Nebeneinkünfte

Christian Wulff – leider kein Einzelfall

Bereits im Dezember haben wir uns in der Frankfurter Rundschau erstmals zur Kreditaffäre des Bundespräsidenten Christian Wulff geäußert. Seit dem ist kaum ein Tag vergangen, an welchem die Presse nicht mit neuen Enthüllungen aufwarten konnte. Gestern berichtete der Journalist Hans-Martin Tillack im Stern über die engen Verflechtungen zwischen Christian Wulff, seinem ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker […]
von 27. Januar 2012

Bereits im Dezember haben wir uns in der Frankfurter Rundschau erstmals zur Kreditaffäre des Bundespräsidenten Christian Wulff geäußert. Seit dem ist kaum ein Tag vergangen, an welchem die Presse nicht mit neuen Enthüllungen aufwarten konnte. Gestern berichtete der Journalist Hans-Martin Tillack im Stern über die engen Verflechtungen zwischen Christian Wulff, seinem ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker und dem Eventmanager/Lobbyisten Manfred Schmidt.

Wulff unter Lobbyisten

Christian Wulff am Pariser Platz 2010, Foto: Franz Richter

Nach Tillacks Recherchen hat Wulff unmittelbar nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten an einer von Manfred Schmidt organisierten Party am Pariser Platz in Berlin teilgenommen. Unter den Gästen befanden sich Lobbyisten und Vertreter verschiedenster Unternehmen wie Celesio, BMW und Daimler. Zumindest für einen Lobbyisten, den Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), präsentiert der Stern auch eine Rechnung über 3.000 Euro für die Teilnahme an der „Netzwerkveranstaltung zur Bundespräsidentschaftswahl“. Hier zeigt sich klar das Geschäftsmodell solcher Partys: Politiker werden verwöhnt, damit man den Zugang zu ihnen als Leistung an Lobbyisten und Unternehmensvertreter verkaufen kann. Wulff selbst lud auf Kosten des Veranstalters über 80 Personen ein. Darunter seine Tochter Annalena, Egon Geerkens, Philipp Rösler und Martina Krogmann.

Ferner veröffentlicht der Stern in der Printausgabe erstmals Auszüge aus dem Emailverkehr von Olaf Glaeseker. Dieser warb in seiner Funktion als niedersächsischer Regierungssprecher aktiv Sponsoren für die Lobbyveranstaltung Nord-Süd-Dialog. So heißt es in einer Email: „Wir würden uns auch im Namen von Ministerpräsident Christian Wulff freuen, wenn wir auch in diesem Jahr die Deutsche Messe wieder als Sponsor für die Veranstaltung gewinnen könnten„. Und Wulff als Werbemittel funktionierte, wie eine andere Email des Kommunikationschefs der Firma Evonik belegt: „Bei Wulli Wulli bin ich dabei; schließlich ist er nicht nur gut und Niedersachsen schön – er könnte auch mal Kanzler werden. Darf Evonik da fehlen? Siehste„.

Wulff will davon nichts gewusst haben. Doch soll er nach Medienberichten als Ministerpräsident auch persönlich bei den Unternehmen Tui, Talanx und der Deutschen Bahn für den Nord-Süd-Dialog geworben haben. Die taz berichtet zudem darüber, dass sich auch der damalige Chef der Staatskanzlei, Lothar Hagebölling – heute Chef des Bundespräsidialamts -, für das Gelingen des von Schmidt organisierten „Nord-Süd-Dialogs“ einsetzte. Als es Streit mit dem Flughafen Hannover gab, traf sich Hagebölling auf Bitten von Wulffs damaligem Sprecher Olaf Glaeseker mit Flughafen-Chef Raoul Hille, um die Wogen zu glätten. Ein weiteres Detail, wie in den Kontakten zu dem Eventmanager Schmidt die Grenzen zwischen privaten Geschäftsinteressen und öffentlichen Angelegenheiten verwischt wurden.

Kein Einzelfall – sondern Teil einer falschen politischen Kultur

Gegen Glaeseker und Schmidt wird inzwischen ermittelt. Aber auch bei Wulff stellt sich zunehmend die Frage, wie stark er in die Geschäfte verstrickt war, welche politische Verantwortung er dafür trägt oder inwiefern er selbst die rechtlichen Vorgaben verletzt hat. Die zuständige Staatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht gegeben, während der Staatsrechtler Hans Heribert von Arnim den Verdacht der Vorteilsnahme sieht.

Allerdings darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, dass es sich hier nicht um die Verfehlung eines einzelnen Politikers und seines ehemaligen Sprechers handelt. Auch der amtierende Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit und die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt haben die Dienste von Manfred Schmidt in Anspruch genommen. Und Die CDU hat in NRW Treffen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers verkauft.

Wir haben es also mit einem strukturellen Problem zu tun. Der Zugang zu Politikern und Entscheidungsträger dient als Treibstoff für Partys, Einladungen und Sponsoring-Aktivitäten, von denen Veranstalter wie Manfred Schmidt, Unternehmen und Lobbyisten profitieren wollen – aber eben auch Parteien und Politiker. Mit dem Rücktritt einer Person ist es somit nicht getan. Vielmehr brauchen wir endlich klare gesetzliche Regeln und Schranken. Das die bestehenden Regeln nicht ausreichend sind, zeigt sich auch am Beispiel Wulff. Selbst bei einem Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz droht ihm keine Strafe. Diese ist schlichtweg nicht vorgesehen.

Die Bundesregierung muss dem Lobbyismus endlich Schranken setzen

Wie schon in unserer Halbjahresbilanz zur schwarz-gelben Koalition, fordern wir die Bundesregierung auf, dass Thema Lobbyismus nicht länger zu ignorieren. Die Staatengruppe gegen Korruption hat  bereits vor zwei Jahren einen deutlichen Reformbedarf im Bereich des Parteisponsorings, bei Direktspenden an Abgeordnete und bei der Offenlegung von Parteispenden festgestellt. Die Bundesregierung hat die Empfehlungen der Staatengruppe jedoch ohne überzeugende Begründung zurückgewiesen. Ebenso wurde die Chance verpasst, mehr Transparenz bei Abgeordneten-Nebentätigkeiten herzustellen und überzeugende Regeln zur Vorbeugung von Interessenkonflikten einzuführen.  Diese Probleme gilt es nun zusammen mit einer stärkeren Kontrolle  und Begrenzung von Geschenken und geldwerten Dienstleistungen an Politikern durch Lobbyisten anzugehen. Anzugehen ist auch die lange ausstehende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption, die Deutschland vor bald 10 Jahren unterzeichnet hat. Neben Tschechien ist Deutschland das einzige europäische Land, dass die Konvention noch nicht ratifiziert hat.

Neben rechtlichen Verbesserungen brauchen wir eine politische Kultur, in der finanzielle Verstrickungen zwischen Mandats- und Amtsträgern etwas Außerordentliches ist und nicht Alltag und in der Politiker klar in der Lage sind, zwischen ihrer Funktion als demokratisch legitimierte Repräsentanten und ihrer privaten Person zu unterscheiden.

Weiterlesen:
Auch die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, kritisiert im Zeit-Interview, dass Wulff kein Gespür für die notwendige Abgrenzung zu Wirtschaftsvertretern hat und bis heute keinerlei Einsicht zeigt, sondern seine Gratis-Urlaube, sein enger Kontakt zu Unternehmern und das Entgegennehmen von Vergünstigungen seiner zahlreichen Freunde für ihn ganz selbstverständlich sind.

Foto: Franz Richter (Lizenz: CC BY-SA 3.0)

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