Lobbyismus in der EU

Juncker will Drehtür verlangsamen

Zwei Jahre Abkühlphase für scheidende EU-Kommissar/innen, drei für den/die Präsidenten/in: Mit dieser Ankündigung setzt Juncker ein Zeichen. Allzu schnelle Wechsel von der Politik in die Wirtschaft sollen damit minimiert werden.
von 15. November 2016

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat angekündigt, die Karenzzeit für scheidende EU-Kommissare vor einem Wechsel in die Wirtschaft auf zwei Jahre hochsetzen zu wollen, für Kommissionspräsidenten auf drei Jahre. Ein guter erster Schritt, aber das alleine reicht nicht.

Jean-Claude Juncker will die Karenzzeit für Ex-Kommissare erhöhen

Jean-Claude Juncker will die Karenzzeit für Ex-Kommissare erhöhen.

Juncker geht weiter als sein eigenes Ethik-Komitee

Zwei Jahre für scheidende EU-Kommissar/innen, drei für den/die Präsidenten/in: Mit dieser Ankündigung setzt Juncker ein Zeichen. Der Luxemburger geht damit deutlich weiter als das von der EU-Kommission eingesetzte Ethik-Komitee, das Ende Oktober zu Barrosos neuer Tätigkeit bei Goldman Sachs beraten hatte. Dessen Fazit: Barrosos Wechsel stehe im Einklang mit dem Verhaltenskodex für die EU-Kommissar/innen. Ob der Verhaltenskodex streng genug sei, dazu wollte sich das Ethik-Komitee nicht äußern.

Schwaches Gremium, schwaches Urteil

Das schwache Urteil des Ethik-Gremiums überrascht nicht: Das Gremium ist nämlich selber schwach. Die EU-Kommission setzt es immer nur ein, wenn sie Bedarf sieht. Zumindest zwei der drei Mitglieder stehen ihr außerdem personell viel zu nahe – LobbyControl berichtete.

Mit zwei Jahren Karenzzeit ist es nicht getan

Momentan gilt für „normale“ KommissarInnen bereits eine anderthalbjährige Karenzzeit. Wir fordern von Kommissionspräsident Juncker, den Verhaltenskodex viel deutlicher zu reformieren. Da er einem persönlichen Treffen mit uns eine Absage erteilt hat, haben wir heute einen offenen Brief an ihn gesendet. Darin fordern wir:

  • Die EU-Kommission muss ein unabhängiges Ethik-Gremium schaffen, das grundsätzlich über jeden Seitenwechsel entscheidet – nicht nur, wenn die EU-Kommission es für nötig hält. Das Kollegium der Kommissare selbst sollte keine Entscheidung mehr über scheidendes Spitzenpersonal treffen, da sie in einem Interessenkonflikt stecken: Auch sie selbst werden irgendwann aus der EU-Kommission ausscheiden.
  • Das Gremium muss mit unabhängigen Expert/innen besetzt sein und Investigativ-Befugnisse haben. Die Entscheidung des Gremiums sollte bindend sein und transparent gemacht werden.
  • Die schon bestehende Karenzzeit, in der ehemalige Kommissare der EU-Kommission neue berufliche Tätigkeiten mitteilen müssen, sollte auf drei Jahre verlängert werden, in der ein Verbot von Lobbytätigkeiten besteht.
  • Der Verhaltenskodex muss eine Definition enthalten, was Lobbyarbeit beinhaltet – dazu gehört direkte, aber auch indirekte Lobbyarbeit, also beispielsweise Lobby-Beratung.
  • Für Kommissionspräsidenten sollte die Karenzzeit fünf Jahre betragen.

Großer Wurf statt Klein-Klein

Morgen berät die EU-Kommission über die Vorschläge von Kommissionspräsident Juncker. Wir möchten ihr mitgeben: Der Ruf nach strengeren Regeln ist allgegenwärtig. Die EU-Bürgerbeauftragte hat empfohlen zu prüfen, ob der Verhaltenskodex Geist und der Absicht des entsprechenden Vertragsartikels entspricht. Das EU-Parlament hat der Kommission Teile des Budgets gesperrt, bis die EU-Kommission ihren Verhaltenskodex ändert. Und nicht zuletzt zeigen zwei Unterschriftenkampagnen aus der Bevölkerung zu Barroso, dass die aktuellen Regeln unbefriedigende Ergebnisse liefern.

Kommissionspräsident Juncker selbst hat in dem gleichen Interview, indem er erklärte, die Ethikregeln müssten geändert werden, gesagt: „Vielleicht habe ich zu lange gewartet, bevor ich meine Gedanken zur Ethik ausgesprochen habe. Das wichtige ist, dass ich daraus gelernt habe.“ Wir hoffen, dass einer von Herrn Junckers Lerneffekten ist, jetzt dafür einen großen Wurf vorzulegen. Und nicht ein Klein-Klein, dem er bald wieder hinterherrennen muss.

Zum Weiterlesen:

Offener Brief von ALTER-EU an Präsident Juncker

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