Macht der Digitalkonzerne

Mit harten Bandagen: Wie Google strengere Regeln für Internetplattformen verhindern will

Eine kürzlich geleakte Lobbystrategie zeigt, wie aggressiv Google gegen die geplanten strengeren Regeln für digitale Plattformen vorgeht. Denn an strengeren Regeln ist der einflussreiche Digitalkonzern nicht interessiert. Wir haben uns die Lobbystrategie von Google genauer angeschaut. Hier unsere detaillierte Auswertung zu den im Leak genannten Lobbyakteuren.
von 19. November 2020

Eine kürzlich geleakte Lobbystrategie zeigt, wie aggressiv Google gegen die geplanten strengeren Regeln für digitale Plattformen vorgeht. Denn an strengeren Regeln ist der einflussreiche Digitalkonzern nicht interessiert. Wir haben uns die Lobbystrategie von Google genauer angeschaut. Unsere Fragen dazu wurden von Google bisher nicht beantwortet. Hier unsere detaillierte Auswertung zu den im Leak genannten Lobbyakteuren.

Google Zentrale in Mountain View, Kalifornien
The Pancake of Heaven - CC-BY-SA 4.0
Google Zentrale in Mountain View, Kalifornien. Bild: The Pancake of Heaven, Alphabet (Google) headquarters, Mountain View, California, Lizenz: CC BY-SA 4.0.

Aggressive Lobbystrategie gegen strengere Regeln für digitale Plattformen

Eine effektive Begrenzung seiner Macht schmeckt Google gar nicht. Der Techkonzern geht deshalb mit harten Bandagen gegen strengere Regeln für Big Tech in Europa vor. Das von der französischen Tageszeitung LePoint geleakte Strategiedokument von Google, das auch LobbyControl vorliegt, gibt interessante Hinweise auf das Lobbynetzwerk des Techkonzerns und seine Vorgehensweise bei der Lobbyarbeit zum Digital Services Act (DSA).

Die Macht der Plattformen beschneiden: der Digital Services Act (DSA) ist eine große Chance

Google, Facebook, Amazon & co gehören mittlerweile zu den mächtigsten Unternehmen der Welt. Ein wichtiger Grund: die bestehenden Wettwerbsregeln sind für die auf Dominanz ausgerichteten Plattformen völlig unzureichend. Wettbewerbshüter laufen ihnen allerorts hinterher, weil ihnen die entsprechenden Instrumente fehlen. Der Regulierungsbedarf ist weitreichend: es gibt wenig Klarheit darüber, nach welchen Kriterien die Inhalte auf den Plattformen moderiert werden. Benutzerdefinierte politische Werbung stellt eine Gefahr für die Demokratie dar. Und es stellt sich die Frage, wieso man eigentlich von einem Signal Messenger nicht an einen Whatsapp Messenger schreiben kann? Beim Telefonieren kann man schließlich auch Kund*innen anderer Telefonanbieter erreichen. Genau da setzt die EU jetzt an und plant strengere Regeln für digitale Plattformen. Es ist das bisher größte Vorhaben zur Regulierung der Internetkonzerne mit langfristigen und weitreichenden Folgen. Das ist gut und wichtig. Denn endlich könnte es Regeln für Big Tech geben, die deren Geschäftsmodelle einschränken und die uns Verbraucher*innen stärker in den Blick nehmen. Regeln, die die Machtverhältnisse im Internet geraderücken könnten. Deshalb ist es zentral, dass mit dem Digital Services Act (DSA) und seinen verschiedenen Komponenten kein zahnloser Tiger entsteht.

Von Google finanzierte Studie mit fragwürdigen Zahlen

Die Lobbystrategie verdeutlicht zunächst einmal mehr, wie stark Google in Europa mit Denkfabriken zusammenarbeitet. Das bestätigt unsere bisherigen Recherchen zu Googles Lobbynetzwerk. In dem Planungsdokument sind konkrete Veröffentlichungstermine einzelner Studien festgehalten. Etwa hat das European Centre for International Political Economy (ECIPE) kürzlich eine von Google finanzierte Studie zum DSA veröffentlicht, in dem der Think behauptet, die neue Richtlinie bedrohe zahlreiche Jobs in Europa und hätte einen Bruttoinlandsproduktverlust zur Folge. Die dazu veröffentlichten Zahlen sind laut dem ehemaligen Chefökonomen der EU-Wettbewerbsdirektion Tommaso Valletti völlig haltlos. Gegenüber LobbyControl wird er noch deutlicher: jeder Studierende wäre bei ihm mit dieser Studie durchgefallen.

Ausschnitt aus dem geleakten Lobbystrategie-Dokument von Google.

Zugang zu politischen Entscheidungsträgern über Konferenzen

Doch nicht nur die ECIPE-Studie findet Erwähnung in der Google-Strategie. Auch das südeuropäische Think Tank-Netzwerk “PromethEUs”, das im Oktober eine Konferenz zum DSA organisiert hatte, wird dort als Bestandteil der Strategie erwähnt. Dort kamen Mitte Oktober wichtige politische Entscheidungsträger zum Digital Services Act (DSA) aus Kommission, Parlament und Rat – darunter Roberto Viola, Director General, DG CNECT, Alex Agius Saliba, Berichterstatter zum DSA im Europäischen Parlament, sowie Vertreter der deutschen Ratspräsidentschaft und der kommenden portugiesischen Ratspräsidentschaft - mit Vertreter*innen von Think Tanks und Unternehmen zusammen. Auch wenn die Konferenz von PromethEUs als solche nicht von Google finanziert wurde, bekommt das Netzwerk jährlich Geld von Google. Die Planung für die Konferenz wurde Google Anfang 2020 vorgelegt. Das gab PromethEUs gegenüber LobbyControl an.

Ähnliche Veranstaltungen sind von dem polnischen unternehmernahen Think Tank ZPP vorgesehen, der sich für eine umfassende Deregulierung der europäischen Wirtschaft einsetzt und sich auch kritisch zum Digital Services Act äußerte. Teilnehmer des digitalen Forums von ZPP ist Google Polen. Google bietet offenbar polnischen Unternehmen kostenlose Unterstützung bei der Verbesserung ihrer Internetpräsenz über das Programm “Google Internet Revolution” an. Eine Veranstaltung von ZPP erwähnt Google in seiner Strategie.

Vertreter von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)?

Äuffällig ist auch die Zusamenarbeit von Google mit dem Verband kleiner und mittlerer Unternehmen (KMUs) “AlliedforStartups.” AlliedForStartups entpuppt sich bei genauerem Hinsehen nicht gerade als Lobbyorganisation von KMU’s. Das Positionspapier des Verbands zum Digital Service Act (DSA), das er gemeinsam mit der Unternehmensberatung Oxera erstellte, spricht sich zwar grundsätzlich für den DSA aus, warnt aber gleichzeitig vor Lasten für Unternehmen durch zu viel Regulierung und den damit angeblich verbundenen Kosten für kleinere Unternehmen.

Google gibt in seinem Lobbyregister-Eintrag an, AlliedforStartups zu finanzieren. Der Techkonzern ergänzte diese Angabe auf unseren Druck hin vor einigen Monaten. Oxera gibt Google auf seiner Webseite als Kunden an. Auf unsere Anfrage an Alliedfor Startups und Oxera zum genauen Verhältnis zu Google haben wir trotz mehrfachem Nachhaken bislang keine Antwort erhalten. Auch Google verweigert bisher jede Antwort. Klar ist, dass es Absprachen zwischen Google und den beiden Akteuren über die Arbeit zum DSA gibt. Das zeigen die Hinweise im Google-Strategie Papier.

Geplante Nutzung von Youtube

Google setzt beim Digital Services Act (DSA) auf eine breite, diversifizierte Lobbystrategie. Auch die hauseigenen Plattform YouTube plant der Techkonzern offenbar zu nutzen. Das Leak erwähnt mehrfach das Kürzel “YT” im Zusammenhang mit dem Thema “Content Moderation”, (also dem Einwirken auf Medieninhalte in den sozialen Netzwerken ). Wie Google YouTube konkret in die Lobbystrategie einbinden will ist unklar. Wir werden das genau beobachten.

EVP-naher Think Tank: Gefahr einseitiger Einflussnahme

Nicht erwähnt in dem geleakten Dokument von Google ist die Zusammenarbeit mit dem Martens Centre, dem Think der Europäischen Volkspartei EVP, zu der die Unionsfraktion aus Deutschland gehört. Das liegt daran, dass die veröffentlichte Lobbystrategie nur den Zeitraum bis Oktober 2020 erfasst.

Google ist Sponsor des Martens Centre und hat am 17. November 2020 eine Veranstaltung zum DSA finanziell unterstützt. Besonders brisant dabei. Die geladenen Expert*innen stammen beide aus Google-finanzierten Think Tanks, von dem bereits oben erwähnten ECIPE und dem Center for Data Innovation (CDI), über das wir bereits zuvor berichtet hatten. Auch Das Center for Data Innovation (CDI) bekommt finanzielle Unterstützung von Google, legt dies aber weder in seinem Lobbyregister-Eintrag noch auf seiner Webseite offen. Google hingegen gibt selbst an, dass es CDI unterstützt.

Dass gerade das Martens Centre sich bei Veranstaltung zu neuen Spielregeln für digitale Plattformen von Google unterstützen lässt und dann auch noch Expert*innen von Google-nahen Organisationen einlädt, ist hochproblematisch. Schließlich sollten sich die Konservativen nicht einseitig von Techkonzernen beraten lassen, wenn es um die für sie künftig geltenden Regeln geht.

Undercover und mit viel Firepower: Big Tech macht mobil

Durch die veröffentlichte Lobby-Strategie wurde eindrücklich sichtbar, mit welch harten Bandagen Google gegen strengere Regeln vorgeht. Hier wird deutlich, es geht um viel. Auch die anderen Ditialkonzerne wie Amazon, Facebook, Apple, Microsoft und Snap (Snapchat) werden mit ähnlich Plänen versuchen, die ungeliebte Regulierung zu verhindern. Wie Google arbeiten auch andere große Techkonzerne auf teilweise intransparente Weise mit Think Thanks in Brüssel zusammen. Einmal mehr zeigt das Google-Strategiepapier, dass die Techkonzerne in Europa auf ein breites Lobbynetzwerk zurückgreifen, bei dem die Verbindungen zum Teil nicht offengelegt werden. Wir beobachten besorgt, dass Big Tech sich auf solch intransparente Weise in den politischen Prozess einbringt und zudem zu den finanzstärksten Lobbyakteuren in der EU überhaupt gehören. Die Ausgestaltung des Digital Services Act (DSA) wird zeigen, ob die Politik dazu in der Lage ist, Big Tech in Europa zu zähmen und die Macht der Digitalkonzerne zu begrenzen. Wir werden uns für einen ausgewogenen und transparenten Prozess einsetzen und einseitige Einflussnahme zurückdrängen.

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