Die Diskussion um mehr Transparenz und klare Regeln für Lobbyismus kommt in Deutschland seit Langem nicht recht voran. Zwar wurde um Themen wie ein verpflichtendes Lobbyregister bei den Koalitionsverhandlungen gerungen, aber substanzielle Fortschritte waren im Ergebnis nicht zu verzeichnen. Mit unserer Fachveranstaltung am 25. September in Berlin verfolgten wir das Ziel, der hiesigen Debatte neue Impulse zu verleihen und mit Politikern sowie Vertretern von Verbänden, Unternehmen und Lobbyagenturen ins Gespräch zu kommen: Welche Lösungen wurden in anderen Ländern gefunden? Was davon kann ein Vorbild für uns hier in Deutschland sein und was auch nicht?
Einen engagierten und inspirierenden Einblick in das 2015 eingeführte System der Lobbyregulierung in Irland gab uns die Leiterin der dortigen Lobbyaufsicht, Sherry Perreault. Perreault berichtete detailliert darüber, wie Lobbyarbeit im irischen Gesetz definiert ist und wer sich entsprechend in das Register eintragen muss. Wichtig: Alle Lobbyisten müssen ihre Auftraggeber und Ziele klar benennen. Zusätzlich muss jeder Kontakt, sei es ein Gespräch, eine E-Mail oder ein Telefonat zu bestimmten politischen Funktionsträgern (Designated Public Office Holder) im Lobbyregister angegeben werden. Damit hat Irland eines der weitgehendsten Lobbyregulierungs-Systeme im internationalen Vergleich und es lohnt sich, das Für und Wider eines solchen Systems zu diskutieren. Entsprechend hörten auch die anwesenden Vertreter aus Politik und Wirtschaft aufmerksam zu, was uns freute. Perreaults Behörde hat darüber hinaus weitgehende Ermittlungs- und auch Sanktionsmöglichkeiten. „Unser Ziel ist es aber nicht zu strafen, sondern aufzuklären. Bisher reichte lediglich der Verweis auf die Sanktionsmöglichkeiten, um eine Einhaltung der Regeln zu erreichen,“ so Perreault. Für uns ein wichtiger Beleg dafür, dass Verstöße gegen Regeln auch Folgen haben müssen und schon die theoretische Möglichkeit dieser Folgen wichtig für die Durchsetzung ist.
Im Anschluss an den Vortrag diskutierten wir die Situation in Deutschland und anderen Ländern mit:
- Britta Haßelmann, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
- Eva Högl, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion
- Andreas Kovar, Partner und Geschäftsführer von Kovar & Partners, Wien/Berlin/Brüssel/Zürich
- Sherry Perreault, Head of Ethics and Lobbying Regulation, Irland
- Stephan Thomae, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion
In der an den Vortrag unseres Gastes aus Irland anschließenden Podiumsdiskussion vertieften wir die Frage, warum es in Deutschland nach wie vor lediglich eine unverbindliche Verbändeliste beim Bundestag gibt und kein verpflichtendes Lobbyregister, obwohl selbst viele Lobbyisten sich inzwischen klare und allgemeinverbindliche Regeln wünschen.
Viel Zustimmung auf dem Podium
Alle auf dem Podium vertretenen Gäste stimmten dann auch in diesem Punkt überein: Mehr Transparenz ist der richtige Weg. Britta Haßelmann (Grüne) und Eva Högl (SPD) verwiesen auf die inzwischen zahlreichen Initiativen ihrer Fraktionen, um in Sachen Transparenz endlich voranzukommen. Neben dem Lobbyregister sei auch ein Legislativer Fußabdruck wichtig, der die konkrete Beteiligung an Gesetzentwürfen der Regierung transparent machen würde. Auch mehr Öffentlichkeit in den Ausschüssen des Bundestages wäre ein Fortschritt. Stephan Thomae (FDP) widersprach dem Grundanliegen nach mehr Transparenz und Regeln für die politische Interessenvertretung nicht. Natürlich betonte er aber – sonst wäre er auch kein guter FDP-Politiker – dass das Ganze nicht zu übermäßiger Bürokratie und Belastungen für die Unternehmen werden dürfte.
Insgesamt also ein erfreulicher Eindruck und viel Momentum hin zu einer besseren Lobbyregulierung auch in Deutschland. Mit einer Ampel-Koalition wären wir da wohl schon weiter, denn Einigkeit herrschte auch, dass es vor allem die Unionsfraktion sei, die im Bundestag immer wieder mehr Transparenz verhindert. Allerdings scheinen auch da die Widerstände langsam zu bröckeln wie Eva Högl zu berichten wusste, die für die SPD das Thema bei den Koalitionsgesprächen mit der Union verhandelte.
Lobbyregister kein Neuland mehr
Abgerundet wurde der Blick auf verschiedene Länder durch den Beitrag von Andreas Kovar, Chef der größten österreichischen Lobbyagentur. Kovar setzt sich seit langem für verbindliche Spielregeln und ein Lobbyregister ein. Seine Erfahrungen aus Österreich, wo es nach großen Korruptionsskandalen zur Einführung eines Registers kam, sollten zu denken geben. Heute sind eigentlich alle Seiten mit dem Register in Österreich unzufrieden. Ein Kernproblem, auf das Kovar verwies, ist die ungenaue Definition davon, wer eigentlich registrierungspflichtig ist.
Insofern kann Deutschland in mehrfacher Hinsicht von den europäischen Nachbarn lernen: Gut, dass international immer mehr Erfahrungen mit Lobbyregistern gesammelt werden. Als LobbyControl werden wir uns dafür einsetzen, dass der Impuls der Veranstaltung nicht verpufft und wir noch in dieser Wahlperiode zu einem Fortschritt kommen werden – trotz des Scheiterns in diesem Punkt bei den Koalitionsverhandlungen.
Weiter Bilder:
Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.