Lobbyregister

Großbritannien führt Lobbyregister ein – gerade 20% der Lobbyisten müssen sich registrieren

In Großbritannien tritt in dieser Woche ein verpflichtendes Lobbyregister in Kraft. Leider ist das bei der letzten Parlamentswahl durch die Regierungskoalition vollmundig angekündigte Register als Bettvorleger gelandet.
von 24. März 2015

In Großbritannien tritt in dieser Woche ein verpflichtendes Lobbyregister in Kraft. Leider ist das bei der letzten Parlamentswahl durch die Regierungskoalition vollmundig angekündigte Register als Bettvorleger gelandet. Es erfasst nur einen Bruchteil aller Lobbyisten, gibt kaum Informationen preis und greift nur, wenn es einen direkten Kontakt zur Regierung gibt.

Das Bild zeigt das Straßenschild der Downing Street. Dort befindet sich der offizielle Amts- und Wohnsitz von zwei der wichtigsten britischen Regierungsmitglieder – des Premierministers und des Schatzkanzlers.

Das Bild zeigt das Straßenschild der Downing Street. Dort befindet sich der offizielle Amts- und Wohnsitz von zwei der wichtigsten britischen Regierungsmitglieder – des Premierministers und des Schatzkanzlers.

Es hätte so schön sein können: Endlich führt eines der großen europäischen Länder ein verpflichtendes Lobbyregister ein. Endlich frischer Wind in die schleppenden Debatten um Lobbytransparenz in ganz Europa. Es wäre mit Sicherheit ein Anlass für andere europäische Staaten gewesen, ihre Blockadehaltung gegen effektive Maßnahmen für mehr Lobbytransparenz ebenfalls zu überdenken. Zum Beispiel für Deutschland, in dem es bislang absoluten Stillstand in Sachen Lobbyregister gibt.

Register erfasst gerade 20% der britischen Lobbyindustrie

Doch leider ist das Register, das so genannte „Statutory Register of consultant lobbyists“ eine herbe Enttäuschung.

Denn erstens werden nur solche Lobbyakteure erfasst, die im Auftrag Dritter Lobbyarbeit betreiben, also hauptsächlich Lobbyagenturen. Laut den britischen Transparenzorganisationen „Unlock Democracy“ und „Spinwatch“ handelt es sich um gerade einmal 20% der kommerziellen Lobbyindustrie Großbritanniens. Das Register bezieht also weder die so genannten „Inhouse-Lobbyisten“ mit ein, die direkt von Unternehmen für Lobbyarbeit angestellt sind, noch Verbände, NGOs, Think Tanks usw. Einer offiziellen Stellungnahme des britischen Parlaments nach belaufen sich die Lobbykontakte zwischen Ministern und den „agency lobbyists“ auf gerade einmal 1% der gesamten Treffen, die Minister mit Lobbyisten hatten.

Zweitens deckt das Register lediglich Kontakte mit Ministern und den jeweils obersten Beamten eines Ministeriums, den sogenannten „Permanent Secretaries“ ab. Erst wenn es einen direkten (schriftlichen, mündlichen, persönlichen) Kontakt für einen bestimmten Kunden gibt, müssen die Lobbyagenturen die betreffenden Kunden registrieren. Die zahlreichen Kontakte mit mittleren Beamten oder Abgeordneten fallen unter den Tisch.

Drittens: Außer dem Namen des Kunden erfährt die Öffentlichkeit praktisch nichts. Weder mit wem konkret gesprochen wurde, noch zu welchem Thema, noch welches Budget der Kunde für die Lobbyarbeit aufwendet.

Nur 20 Organisationen wollen sich registrieren

Die Regierungskoalition von Premierminister David Cameron hatte ein verpflichtendes Lobbyregister 2010 im Koalitionsvertrag vereinbart. Premierminister David Cameron hatte nach einer Reihe von Lobbyskandalen im Wahlkampf versprochen, Lobbyarbeit transparenter zu machen. Kurz vor der nächsten Wahl, ganze fünf Jahre später, ist das Ergebnis nun ein Lobbyregister, das seinen Zweck verfehlt, weil es nur einen minimalen Ausschnitt aus dem Lobbygeschäft zeigt. Bisher haben 20 Organisationen angezeigt, dass sie sich registrieren werden.

Was ist zwischen dem Wahlversprechen und dem nun vorliegenden Ergebnis vorgefallen? Es scheint als habe die britische Regierung Angst vor ihrem eigenen Mut zur Veränderung bekommen – oder war von Anfang an alles nur Wahltaktik? Erst passierte zwei Jahre lang nichts, dann begann ein fragwürdiger Gesetzgebungsprozess: LobbyControl berichtete  2012 von einer zuständigen Regierungsbeamtin, die sich nur mit Vertretern des kommerziellen Lobbygeschäfts traf und der NGO „Unlock Democracy“ per Twitter den Tod wünschte. Auch hat die britische Regierung eine Anfrage im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes über Details ihrer Treffen mit der Lobbyindustrie abgelehnt. Es ist absurd, wenn gerade die Verhandlungen über die Herstellung von mehr Transparenz derart intransparent geführt werden. Der Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für Verfassungs -und politische Reformen, Graham Allen, nannte das Gesetz kürzlich „a dog’s breakfast“ – ein totales Chaos. Es sei ein unbefriedigendes Mittel, um mehr Lobbytransparenz zu schaffen.

Großbritannien ist Deutschland dennoch in Transparenzfragen weit voraus

Bleibt zu hoffen, dass ähnliches wie in den USA geschieht. Dort wurde aus einem schwachen Register aufgrund neuer Skandale und dem resultierenden gesellschaftlichen Druck in den darauffolgenden Jahren noch ein echtes Register. Deutschland kann sich auf diesem schwachen Register nicht ausruhen. Denn eins ist auch klar: Bereits heute veröffentlichen britische Minister regelmäßig Listen mit Lobbyisten, mit denen sie sich getroffen haben. Von diesem Maß an Transparenz ist Deutschland weit entfernt, wie die Debatte im Bundestag vergangene Woche über Lobbytransparenz und Hausausweise deutlich gezeigt hat.

 Weitere Informationen:

Bildquelle: Drow male; Foto: Straßenschild der Downing Street in der City of Westminster, London; Lizenz: CC BY-SA 3.0

 

 

 

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