Macht der Digitalkonzerne

Aufruf für einen fairen und transparenten Online-Wahlkampf

Für den Wahlkampf im Radio & TV gibt es klare Regeln, der digitale Wahlkampf ist weitgehend ungeregelt. Daher fordern wir die Parteien auf zu handeln: Mit einer Selbstverpflichtung im laufenden Wahlkampf und dem Einsatz für gesetzliche Regeln nach der Wahl.
von 21. Mai 2021

Noch nie war ein Bundestagswahlkampf so digital wie 2021: Meinungsbildung findet online statt, die Pandemie hat das noch verstärkt. Während es jedoch für den Wahlkampf auf der Straße und im Fernsehen klare Regeln gibt, bleibt der digitale Wahlkampf weitgehend ungeregelt.

Gemeinsam mit anderen Organisationen fordern wir die Parteien daher auf, sich zu einem fairen und transparenten Wahlkampf im Netz zu verpflichten. Gleichzeitig appellieren wir an die Parteien, sich nach der Bundestagswahl für Reformen einzusetzen, mit der die großen Internetplattformen in die Pflicht genommen werden. Dieser Einsatz ist sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene wichtig.

Mehr Transparenz für Onlinekampagnen

Onlinewerbung im Wahlkampf ist weitgehend intransparent. Alleine durch die große Anzahl an Werbeanzeigen, die zudem noch durch unbekannte Algorithmen ausgespielt werden, ist es kaum möglich, diese zu kontrollieren oder nachzuvollziehen. Gleichzeitig sind die Grenzen zwischen bezahlten und unbezahlten Inhalten oft unklar.

Weitgehende Transparenz- und Rechenschaftspflichten für die Internetplattformen sind daher nötig. Anzeigen sollten besser gekennzeichnet und in umfassenden und verpflichtenden Werbearchiven zugänglich gemacht werden. Dabei sollte besonders darauf geachtet werden, dass die Geldquellen für Anzeigen sichtbar werden. Intransparente Einflussnahme durch Dritte soll so verhindert werden.

Einfluss finanzkräftiger Akteure zurückdrängen

Im Gegensatz zu Radio und TV gibt es in den sozialen Netzwerken keine Begrenzung für politische Werbung. Finanzkräftige Werbetreibende können daher mit ihren Anzeigen die Timelines und Nutzer-Feeds überfluten und so andere Positionen verdrängen. So können sie den politischen Diskurs verzerren.

Helfen würde hier eine Volumenbegrenzung für politische Onlinewerbung. Ein solches Quotensystem, ähnlich wie im Radio oder TV, könnte ein Überfluten der Nutzer-Feeds verhindern.

Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Microtargeting verhindern

Im Wahlkampf kann auch eine verhaltensbasierte Zielgruppenansprache (Microtargeting) zu einer Verzerrung politischer Diskussionen führen. Während Wahlwerbung auf Plakaten oder in Zeitungen für alle sichtbar und zugänglich ist, ist das bei personalisierter Werbung im Internet nicht der Fall. Die Werbung ist dann nur noch für die Nutzer*innen sichtbar, denen sie angezeigt wurde. So könnte die Botschaft „Tempo 100 auf Autobahnen“ nur der Gruppe angezeigt werden, bei der sie auf Zustimmung stößt. Allen anderen wird sie verschwiegen. Nötige gesellschaftliche Debatten werden so erschwert. Eine gezielt Ansprache hebelt damit das für demokratische Wahlen wichtige Prinzip der Öffentlichkeit aus.

Nötig wäre daher eine deutliche Einschränkung der Kriterien, nach denen einzelne Personen gezielt angesprochen werden können. Es sollten nur noch Kriterien genutzt werden, bei denen die Gefahren einer Fragmentierung der Öffentlichkeit gering sind. Das wären z. B. Ort, Sprache und der inhaltliche Kontext. So könnte etwa eine Direktkandidatin in Berlin Werbung schalten, die potenziellen Wähler*innen in ihrem Wahlkreis angezeigt werden, wenn die Browser-Einstellungen deutsch sind und sich die Person einen Artikel zum Thema Mobilität anschaut.

Vorschlag für einen Verhaltenskodex im Wahlkampf

Neben der übergreifenden Aufforderung zu einem fairen und transparenten Wahlkampf im Netz werden in dem Aufruf konkrete Maßnahmen genannt, die kurzfristig umsetzbar sind. Zu den Vorschlägen gehören etwa die klare Kennzeichnung bezahlter politischer Botschaften durch die Parteien im Netz und der Verzicht, gefälschte Profile und „Likes“ im Netz zu kaufen.

Während des Wahlkampfs wollen zivilgesellschaftliche Organisationen zudem prüfen, wie sich Parteien im digitalen Wahlkampf verhalten. Ethische und rechtliche Fehltritte sollen für die Öffentlichkeit dokumentiert werden.

Internationale Vorbilder sind dabei Länder wie Irland, die Niederlande und zuletzt Großbritannien. Hier hatten sich Kandidierende und Parteien auf ähnliche Selbstverpflichtungen geeinigt. In Deutschland war ein gemeinsamer Verhaltenskodex der Parteien bei der vergangenen Wahl 2017 gescheitert.

Gesetzliche Regeln für Digitalkonzerne sind nötig

Es darf jedoch nicht bei einer Selbstverpflichtung der Parteien im Wahlkampf bleibt. Nach der Bundestagswahl müssen sich die Parteien für Reformen einsetzen, mit der die großen Internetplattformen in die Pflicht genommen werden. Das gilt nicht nur in Bezug auf Online-Wahlkämpfe, sondern auch auf die Macht der Internetplattformen insgesamt.

Denn die Internetplattformen haben durch ihren wirtschaftlichen Aufstieg eine starke Machtposition gegenüber der Nutzer*innen und Wettbewerber erlangt. Durch die Kontrolle über digitale Infrastrukturen (Gatekeeper-Macht) können sie beliebig die Regeln bestimmen und anderen den Zugang zu ihren Plattformen gewähren oder erschweren.

Das gilt auch in Online-Wahlkämpfen. Daher ist es notwendig, die Macht der Digitalkonzerne insgesamt stärker in den Blick zu nehmen und sich mit der Frage zu beschäftigen, wie diese Macht wieder beschränkt werden kann. Eine solche Beschränkung der Macht könnte sich dann auch positiv auf Online-Wahlkämpfe auswirken.

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