Pressemitteilung

Unabhängige EU-Ethikbehörde mit Biss wird benötigt

Die NGOs Transparency International, Corporate Europe Observatory und LobbyControl fordern die Verhandelnden der EU-Ethikbehörde in einem offenen Brief auf, eine unabhängige Ethikbehörde mit weitgehenden Untersuchungsbefugnissen zu schaffen.

von 30. Januar 2024

Ein unabhängiges Ethikgremium für alle EU-Institutionen – das war ein wichtiges Wahlversprechen von Kommissionspräsidentin von der Leyen. Die EU-Institutionen sollten damit „offen und unanfechtbar bei den Themen Ethik, Transparenz und Integrität“ werden. Derzeit verhandeln Parlament, Kommission und Rat sowie weitere EU-Institutionen endlich über dieses Gremium.

Am heutigen 30.01.2024 findet ein Treffen aller Verhandlungspartner:innen statt. Aber was derzeit diskutiert wird, wird den Anforderungen bei weitem nicht gerecht. In einem offenen Brief fordert LobbyControl gemeinsam mit anderen Transparenzorganisationen die Verhandler:innen auf, eine unabhängige Ethikbehörde mit weitgehenden Untersuchungsbefugnissen zu schaffen.

Aktuelle Verhandlungsgrundlage geht am Kern des Problems vorbei

Nina Katzemich, EU-Campaignerin bei LobbyControl erklärt: „Katargate hat es noch einmal mehr als deutlich vor Augen geführt: Die bisherigen Kontrollinstanzen bei den einzelnen Institutionen sind zu schwach. Das gilt nicht nur für das EU-Parlament, auch andere Institutionen zeigen einen zu nachlässigen Umgang mit den Verhaltensregeln. Es braucht eine durchsetzungsfähige und neutrale Behörde für alle Institutionen, für alle Fragen von Ethik und Lobbytransparenz. Was die EU-Kommission als Verhandlungsgrundlage auf den Tisch gelegt hat, geht am Kern des Problems vorbei. Dieses Gremium hätte keinerlei Verantwortung für individuelle Regelverstöße und keine Ermittlungsbefugnisse. Der solide Vorschlag, den das Parlament bereits 2021 vorgelegt hatte, ist darin nicht mehr zu erkennen.“

Die Kontrolle der Einhaltung von Ethikregeln – wie Seitenwechsel nach dem Amt/Mandat oder Nebenverdienste – liegt derzeit bei jeweils eigenen Gremien in Parlament und Kommission. Damit überwachen Abgeordnete, Kommissar:innen und Beamt:innen sich jeweils selbst. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das nicht funktioniert: Im EU-Parlament gab es in den letzten fünf Jahren mindestens 24 Verstöße gegen die Ethikregeln, von denen jedoch kein einziger zu Sanktionen geführt hat. Das Ethikgremium der EU-Kommission gestattete einem Ex-Kommissar einen Posten bei der Fake-Organisation „Fight Impunity“, die im Mittelpunkt des Katargate-Korruptionsskandals stand. Das Gremium überprüfte nicht einmal, ob sich die Organisation wie gefordert ins Lobbyregister eintrug.

Durchsetzungsfähige Behörde wird gebraucht

Auch bei Seitenwechseln der Beamt:innen und Mitarbeiter:innen der EU-Kommission mahnte die EU-Bürgerbeauftragte im Mai 2022, dass die problematische Wirkung von Beamt:innen, die ihr Wissen und ihre Netzwerke in den privaten Sektor einbringen, von der Verwaltung systematisch unterschätzt wird.

Nina Katzemich erläutert: „Die Beispiele zeigen: Das System der Selbstüberwachung funktioniert nicht, es mangelt an Distanz. Zu leicht kann man selbst in die gleiche Situation geraten, in der sich der/die Kolleg:in gerade befindet. Es braucht neutrale und unabhängige Überprüfungen, ob die Regeln eingehalten werden. Eine einzige Behörde für alle Institutionen mit Untersuchungskompetenzen nach dem Vorbild der französischen Hohen Behörde für Transparenz im öffentlichen Leben wäre die effektivste Lösung. Dies gilt umso mehr, sollten nach der Wahl viele rechtspopulistische Abgeordnete ins Parlament einziehen. Diese haben kein Interesse, die demokratischen Spielregeln einzuhalten.“

Heute werden sich die Verhandler:innen erneut zusammenfinden. Jeder Ansatz, dem Gremium einige unabhängige Untersuchungsbefugnisse an die Hand zu geben, ist als erster Schritt besser als der Vorschlag der EU-Kommission. Leider scheinen einige Institutionen, vor allem Kommission und Europäischer Rat, selbst bei diesen kosmetischen Verbesserungen auf der Bremse zu stehen.


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