Kurzmeldung

Seitenwechsler aktuell – Drei neue Fälle

Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft rotiert wieder. Der Herbst bringt uns drei neue Seitenwechsel von langjährigen Spitzenbeamten, die ihr in der Politik erworbenes Wissen nun ihren neuen Arbeitgebern aus der Wirtschaft zur Verfügung stellen – für alle Beteiligten ein lukratives Geschäft. Thomas Matussek wechselt zur Deutschen Bank, Martin Biesel zu Air Berlin und Georg […]
5. September 2011

Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft rotiert wieder. Der Herbst bringt uns drei neue Seitenwechsel von langjährigen Spitzenbeamten, die ihr in der Politik erworbenes Wissen nun ihren neuen Arbeitgebern aus der Wirtschaft zur Verfügung stellen – für alle Beteiligten ein lukratives Geschäft. Thomas Matussek wechselt zur Deutschen Bank, Martin Biesel zu Air Berlin und Georg Wilhelm Adamowitsch zum Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.

Aktuelle Fälle…

Thomas Matussek beendet seine über dreißigjährige Amtszeit im diplomatischen Dienst und besetzt zum 1. November die neu geschaffene Position des Head of Public Affairs bei der Deutschen Bank. Damit wird der Spitzendiplomat nun als Cheflobbyist die Interessen des größten deutschen Bankinstituts gegenüber Regierung, Parlament und Öffentlichkeit vertreten. In einer Zeit, in der die Finanzwirtschaft unter Imageproblemen leidet und aus Sicht der Banken eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte droht, möchte sich die Deutsche Bank offenbar besser aufstellen. Matusseks ausgezeichnete Kontakte in Politik und Medien werden dabei sicherlich hilfreich sein.

Martin Biesel ist ein langjähriger Vertrauter von Guido Westerwelle und zur Zeit Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Ab dem 1. November wird er der Fluggesellschaft Air Berlin als Bevollmächtigter des Vorstands für Politik, sprich Cheflobbyist, zur Verfügung stehen. Dabei beerbt er einen anderen Seitenwechsler: Matthias von Randow. Von Randow arbeitete nach seinem vorzeitigen Aus als Staatssekretär des SPD-Verkehrsministers Tiefensee als Lobbyist für die Fluglinie. Inzwischen ist er Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft.

Georg Wilhelm Adamowitsch schließlich war politischer Weggefährte von Wolfgang Clement, u.a. Chef seiner Staatskanzlei in NRW und Staatssekretär seines Bundeswirtschaftsministeriums. Anschließend waren die beiden laut stern.de Geschäftspartner in einer Berliner Politikberatungs-Agentur. Zum 1. September wechselt er als Hauptgeschäftsführer zum Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), wo sich Adamowitschs Kontakte mit Sicherheit als Vorteil erweisen werden.

…bekanntes Problem

Der direkte Wechsel von Politikern in die Wirtschaft liegt also nach wie vor im Trend und bleibt nach wie vor problematisch: Kürzlich ausgeschiedene Politiker haben aktuelle Kontakte zu ehemaligen Kollegen und zur Arbeitsebene der Ministerien, kennen also die entscheidenden Ansprechpartner, um politische Entscheidungen effektiv zu beeinflussen.

Zugriff auf diese direkten Kontakte haben insbesondere finanzkräftige Akteure wie Großunternehmen, die auf diese Weise einen entscheidenden Vorteil bei der Vermittlung ihrer Interessen in die Politik erlangen können. Zudem bietet die Praxis des ‚fliegenden Wechsels‘ den Politikern Anreize für Entscheidungen, die den Interessen späterer potentieller Arbeitgeber zumindest nicht zu wider laufen. Um derartige Interessenkonflikte zu vermeiden, fordert LobbyControl die Einführung einer dreijährigen Karrenzzeit nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik. In dieser Abkühlphase dürften keine Tätigkeiten, die Lobbying beinhalten, ausgeübt werden.

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6 Kommentare

Bastian Dietz5. September 2011 um 18:27

Liebe Lobbycontrol-Redaktion,

leider geht ihr mit dem Begriff des Politikers etwas schludrig um und das schadet auch etwas Eurem Anliegen. Zugegeben: Es handelt sich bei allen genannten Personen um Leitungkräfte aus dem politischen Betrieb (in der Einführung heißt es richtig „langjährige Spitzenbeamte“). Aber es geht hier nicht – wie man im Verlauf des Textes auch meinen könnte – um gewählte Politiker.

Die Probleme, die ihr beim Seitenwechsel seht, treffen sicherlich auch auf diese Leitungskräfte zu. Aber es ist nunmal etwas ganz anderes, ob ein gewählter Volksvertreter mit gesetzlich verbrieften Rechten (z.B. Indemnität) in die Wirtschaft wechselt oder ob das ein Mitarbeiter – auch ein leitender – macht, für den z.B. die Berufsfreiheit gilt.

In diesem Sinn wünsche ich mir nicht nur nacktes Anprangern von „Politikern“ an sich, sondern differenzierte Antworten.

Herzliche Grüße
Bastian

Timo Lange6. September 2011 um 11:37

Lieber Bastian Dietz,

vielen Dank für die Anmerkung. Richtig, der Begriff des Politikers ist unpräzise und kann sowohl Mandats- als auch Amtsträger umfassen. Die letzten beiden Absätze unseres Blogeintrags umreißen die Problematik des Seitenwechsels allgemein.

Uns geht es primär um die Einführung einer Karenzzeit für die Kanzlerin, für Minister, Staatssekretäre und Abteilungsleiter, während der eine Beschäftigung als Lobbyist/in untersagt wäre. Über eine ähnliche Regelung für Abgeordnete kann man sicherlich diskutieren, das wäre aber aus unserer Sicht erst der zweite Schritt. Kanada – um in dieser Hinsicht ein internationales Vorbild zu nennen – hat beispielsweise im September 2010 eine fünfjährige Karenzzeit für Parlamentsabgeordnete und Senatoren eingeführt. Für Minister und anderes politisches Spitzenpersonal gilt eine solche Regelung dort bereits seit Juli 2008.

Im Beamtenrecht gibt es eine fünfjährige Notifikationsperiode, während der einem Beamtem eine Beschäftigung untersagt werden kann, wenn „zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden“ (§105 (2) BBG). Durch einen Verzicht auf Versorgungsbezüge kann eine solche Tätigkeit dennoch aufgenommen werden. Es handelt sich daher um keine echte Karenzzeit.

Mit freundlichen Grüßen
Timo Lange

Matze Ballen6. September 2011 um 14:41

Wenn der letzte öffentliche Posten von Herrn Adamowitsch der Staatsekretärsposten im BMWi unter Clement gewesen ist, verstehe ich nicht, warum er hier von Euch angeprangert wird. Hier sollte die von Euch geforderte Karenzzeit längst abgelaufen sein. Ich kann mich nur Herrn Dietz anschließen, dass ein wenig mehr Differenzierung Euch gut tun würde.

Die Forderung einer Karenzzeit für Abgeordnete ist allerdings neu und wurde meines Wissens nach, von Euch bislang nicht vertreten. Wie verträgt sich diese Forderung mit der Idealvorstellung des Abgeordneten, der aus dem Beruf ins Parlament wechselt und nach Ablauf seiner Mandatszeit wieder in den Beruf zurückkehrt?

Und wie immer kann ich zum Abschluss nur feststellen: Ihr bleibt einseitig, wenn Ihr Euch ausschließlich auf Wirtschaftsvertreter und Wirtschaftsverbände konzentriert. Was ist mit dem Umweltlobbyisten, der an die Spitze des Umweltbundesamtes wechselt? Oder dem Gewerkschaftsangestellten, der im Bundestag sitzt?

Der Marxist in mir begrüßt es ja, dass ihr einen „festen Klassenstandpunkt“ einnehmt. Für Eure politischen Anliegen ist es sicherlich nicht hilfreich, wenn man Euch ausschließlich linksaußen verortet. Ihr solltet Euch mal überlegen, ob Ihr lieber die Rote Hilfe oder Amnesty International sein wollt.

Beste Grüße,
Matze

Prof. Dr. Marco Althaus6. September 2011 um 21:11

Differenzierung ist immer gut…

1. Für gewählte Politiker gilt die Berufsfreiheit sogar „viel mehr“ als für Beamte, da sie jederzeit damit rechnen müssen, ihr Mandat und ihr Auskommen zu verlieren.

2. Der Begriff des Politikers ist unscharf, aber Spitzenbeamte, die klar auf einem politischen Ticket Karriere machen, darf man getrost dazu rechnen. Aus Sicht der Elitenforschung sind die Karriereverläufe zwar nicht gleichartig, aber die Unterschiede zwischen einem gewählten Kommunal-Politiker auf dem Dorf und einem gewählten Bundes-Politiker sind auch groß. Vom Zwitter des Wahlbeamten ganz zu schweigen.

Umgekehrt ist klar zwischen den „Politiker“-Gruppen Abgeordneten und Regierungspersonal zu trennen. Abgeordnete dürfen auf eigenes Risiko spezielle Interessen vertreten, bis es quietscht, Minister nicht.

3. Hohe Ministerialbeamte sind als Insider, Türöffner und Experten für Interessengruppen oftmals „mehr wert“ als viele Politiker. Wenn man den Seitenwechsel durch die Drehtür so kritisch sieht wie LobbyControl, ist es nur folgerichtig, Karenzzeiten und ähnliche Regelungen auch für die zweite Reihe zu fordern.

4. Die rechtliche Lage ist bei Berufsbeamten aber in der Tat anders. Der Arbeitgeber kann ihnen, wenn er will, klar einen Strich durch die Rechnung machen. Das passiert nicht oft (vielmehr werden Beamte per Beurlaubung regelmäßig für Verbandstätigkeiten „ausgeliehen“), aber es passiert.

Es sei daran erinnert, dass Adamowitsch für den aus dem BDI-Ausschuss Verteidigungswirtschaft 2009 hervorgegangenen Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) nicht die erste Wahl war.

Der designierte Hauptgeschäftsführer, ein General a.D., musste passen – weil die Anti-Korruptionsabteilung des Verteidigungsministeriums ihm die Lobbytätigkeit mit sofortiger Wirkung untersagte.

Siehe dazu auch http://pamanager.blogspot.com/2010/11/schwere-zeiten-fur-die-rustungslobby.html

Banker8. September 2011 um 13:39

Die 3-Jährige Karenzzeit macht absolut Sinn, ich bin gespannt ob sich das durchsetzt.

Benno21. September 2011 um 17:31

Zu den Seitenwechslern passt auch der aktuelle Sendebeitrag des ZDF. Darin äussert Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D. und angeblicher Lobbyismus-Kritiker folgende Befürchtung: „Das Parlament ist in einer Demokratie der Hort, der wichtigste Hort des Gemeinwohls. Wenn das Parlament im Grunde zu einer Ansammlung von partikularen Interessen wird, dann ist es um die parlamentarische Demokratie schlecht bestellt.“

Laut Duden bedeutet partikular einen Teil, eine Minderheit betreffend; einzeln.

Toll, könnte man meinen. Ein Mann, der für Mehrheiten bzw. die Demokratie kämpft. Aber eine kurze Personen-Recherche ergibt ein ganz anderes Bild:

Hans-Jürgen Papier gehört darüber hinaus zum illustren Kreis der Rotarier. Vor kurzem veröffentlichte Laszlo Trankovits, ebenfalls Mitglied dieses Clubs, sein Buch „Weniger Demokratie wagen“. Darin fordert er unter anderem:

– Weniger Wahlen
– Längere Legislaturperioden
– Mehr Zentralisierung
– Mehr Machtkonzentration
– Kompetenz
– Entschlussfreudigkeit
– Führungskraft
– Bekenntnis zu Kapitalismus und Profit
– intelligente Formen politischer PR

Eine parlamentarische Demokratie oder mehr Transparenz ist nach Meinung Trankovits „für die Effizienz jeglicher Regierungsarbeit (…) oft kontraproduktiv und lähmend“.

Also, das mit den intelligenten Formen politischer PR scheint noch nicht so ganz zu klappen. Vielleicht sollten sich die Herren zuerst miteinander absprechen, bevor sie vor die Presse treten?