Aus der Lobbywelt

Aktion: Politik darf nicht käuflich sein!

Der aktuelle Skandal um gekauften Zugang zu SPD-Spitzenpolitikern ist vorläufiger Höhepunkt einer ganzen Reihe von Spenden- und Sponsor-Affären. Denn: das Parteiengesetz bietet riesige Schlupflöcher für Zahlungen, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Das Problem ist parteiübergreifend und seit Jahren bekannt – doch die Regierungsparteien sitzen die Kritik daran einfach aus. Damit muss jetzt Schluss sein. Machen Sie mit bei unserer Aktion „Politik darf nicht käuflich sein!“
von 22. November 2016

Käuflicher Zugang zu Spitzenpolitikern? Millionenschwere Wahlkampagnen, bezahlt von anonymen Geldgebern? Das widerspricht demokratischen Grundregeln. Dennoch ist es in Deutschland Realität – und wegen zahlreicher Lücken im Parteiengesetz nicht einmal verboten.

In einer Demokratie muss jede Stimme gleiches Gewicht haben. Wieviel Geld jemand mitbringt, darf nicht ausschlaggebend dafür sein, wer bei Politikern Gehör findet. Und wer versucht, mit Geld Einfluss auf Politik zu nehmen, soll sich dazu öffentlich bekennen – damit jede Bürgerin und jeder Bürger weiß, von wem und von welchen Interessen die Parteien und Politiker finanziell abhängig sind.

Die aktuellen Fälle sind nicht die ersten Skandale ihrer Art – das Problem ist parteiübergreifend und seit Jahren bekannt. Dennoch stopfen die Parteichefs der Großen Koalition die Schlupflöcher im Parteiengesetz nicht. Damit muss jetzt Schluss sein – die Parteien müssen endlich handeln!

Bitte unterzeichnen Sie unseren Appell:

UPDATE 21.6.2017: Die Aktion wurde beendet. 22.201 Bürgerinnen und Bürger haben mitgemacht – die Unterschriften werden wir im Juli an die adressierten Politiker übergeben.

Hintergrund der Aktion

Der Zugang zu Spitzenpolitikern ist käuflich – zumindest bei der SPD. Das brachten Recherchen von ZDF-Journalisten im Herbst 2016 ans Tageslicht: Eine SPD-Firma bot Lobby-Treffen mit Bundesministern und anderen Spitzenpolitikern zum Kauf an. Darunter etwa Termine mit Justizminister Heiko Maas oder Fraktionschef Thomas Oppermann zum Preis von 3.000 bis 7.000 Euro plus Mehrwertsteuer. Für 35.000 Euro plus Mehrwertsteuer bot die Firma einen kompletten „parlamentarischen Abend“ mit Politikern und Spitzenbeamten an.

Einflussnahme gegen Cash? Nach deutschem Recht dürfen Parteien keine Spenden annehmen, die erkennbar in Erwartung einer Gegenleistung gezahlt werden. Doch das Parteiengesetz lässt eine Hintertür offen: Sponsoring. Beim Sponsoring erbringt die Partei eine Leistung gegen Geld – etwa die Erlaubnis, auf Parteiveranstaltungen ein Firmenlogo zu platzieren. Beliebt sind auch teure Anzeigen in Parteizeitungen, durch die Sponsoren ihre Interessen den Parteimitgliedern schmackhaft machen. Mehrere hunderttausend Euro Sponsorengeld können bei Parteitagen zusammenkommen: Dort treten Konzerne und Wirtschaftsverbände mit eigenen Ständen auf und werben für ihre Anliegen. Nun wurden Sponsoren – nicht zum ersten Mal – Gespräche mit Politikern zum Kauf angeboten.

Die „Spendenwaschanlage“ der AfD

Ein weiteres Schlupfloch wurde in Wahlkampfzeiten schon mehrfach zum Bau von „Spendenwaschanlagen“ genutzt – aktuell in ganz großem Maßstab von der AfD. Dabei organisieren anonyme Geldgeber Wahlwerbung für eine Partei oder einen Kandidaten, unter Umgehung der Transparenzregeln, die das Parteiengesetz für Parteispenden vorsieht. So wurden die letzten fünf Wahlkämpfe der AfD von einem dubiosen „Verein“ mit Wahlkampfzeitungen, Großplakaten und Internet-Werbung im Wert von schätzungsweise zwei Millionen Euro gesponsert. Die Rechtslücke: Solange die Parteien behaupten, dass es keine Absprachen mit den Geldgebern gibt, bleiben die Geldgeber unbekannt. Und damit auch das Interesse, das diese mit ihren großzügigen Gaben verbinden.

Die AfD und ihr Unterstützer-Verein beteuerten anfangs, unabhängig voneinander zu sein, treten inzwischen aber ungeniert gemeinsam auf. Der Vereinsvorsitzende wirbt öffentlich damit, Geld an den gesetzlichen Transparenzvorschriften vorbeischleusen zu können – und die AfD legt entsprechende Überweisungsformulare direkt bei Parteiveranstaltungen aus. Auch bei den kommenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und NRW sowie bei der Bundestagswahl wollen die anonymen Hintermänner mit den dicken Brieftaschen wieder für die AfD werben – und so Bürgerinnen und Bürger hinter die Fichte führen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahrzehnten klargestellt: Die Wählerinnen und Wähler müssen sich ein Bild machen können von den finanziellen Abhängigkeiten der Parteien und der Interessen, die mit ihrer Finanzierung verbunden sind. Doch in Deutschland gibt es immer noch keine Regelung, die wie in Großbritannien auch Wahlkampffinanzierung transparent macht, die über Dritte oder auf Umwegen erfolgt.

Sponsoring heißt: Die Höhe und Herkunft der Gelder bleiben geheim

Wieviel Geld durch Sponsoring an die Parteien fließt, ist ebenfalls unbekannt – ebenso wie die Geldgeber. Nur Einzelfälle kommen durch aufwändige Recherchen ans Licht. Denn die Parteien müssen keinerlei Auskunft über Höhe und Herkunft der Gelder geben, egal ob sie das Geld direkt erhalten oder indirekt über parteieigene Unternehmen. Das bietet den Geldgebern mehrere Vorteile: Im Unterschied zu Großspendern können Sponsoren für die breite Öffentlichkeit anonym bleiben. Zudem sind Sponsor-Ausgaben für Unternehmen steuerlich absetzbar. Und Sponsoring ermöglicht den Kontakt zu Entscheidungsträgern – und damit die Möglichkeit unmittelbarer Einflussnahme. Sponsoring ist damit so attraktiv, dass etwa der einstige Großspender BMW komplett von Spenden auf Sponsoring umgestiegen ist.

„Wir sind der Staat, ihr könnt uns kaufen“

Die Ende 2016 bekannt gewordenen Fälle gekaufter Politiker-Audienzen erinnern an die „Rent-a-Rüttgers“-Affäre im Jahr 2010. Damals wurde bekannt, dass die nordrhein-westfälische CDU im Rahmen ihres Parteitags Gesprächs- und Fototermine mit dem damaligen Ministerpräsidenten Rüttgers an zahlungskräftige Sponsoren verkaufte. Angela Merkel verurteilte den Vorgang, Bundestagspräsident Lammert sprach von einem „selten dämlichen“ Verhalten, der SPD-Politiker Thomas Oppermann von einer „Bananenrepublik“, in der die Botschaft sei: „Wir sind der Staat, ihr könnt uns kaufen“. Doch dann stand Oppermann, heute Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, selbst auf der Angebotsliste der Agentur seiner Partei.

Die SPD-eigene Agentur NWMD bot solche Gespräche unter dem Titel „Vorwärts-Gespräche“ an. Laut Agentur standen dafür neben Oppermann auch Arbeitsministerin Andrea Nahles, Justizminister Heiko Maas, Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig, SPD-Generalsekretärin Katarina Barley oder der Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil zur Verfügung. Die Gespräche waren ausdrücklich nicht-öffentlich. Dabei trugen, wie das ZDF-Team dokumentierte, die Sponsoren nacheinander ihre Anliegen vor – Anliegen sehr konkreter Art, wie Gesetze geändert oder nicht geändert werden sollten. Die Treffen glichen Privat-Audienzen für zahlungskräftige Lobbyisten. Inzwischen wurde infolge des öffentlichen Aufschreis die „Vorwärts“-Gesprächsreihe eingestellt. Doch verboten ist eine solche Praxis weiterhin nicht.

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Wie Parteien profitieren – ohne Rechenschaft abzulegen

Die Agentur berechnet 7000 Euro plus Mehrwertsteuer für die „Organisation des Gespräches“, wobei die Bewirtungskosten nach Einschätzung der verdeckt recherchierenden Journalisten maximal 1000 Euro kostet. Der Rest bleibt bei der Agentur – die ihre Gewinne an ihren Eigentümer, den Vorwärts-Verlag, abführt. Dieser wiederum führt seine Gewinne an seinen Eigentümer ddvg ab und dieser an die SPD. Für die Öffentlichkeit ist das nicht nachvollziehbar. Denn die Parteien müssen in den Rechenschaftsberichten nur pauschal angeben, wie viele Einnahmen sie aus „unternehmerischer Tätigkeit“ oder aus „Veranstaltungen und Publikationen“ erzielt haben. Wieviel und wofür Geld im Einzelfall floss, ist das Geheimnis der Partei-Schatzmeister.

Auch andere Parteien besitzen Firmen, die Veranstaltungen organisieren, Parteizeitungen herausgeben – und bisweilen schon einmal ins Zwielicht gerieten. So etwa die FDP, die undurchsichtige Geschäfte mit dem Spielautomaten-Betreiber Gauselmann machte und sich offen gegenüber den Wünschen der Automatenlobby zeigte. Das Problem undurchsichtiger Geldflüsse und fragwürdiger Gegenleistungen ist keineswegs auf eine Partei beschränkt. In den Griff bekommen wir es nur durch eine klare gesetzliche Regelung.

Das Parteiengesetz: Löchrig wie ein Schweizer Käse

Nach dem „Rent-a-Rüttgers“-Skandal war die Empörung groß, doch geändert hat sich nichts. Die für Parteienfinanzierung zuständige Bundestagsverwaltung prüfte den Fall – ohne rechtliche Beanstandung. In seinem Bericht hielt Bundestagspräsident Lammert fest: Das Mieten von Politikern unterliege der allgemeinen Vertragsfreiheit, solange Sponsoring nicht gesetzlich geregelt sei. Zwar mahnten Lammert, Linke und Grüne später erneut eine solche Regelung an, doch die Regierungsparteien blieben untätig. Dabei bietet Sponsoring stets ein Schlupfloch für verdeckte Spenden und fragwürdige Exklusivzugänge. Mit ihrem Aussitzen des Problems hat die GroKo den Nährboden erhalten, auf dem solche Skandale entstehen.

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Besondere Macht und besondere Verpflichtung der Parteien

Im Rahmen der ZDF-Recherche bot auch ein SPD-naher, aber unabhängiger Lobbyist für 30.000 Euro die Kontaktanbahnung zu verschiedenen politischen Entscheidern an. Ein klassisches Beispiel für das Geschäft von Lobbyagenturen. Sie unterliegen bisher ebenfalls keiner gesetzlichen Kontrolle. Wir fordern, dass für alle Lobbyisten mindestens eine öffentliche Rechenschaftspflicht gelten muss, wie sie durch ein gesetzliches Lobbyregister gewährleistet würde. Dafür haben wir gerade einen Gesetzentwurf erarbeitet, um der Politik Beine zu machen.

Für Parteien und partei-eigene Agenturen müssen jedoch deutlich schärfere Regeln gelten – denn das Parteienprivileg im Grundgesetz verschafft ihnen Vorteile wie staatliche Teilfinanzierung, aber auch besondere Macht und Verantwortung. Keinesfalls dürfen demokratische Parteien damit Geld verdienen, dass sie das Ohr ihrer Amts- und Mandatsträger vermieten!

Sogar Beamte werden angeboten

Die ZDF-Journalisten brachten noch weitere haarsträubende Fälle ans Licht: Auch der Geschäftsführer des „Seeheimer Kreises“, des Vereins konservativer SPD-Bundestagsabgeordneter, bietet gegen Sponsorengeld die Anbahnung von Ministergesprächen an. Der Rahmen: die traditionelle „Spargelfahrt“ des Seeheimer Kreises. Die Teilnahme kostet Sponsoren 3.000 bis 10.000 Euro. Ein Spargelstecher kann sich das nicht leisten.

Für 35.000 Euro plus Mehrwertsteuer bietet die SPD-Firma Lobbyisten einen „Parlamentarischen Abend“ an. Dabei sollten nicht nur Politiker, sondern auch Spitzenbeamte aus verschiedenen Ministerien anwesend sein – um sich mit dem Auftraggeber über dessen Wunschthema auszutauschen. Hier wird sogar der Staatsapparat vermarktet. Wer konkret an diesen Gesprächen teilnimmt, bleibt bisher unklar.

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Mehr Informationen:

Parteiensponsoring in der Lobbypedia

Frontal21-Beitrag: Die Genossen und das Geld – Sponsoring bei der SPD

Update zur AfD-Wahlkampffinanzierung

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