Reichtum und Einfluss

Immobilienlobbyverband ZIA will sich eigene Projektmanager in den Kommunen kaufen

Schon seit Monaten bereiten sich Politik und Lobbyverbände auf den Wohngipfel der Bundesregierung vor. Der mächtige Verband Zentraler Immobilien Ausschuss bringt einen besonders fragwürdigen Vorschlag zum Gipfel mit: Um Bauprojekte schneller umzusetzen, bietet die Branche der öffentlichen Hand Geld und Personal. Die Vorschläge stellen demokratische Planungsverfahren in Frage.
von 18. September 2018

Der Wohngipfel der Bundesregierung steht bevor. Schon seit Monaten bereiten sich Politik und Lobbyverbände auf das wohnungspolitische Großevent vor. Der mächtige Verband Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) bringt einen besonders fragwürdigen Vorschlag zum Gipfel mit: Um Bauprojekte schneller umzusetzen, bietet die Branche der öffentlichen Hand Geld und Personal. Konkret bietet ZIA der Bundesregierung an, „hochbezahlte Top-Kräfte“ in den Bauämtern mitzufinanzieren. Die Vorschläge stellen demokratische Planungsverfahren in Frage.

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Wunschliste mit teils fragwürdigen Vorschlägen

Die Beschleunigung von Bauverfahren wird tatsächlich eines der zentralen Themen auf dem Gipfel sein. Zu diesem Thema bat das Innenministerium den „wohnwirtschaftlichen Rat“ – bestehend aus sechs Immobilienlobbyverbänden und dem Deutschen Mieterbund – im Vorfeld des Gipfels um Vorschläge. Der ZIA reichte daraufhin eine Wunschliste ein: 28 Vorschläge zur „Beschleunigung bei Stadtentwicklung, Planung und Bau“.

Nicht alle dieser Punkte sind problematisch – andere dagegen aus demokratischer Perspektive sehr wohl. Dazu zählt vor allem Punkt 1: Bei Großprojekten sollten „hochqualifizierte Projektmanager als hochbezahlte Top-Kraft“ Baugenehmigungen reibungslos durch die Behörden winken. Die Begründung: Den Beamten fehle häufig der „immobilienwirtschaftliche Hintergrund“ und eine „marktgerechte Perspektive“. Und: öffentliche Ämter könnten bei den Gehältern nicht mit dem freien Markt mithalten. Deswegen winkt der Lobbyverband mit dem Geldschein: Der ZIA schlägt vor, die neuen „hochqualifzierten Projektmanager“ aus der Bau- und Immobilienbranche mitzufinanzieren.

Unabhängigkeit gefährdet

Die Vorschläge des ZIA sind brisant: Vertreter der Bau- und Immobilienwirtschaft, die sich in den Bauämtern ihre eigenen Leute bezahlen? Das ist nicht mit demokratischen Prinzipien zu vereinbaren. Schließlich geht es in Baugenehmigungsverfahren darum, viele Interessen zu berücksichtigen: vom Denkmal- und Umweltschutz über Stadtentwicklung bis hin zu Bürgerbeteiligung. Ein solcher Abwägungs- und Anhörungsprozess erfordert eine größtmögliche Unabhängigkeit – vor allem gegenüber denen, die mit dem Bauen Geld verdienen wollen. Und eine solche Unabhängigkeit ist nur dann vollständig gesichert, wenn die, die Genehmigungen erteilen, in keinerlei finanzieller Abhängigkeit von denen stehen, denen sie die Genehmigung erteilen sollen.

Der gewünschte „immobilienwirtschaftliche Hintergrund“ gefährdet diese Unabhängigkeit – schließlich geht es um mehr als die Anliegen der Immobilienwirtschaft. Auch eine „marktgerechte Perspektive“ kann hier einengend sein – schließlich wird ein Wohnungsunternehmen aus einer rein marktgerechten Perspektive wohl kaum Sozialwohnungen bauen, selbst wenn diese dringend benötigt werden. Hier ist vor allem eine „gemeinwohlorientierte Perspektive“ gefragt.

Managt die Immobilienwirtschaft zukünftig selbst den Planungs- und Genehmigungsprozess? Foto: ulleo/pixabay von Pixabay Public Domain

„Externe Büros“ für Bebauungspläne

Die Vorschläge des ZIA gehen noch weiter: Auch die Erstellung von Bebauungsplänen möchte der ZIA gerne an „externe Büros“ auslagern – ebenfalls mitfinanziert von der Bau- und Immobilienbranche. Selbst für die Brandschutzprüfung soll nicht mehr allein die Feuerwehr zuständig sein. Auch hier drängt die Immobilienwirtschaft in den sensiblen Bereich hoheitlicher Aufgaben hinein.

Das Bau- und Planungsrecht darf nicht leichtsinnig den Interessen der Immobilienwirtschaft preisgegeben werden. Verfahren zu beschleunigen mag sinnvoll sein, aber dies sollte nicht zu Lasten demokratischer Entscheidungsverfahren gehen. Das ist die falsche Antwort auf der Problem des Personalmangels in den kaputt gesparten Bauämtern.

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Rechtsprofessor: „Ein Rückzug des Staates“

Das sieht Rechtsprofessor Willy Spannowsky von der Universität Kaiserslautern ganz ähnlich: Gegenüber der Immobilienzeitung (IZ) sagte er: „Es wäre ein Rückzug des Staates. Der hoheitliche Aufgabenträger wird zugunsten bestimmter Privatinteressen entmachtet.“ So sieht es auch Bernd Faller, Inhaber der Beratungsgesellschaft Quaestio. Er bezeichnet die Vorschläge ebenfalls gegenüber der IZ als „abstrus“ und fragt: „Wem gehört dann die Loyalität? Dem Dienstherrn? Dem Geldgeber?“ Die Aufstockung von Personal in den Kommunen hält er für sinnvoll, allerdings sollten sie „großen Wert darauf legen, ihre Unabhängigkeit zu erhalten und ihre Kompetenzen nicht verkümmern zu lassen.“

Es ist nicht das erste Mal, das der ZIA ein solches Public-Private-Partnership-Modell für Planungs- und Genehmigungsverfahren ins Gespräch bringt. Schon im Mai brachte ZIA-Präsident Andreas Mattner einen ähnlichen Vorschlag ein. Auch Nils Olov Boback, Deutschlandgeschäftsführer des größten Wohnungsentwicklers Bonava unterstützt den Vorschlag: Gegenüber der Immobilienzeitung sagte er, dass die Unternehmen ihre „Manpower“ vorübergehend mit den Behörden teilen könnten.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat dem Lobbydruck in seinem Bereich offenbar schon nachgegeben: In seinem Gesetzesvorschlag zur Beschleunigung beim Infrastrukturbau ist bereits vorgesehen, dass die Behörden in Abstimmung mit den Vorhabenträgern Projektmanager für die Durchführung von Anhörungsverfahren bei Bauprojekten einsetzen können und diese von den Vorhabenträgern bezahlen lassen. Eine fragwürdige Form der Privatisierung hoheitlicher Aufgaben.

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