der aktuellen Studie der WHO dabei, dass das Pflanzenschutzmittel unbedenklich ist. Monsanto und andere Hersteller von Glyphosat hatten laut Testbiotech Zugang zu einem aktuellen Entwurf des Berichtes, datiert vom Januar 2015. In Kenntnis dieses Entwurfes publizierte die Industrie rasch eine Studie, in der behauptet wird, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Diese Studie wurde dann wiederum vom BfR in seinem Abschlussbericht verwendet.

Als nun auch Testbiotech die Studie von der Europäischen Kommission erhalten wollte, wurde die Herausgabe verweigert, wie die Nichtregierungsorganisation heute in einer Presseerklärung zurecht kritisierte. Ihre Begründung: Eine Veröffentlichung der Daten zu diesem Zeitpunkt sei voreilig und würde den Prozess der Bewertung durch die EFSA unterminieren. Warum unterminiert eine Veröffentlichung der Studie die Bewertung, die Einsicht von Monsanto und anderen Glyphosat-Herstellern aber nicht? Eine atemberaubend absurde Vorstellung angesichts der eindeutigen Interessen, die Glyphosat-Produzenten in dieser Debatte haben.

EU-Kommission: An der Veröffentlichung besteht kein übergeordnetes Interesse

Auch die Behauptung, es gebe kein übergeordnetes öffentliches Interesse an einer Veröffentlichung der Daten, macht einen schlichtweg sprachlos. Glyphosat ist das am häufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel weltweit, seine Rückstände sind in vielen Lebensmitteln enthalten. Sollte es tatsächlich krebserregend sein, kann es die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern erheblich gefährden, wie Testbiotech erklärte.

Verbot von Chemikalien soll TTIP-Abkommen nicht gefährden

In der EU tobt derzeit eine generelle Debatte über problematische Chemikalien wie Glyphosat, bei der die Industrielobby bisher klar die Oberhand behält. Darüber haben wir bereits zuvor berichtet. Die Industrie zieht dabei alle Register und fordert insgesamt auf mehr Regulierungen zu verzichten. Ihr Argument: Man würde andernfalls das TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA gefährden.

Das zeigt insgesamt, wie bitter nötig eine öffentliche Debatte und die dafür notwendigen Informationen bei solch heiklen Entscheidungen, wie der Zulassung von möglicherweise gesundheitsgefährdenden Pflanzenschutzmitteln, sind. Die neue EU-Kommission unter Präsident Juncker hatte im vergangenen Herbst angekündigt insgesamt mehr Transparenz in Brüssel zu schaffen. Den Bericht des BfR nun nicht öffentlich zu machen, ist in Anbetracht dieser Ankündigungen eine herbe Enttäuschung und verhindert eine für Bürgerinnnen und Bürger wichtige öffentliche Debatte.

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Bildquelle: Werk eines Angestellten des United States Department of Agriculture (USDA); Foto: Monsanto Lasso herbcide to be sprayed on food crops. Generic is Alachlor.

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10 Kommentare

Lothar Heyer M. A.18. August 2015 um 17:26

Die EU-Kommission ist als offensichtliche Anlaufstelle für Lobbyisten wegen ihrer intransparenten Verfahren und fortwährender Verschleierungsversuche nicht tragbar, zudem wir als Bürger diese unverschämten Gehälter und Pensionen bezahlen. Man sollte sie abschaffen und nichts mehr ohne parlamentarische Kontrolle unter Beteiligung der Öffentlichkeit machen. Mittlerweile wird fast die gesamte Welt nur noch von geheimen Gremien gesteuert. Was hat das mit Demokratie zu tun? Dann können wir Wahlen auch gleich streichen.

Dr. Uwe Prutscher19. August 2015 um 9:24

Die EU-Kommission agiert und reagiert passgenau im Kontext unserer postdemokratischen Epoche der marktkonformen Demokratie, die nur noch obsolete Rituale erlauben will.
Der neoliberalen Ersatzreligion ist es nie um die Transparenz der Märkte oder gar um die Mehrung des Wohlstands für möglichst Viele gegangen – NEIN: Hauptziel dieser eigentlichen Wirtschaftskriminellen war von Anfang an die Konterrevolution gegen 1789 ff. und das Schleifen aller demokratischen Bastionen, welche die verheerende Wucht der Kapitalakkumulkation hätten behindern oder nur zeitweilig bremsen können: Brave New World der Westlichen Wertegemeinschaft!

Rainer Lodes19. August 2015 um 22:45

erstens hast Du vollkommen recht und zweitens würdest Du ohne Chancen gegen das gefährlichste Raubtier dieses PLaneten kämpfen.
Schau doch mal in Deiner Heimatgemeinde, was da alles für Dinger gedreht werden- offen oder verdeckt. Geh in die Partei Deiner Wahl und mische mit. Bals wirst Du dann erleben, wie Du langsam selber zum Schwein wirst.
Grüße aus der Unterwelt, Rainer

Ehrhard Lindemann21. August 2015 um 9:32

Ich denke,es sollte uns bewusst werden,dass unsere „Demokratie“ nur dem Zweck des Machterhalts der Herrschenden dient.Solange die Wahlberechtigten aber nur zu etwa 50%, aus welchen Gründen auch immer,an den Wahlen teilnehmen, wird sich nichts ändern.Man muss sich doch bewusst werden,dass die gewählten Parteien,wenn sie denn die Mehrheit an Stimmen von den etwa 50% der Wähler/innen erhalten haben,überhaupt keinen Grund zum Jubeln haben,denn das Wahlergebnis müsste ja eigentlich halbiert werden und dann sieht das Wahlergebnis doch ganz anders aus.Dann muss man nämlich feststellellen,dass die Mehrheit der Wahlberechtigten sie eben nicht gewählt haben.Man sollte nach meiner Ansicht sein Wahlrecht unbedingt wahrnehmen und dann eben seine Stimme einer kleineren Partei geben,der man am hesten noch meint vertrauen zu können.und nach persönlicher Einschätzung die Chance hat,in den Bundestag einziehen zu können.Je mehr Parteien im Bundestag vertreten sind,desto besser ist das für eine funktionierende Demokratie.

THEO21. August 2015 um 22:41

Die Bürger sind doch nur noch Organkonserven für die Politiker und Konzerne

Andy Sieber24. August 2015 um 14:34

Ich denke, jetzt reicht’s aber endgültig (nach TTIP & TISA & CETA) mit der Geheimniskrämerei der Brüsseler EU-Spinner, wir sollten diese korrupte Mistbande ausschalten, abschaffen, entmachten …. ICH BIN DAFÜR DIESE GANZE EU-BANDE IN BRÜSSEL KOMPLETT ABZUSCHAFFEN. Wir würden viel besser ohne die klarkommen. Wir haben in 28 Staaten der EU bereits 28 Parlamente, die könnten völlig ohne Brüssel mit Hilfe der modernen Technik (z.B. durch das superschnelle und nichtöffentliche Internet 2) kommunizieren und gemeinsame Beschlüsse, bzw. Empfehlungen aushandeln. KEIN EUROPÄER BRAUCHT DIE AUF UNSERE KOSTEN DORT IN BRÜSSEL SITZENDEN IDIOTEN !!! Und dort sitzen NUR Idioten (wer den Beugungswinkel von Gurken vorschreiben will, kann doch nicht richtig im Kopf sein). UND die ca. 15.000 Lobbyisten die dort sitzen gehören genauso abgeschafft und verboten. Lobbyismus gehört ins Strafgesetzbuch, Mindeststrafe: Einzug des gesamten Vermögens aller Beteiligten.

Jochen Böhrer27. August 2015 um 6:55

Also wenn ich das richtig verstehe: Eine Sicherheitsbewertung von einem Automobil mit hochfachlichen Details gehört NIE– aber auch NIEMALS dem Hersteller des Autos ausgehändigt.. dem Verein der Fahrradfreunde hingegen steht er zu.

Amarillinho12. November 2015 um 19:15

Unsinn. Wenn keiner mehr wählen geht dann heißt es eben 55% haben gewählt und das Wahlergebnis ist XY. Wer glaubt denn noch an Wahlen.

Holzwuermeli23. November 2015 um 17:52

Demokratie kann nur vom Volk für die Volksinteressen ausgeübt werden! Schlimm ist nur, dass das Volk viel lieber Fussball schaut als für seine Rechte, die auch gleichzeitig Pflichten sind, einzutreten bzw. sich Zeit nehmen wollen!

Ich frage mich, wo sind all Diejenigen geblieben die den Ruf: Wir sind das Volk, auf den Lippen hatten? Wo sind die „westlichen Bewunderer“ derer? Nunja, mit vollem Bauch und Luxus rundum hat man wohl kein Interesse mehr an „Demokratie“!

Raimund Weber25. November 2015 um 18:07

Hm – vielleicht nicht ganz richtig verstanden. In diesem Artikel ist keine Rede davon, die Einschätzung des BfR NIEMALS an Monsanto herauszugeben, sondern kritisiert wird vielmehr, dass Monsanto, das ein unmittelbares und rein wirtschaftliches Interesse an der weiteren Vermarktung von Glyphosat hat, Informationen exklusiv und vorab erhält und eine kritische NGO dies Infos nicht bekommt. Und Testbiotech als einen Haufen Amateure hinzustellen ist auch eine fragwürdige Annahme. Über die Seite dieser Organisation und entsprechende Links kann man sich persönlich ein Bild von den beteiligten Personen machen.