Kurzmeldung

Rückblick: Lobbyismus im Wahlkampf

Großflächige Werbeanzeigen, Briefe an Kunden oder Postwurfsendungen: Im Wahlkampf haben nicht nur Parteien, sondern auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände versucht, individuelle Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Diese Formen der Einflussnahme sind problematisch. Einerseits können sich alle Interessengruppen in die Debatten vor einer Wahl einbringen und ihre Positionen öffentlich vertreten. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Zunahme externer Unterstützungskampagnen die Gefahr mit sich bringt, dass Geld eine größere Rolle im Wahlkampf spielt und das demokratische Prinzip „eine Person, eine Stimme“ gefährdet. Einige Beispiele.
von 25. September 2013

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Großflächige Werbeanzeigen, Briefe an Kunden oder Postwurfsendungen: Im Wahlkampf haben nicht nur Parteien, sondern auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände versucht, individuelle Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Diese Formen der Einflussnahme sind problematisch.

Einerseits können sich alle Interessengruppen in die Debatten vor einer Wahl einbringen und ihre Positionen öffentlich vertreten. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Zunahme externer Unterstützungskampagnen die Gefahr mit sich bringt, dass Geld eine größere Rolle im Wahlkampf spielt und das demokratische Prinzip „eine Person, eine Stimme“ gefährdet. Besonders heikel wird es, wenn Kund/innen oder Mitarbeiter/innen in diese Wahlaktivitäten einbezogen werden – schließlich kann eine Abhängigkeit von Gehältern oder Verträgen die freie Entscheidung gefährden. Ein Überblick über einige bekannt gewordene Einflussversuche finanzstarker Interessengruppen und Unternehmen:

Gegenwind bei der Steuerpolitik

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Diese Anzeigen der INSM erschienen sowohl als großflächige Außenwerbung als auch als Zeitungsanzeigen

Besonders scharfen Gegenwind gab es zur Steuerpolitik. Fragen von Umverteilung gesellschaftlichen Wohlstands, etwa durch eine Vermögenssteuer, spielten in den Parteiprogrammen von SPD, Grünen und Linken eine Rolle. Das Thema rief etwa die arbeitgeberfinanzierte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und den Verband „Die Familienunternehmer“ auf den Schirm.

Die INSM produzierte großflächige Plakate mit der Aufschrift „Ist es gerecht, Steuern zu erhöhen?“. Der Verband „Die Familienunternehmen“ (ehemals ASU) startete eine Kampagne gegen die Vermögenssteuer, u.a. mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen mit dem Slogan „Von Franzosen beneidet, Chinesen kopiert, der Vermögenssteuer ruiniert“ auf den Farben der Deutschlandfahne. Die Kampagnen schienen Gehör gefunden zu haben: Im Wahlkampf avancierte das Schlagwort Steuererhöhungen zu einem der meist diskutierten Themen.

Krankenkassen: Briefe an die Kunden

Auch die von SPD und Grünen geplante Bürgerversicherung wurde zum Ziel im Wahlkampf. So verfassten gleich mehrere Krankenkassen – darunter die Privatkasse Barmenia und die gesetzliche Versicherung „Hanseatischen Krankenkasse“ – Briefe an ihre Kunden, um sie vor den Folgen einer Bürgerversicherung zu warnen. Unmissverständliches Ziel der Briefe war es, die Wahlentscheidungen ihrer Kundinnen und Kunden zu beeinflussen. Das Bundesversicherungsamt, die Aufsichtsbehörde der gesetzlichen Krankenkassen, wertete das Schreiben der Hanseatischen Krankenkasse laut Spiegel als „unzulässige Wahlbeeinflussung“.

Wahlaufruf von Tengelmann

Tengelmann

Die Tengelmann-Anzeige ist auf den Nachdenkseiten zu sehen

Massiv Wahlkampf betrieb auch Tengelmann (Kaiser’s, Tengelmann, KiK, Obi). Einige Tage vor der Wahl schaltete das Einzelhandelsunternehmen im Handelsblatt eine ganzseitigen Anzeige mit einem klaren Aufruf zur Wahl von Angela Merkel. Unter dem Titel „Im Zweifelsfall für die Raute“ zeigt die Anzeige einen großen Wahlzettel, auf dem sich Wähler zwischen Merkels zur „Raute“ gefalteten Händen und Steinbrücks viel diskutiertem „Stinkefinger“ entscheiden konnten. Laut Konzernpressestelle durfte die Kantine in der Unternehmenszentrale in Mühlheim an der Ruhr am Freitag vor der Wahl nur fleischlose Gerichte anbieten – als Protest gegen die Forderung der Grünen nach einem vegetarischen Tag („Veggie Day“) in öffentlichen (!) Kantinen.

Externe Wahlkampffinanzierung als Problem

Alle Beispiele zeigen: Hier geht es um finanzielle Unterstützung von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden für einzelne Parteien oder Parteilager. Dennoch fallen die Maßnahmen nicht unter die – ohnehin schon sehr schwachen – Transparenzregeln der Parteienfinanzierung. Auch eine mögliche Begrenzung der Parteienfinanzierung, wie LobbyControl sie fordert, wird durch solche Werbekampagnen unterlaufen. Das ist eine Tendenz, die in den USA die dortigen schärferen Regeln zur Parteienfinanzierung zum Teil ausgehebelt hat. Der Einfluss finanzstarker externer Akteure auf den Wahlkampf sollte daher kritisch unter die Lupe genommen. Darüber hinaus brauchen wir eine Diskussion über mögliche Schranken solcher Einflussnahme.

Weitere Beispiele:

Nachdenkseiten: WAHL-BILD und Co. – Endspurt der Pro-Merkel-PR

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6 Kommentare

Barbara FRiess25. September 2013 um 14:40

Können Sie auch einmal schreiben, wer keine Lobby hat: die Alleinerziehenden. Wir sind mit Kind und Beruf beschäftigt. Und: die CDU gibt uns trotz GG v Art 6 die Steuerklasse II, das ist Steuerklasse I und dieser lächerliche Haushaltsfreibetrag. Wir haben keine Abgeordneten in Berlin, und der VAMV schläft und gibt nicht einmal Infos weiter.
Erste Klage ist vor BVG

Barbara Friess
Freiburg

Critical25. September 2013 um 18:26

Vergessen Sie nicht, AUCH Patienten allgemein haben KEINE Lobby!
Patienten sind zum Spielball von Pharmaindustrie, Ärzteschaft, Apothekern und vielleicht ebenso von Krankenkassen geworden?
Wer steht denn Patienten bei?!

arnim25. September 2013 um 21:11

Am problematischsten bei der Wählerbeeinflussung durch Firmen und Verbände finde ich, dass parlamentarische Wahlen eigentlich eine Angelegenheit der Bürger sind und nicht von juristischen Personen. Es wird eine Volks- und keine Institutions-Vertretung. Deswegen sollten alle Nicht-Bürger sich da auch raushalten müssen.

Lobbyarbeit gefährdet da im Prinzip genauso die Gleichheit der Stimme wie Werbebriefe und Anzeigen: die Anteileigner einer Lobbyarbeit betreibenden Firma vergrößern ihren Einfluss auf die Politik damit deutlich über ihre einzelnen Stimmen hinaus.

Manfred Neuberger25. September 2013 um 22:33

Beim Einfluss finanzstarker externer Akteure auf den Wahlkampf sollten Sie nicht auf die Tabakindustrie und die Waffenindustrie vergessen!

Lieselotte Ahanner26. September 2013 um 12:27

Die OEDP hat in ihrem Grundsatzrogramm schon immer, dass ihre Abgeordneten keine Nebenbeschäftigung und kene Spenden von Lobbyisten annehmen dürfen.
Aber die kleinen Parteien, bei denen keine großen Spenden fließen, haben -auch in den Medien – keine großen Chancen, ihr Programm bekannt zu machen….. schade…..

Critical27. September 2013 um 14:11

Die Medien, ob Fernsehen, Rundfunk, Presse oder Internet, sind eben nicht das, was sie sein sollten, einfach zu informieren, damit der Bürger sich ein Bild machen, eine Meinung oder ein Urteil bilden kann … Wenn sie aber ihre Aufgabe lediglich halbherzig erledigen, im Grunde zu bequem sind, richtig zu recherchieren und alle Parteien, die noch nicht der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sind, wie sollen letztere in aller Munde sein?
Gerade die kleinen Parteien bekommen vom Bund entsprechend weniger Gelder aus Steuermitteln – die sie dann nutzen können, um sich durch eigene Werbekampagnen bei der Bevölkerung bekannt zu machen – als die großen und auch recht bekannten Parteien.
Ich finde, die Medien verhalten sich nicht gerade fair gegenüber den weniger oder kaum bekannten Parteien, so dass diese es natürlich ziemlich schwer haben, einen festen Stand im Bekanntheitsgrad der Öffentlichkeit zu finden …
Die Medien sollten ihrer Aufgabe jedoch gerecht werden, überparteilich, überregional, objektiv oder dgl. mehr, zu sein und eben den weniger bekannten Parteien – und das ist die Mehrheit (!) – gewissermaßen Schützenhilfe leisten, indem sie z.B. ganz neutral über deren Positionen zu bestimmten Themen informieren.
Der Wahl-O-Mat im Internet war m.E. eine gute Einrichtung und auch eine Art Hilfe …, ich hoffe, es bleibt nicht beim einen Mal …
Aber nicht jeder hat Internet!