Nebeneinkünfte

Schweinegrippe: „Dr. Flu“ beschäftigt Untersuchungsausschuss

Anmerkungen vom 23.3.2020: Im Zuge der Corona-Krise wird dieser Blogeintrag wieder vermehrt aufgerufen. In einigen Meinungsbeiträgen in sozialen Medien wird die damalige Auseinandersetzung um die Schweinegrippe herangezogen, um in der aktuellen Situation gegen die weitreichenden Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zu argumentieren und vor „Panikmache“ zu warnen. Ein solcher Verweis greift allerdings zu kurz. Damals […]
von 8. Januar 2010

Anmerkungen vom 23.3.2020:

Im Zuge der Corona-Krise wird dieser Blogeintrag wieder vermehrt aufgerufen. In einigen Meinungsbeiträgen in sozialen Medien wird die damalige Auseinandersetzung um die Schweinegrippe herangezogen, um in der aktuellen Situation gegen die weitreichenden Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zu argumentieren und vor „Panikmache“ zu warnen. Ein solcher Verweis greift allerdings zu kurz. Damals ist in der Tat einiges schiefgelaufen, wie wir in diesem Artikel und auch an anderen Stellen (z.B. Lobbypedia: GlaxoSmithKline) darstellen. Aus den damaligen Vorgängen lässt sich aber nicht einfach ableiten, die aktuelle Krise würde aus dem Eigeninteresse von Wissenschaftler/innen oder Konzernen erwachsen. Es gibt derzeit keine Anhaltspunkte, dass die aktuelle Corona-Krise einfach auf interessegeleiteten Fehlinterpretationen oder sogar Manipulationen beruht. Eine solche These bräuchte starke Belege, die beispielsweise Wolfgang Wodarg in seinen Behauptungen zur Corona-Krise nicht liefert. Sichtbar wird aber in der heutigen Situation besonders, wie problematisch es ist, wenn durch Interessenverflechtungen und Lobbyeinflüsse im Zusammenhang mit der Schweinegrippe, Vertrauen in öffentliche Einrichtungen verloren geht. Das zeigt, wie wichtig öffentliche Finanzierung, Transparenz und strenge Regeln im Umgang mit Interessenkonflikten sind.

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Interessenskonflikte und Verdacht der Bereicherung / Kritik an Ständiger Impfkommission und europäischer Zulassungsbehörde EMEA

Prof. Albert Osterhaus forscht und lehrt an der Amsterdamer Erasmus-Universität und berät die Weltgesundheitsorganisation WHO. Der einflussreiche Virologe, der mittlerweile auch unter dem Spitznamen „Dr. Flu“ (Dr. Grippe) bekannt ist, lieferte die wissenschaftliche Grundlage für die Bewertung der sogeannten „Schweinegrippe“ (H1N1) und darauf aufbauende Pandemie-Ängste.

Die Tageszeitung Junge Welt berichtete am 5. Januar 2010: „Mit zunehmender Kritik an Dr. Flu sind auch dessen finanzielle Verflechtungen mit den großen Konzernen und seine offensichtlichen Interessenkonflikte als Berater der WHO und der holländischen Regierung ins Visier gekommen. Seit Anfang Oktober geht ein Untersuchungsausschuss in der Zweiten Kammer des holländischen Parlaments der Frage nach, ob Osterhaus seine Position ausgenutzt hat, um sich persönlich zu bereichern. Insgesamt geht es um Milliarden Euro Steuergelder, die die H1N1-Pandemiehysterie in die Kassen der Pharmakonzerne gespült hat.“

Wissenschaftliche Arbeitsgruppe zur Grippe von Impfstoffherstellern finanziert

Osterhaus ist, wie der Berliner Tagesspiegel berichtete, auch Vorsitzender der Lobby-Gruppe „European Scientific Working Group on Influenza“ (Europäische Wissenschaftliche Arbeitsgruppe zur Grippe), die nach Angaben des Magazins „Der Spiegel“ „die Vorteile und die Sicherheit von Influenza-Impfstoffen und antiviralen Medikamenten“ propagiert und dafür unter anderem von den Impfstoffherstellern GlaxoSmithKline (GSK), Novartis, Baxter und Sanofi finanziert wird. Mitglied der o.g. Arbeitsgruppe sei auch der deutsche Mediziner Robert Haas, der beim staatlichen Robert-Koch-Institut in Berlin für die Koordinierung der Pandemieplanung zuständig ist.

Weltweit gaben Regierungen schätzungsweise mehr als 20 Milliarden Euro für H1N1-Impfstoffe wie „Focetria“ (Hersteller: Novartis) „Celvapan“ (Baxter) und „Pandemrix“ (GlaxoSmithKline) aus.

Wie sich derzeit heraus stellt, werden in Deutschland weit weniger als die bestellten 50 Millionen Impfstoff-Dosen verbraucht werden. Rp-online vermeldete am 7. Januar 2010, dass die deutschen Bundesländer derzeit eine Halbierung der Lieferung mit GlaxoSmithKline zu erreichen versuchen und dabei auf die Kulanz des Unternehmens setzen.

Ständige Impfkommission alles andere als unabhängig

Die Organisation Transparency International (TI) übte bereits im vergangenen Jahr scharfe Kritik am Verhalten von Medien, Politik und Pharma-Lobby in Bezug auf die Grippe H1N1. Die Krankheit sei „katastrophenmäßig aufgebauscht worden und habe sich als Papiertiger entpuppt“, sagte TI-Vorstandsmitglied Anke Martiny. „Bei der Schweinegrippe habe ich den deutlichen Verdacht, daß sie im wesentlichen den Anbietern der Impfstoffe genützt hat.“

In einer Pressemitteilung vom 14. September 2009 lenkte TI die Aufmerksamkeit auf mögliche Interessenkonflikte der Mitglieder der „Ständigen Impfkommission“ (STIKO) der Bundesrepublik Deutschland. Deren Vorsitzender Prof. Dr. med. Heinz-Josef Schmitt wechselte beispielsweise im Herbst 2007 zum Pharma-Konzern Novartis. 2006 hatte er, so berichtete das Deutsche Ärzteblatt, „einen Preis wegen seiner Förderung des Impfgedankens angenommen – bezahlt von Sanofi Pasteur MSD, dem Unternehmen, dessen Impfstoff Gardasil gegen Gebärmutterhalskrebs die STIKO im März 2007 empfahl.“ Von den 16 Mitgliedern der STIKO sollen derzeit mindestens 12 in Nebenverdiensten von der Pharma-Industrie Geld erhalten.

Ferner erklärte TI bereits im vergangenen Jahr: „Die Zulassung des Impfstoffs erfolgte durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA, deren Arbeit Transparency Deutschland seit Jahren äußerst kritisch beobachtet. Sowohl die Unterstellung der EMEA unter die Generaldirektion Wirtschaft und nicht unter die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz (DG Sanco) der Europäischen Kommission, als auch ihre Finanzierung zu fast zwei Dritteln durch die pharmazeutische Industrie wird als höchst problematisch angesehen, zumal eine Überprüfung der Zulassungsunterlagen durch externe Wissenschaftler grundsätzlich erst nach der erfolgten Zulassung möglich ist.“

Quellen:
„Pharma-Lobbyist des Tages“, junge welt vom 5. Januar 2010 – http://www.jungewelt.de/2010/01-05/043.php

„Schweinegrippe: Höchste Warnstufe“, Der Tagesspiegel, 1. November 2009,  http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Schweinegrippe;art1117,2938086

„Länder wollen nur die Hälfte des Impfstoffs“, rp-online vom 7. Januar 2010 – http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/Laender-wollen-nur-die-Haelfte-des-Impfstoffs_aid_803713.html

„Reibach mit der >>Schweinegrippe<<“, junge welt, 28. Dezember 2010 – http://www.jungewelt.de/2009/12-28/026.php?sstr=Schweinegrippe

„Transparency kritisiert potenzielle Interessenkonflikte und intransparente Entscheidungsprozesse bei der ständigen Impfkommission STIKO“, Pressemitteilung, Transparency International vom 14. September 2009 – http://www.transparency.de/2009-09-14-Schweinegrippe.1494.0.html

„Ständige Impfkommission: Unter Anwendungsbeobachtung“, Deutsches Ärzteblatt, 7. Dezember 2007-  http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=57820

Zusätzliche Hintergrund-Informationen:

„Schweinegrippe-Impfung“ auf wikipedia.org  – http://de.wikipedia.org/wiki/Pandemrix

„Ständige Impfkommission“ wikipedia, abgerufen am 7. Januar 2010  – http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4ndige_Impfkommission

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