Lobbyregister

Lobbyregister der EU schafft keine Transparenz

Die europäische Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln (ALTER-EU) hat heute eine erste Auswertung des freiwilligen Lobbyistenregisters der EU-Kommission vorgestellt. Das Register läuft seit Juni 2008 – und die Ergebnisse sind ernüchternd: Die Rate der Registrierungen ist erschreckend gering und die Qualität der offen gelegten Daten unzureichend. Die Hauptkritikpunkte aus unserer Sicht: Bislang haben sich […]
von 28. Januar 2009

Die europäische Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln (ALTER-EU) hat heute eine erste Auswertung des freiwilligen Lobbyistenregisters der EU-Kommission vorgestellt. Das Register läuft seit Juni 2008 – und die Ergebnisse sind ernüchternd: Die Rate der Registrierungen ist erschreckend gering und die Qualität der offen gelegten Daten unzureichend.

Die Hauptkritikpunkte aus unserer Sicht:

  • Bislang haben sich nur 871 Lobbyorganisationen oder Unternehmen registriert (Stand: 23. Januar 2009). Davon haben nur 458 ein Büro in Brüssel, der Rest sind Organisationen aus den EU-Mitgliedsländern. Das Europaparlament hatte die Zahl der Lobbygruppen in Brüssel bereits für das Jahr 2000 auf 2.600 geschätzt. Demnach sind über sieben Monate nach dem Start weniger als 20 Prozent der Lobbyisten registriert (vermutlich noch weniger, weil die Zahl der Lobbybüros inzwischen höher sein dürfte).
  • Wesentliche Unternehmen und Interessengruppen fehlen weiterhin. Anwaltskanzleien und Brüsseler Denkfabriken scheinen das Register mehr oder weniger ganz zu boykottieren.
  • Die Anforderungen an die finanzielle Offenlegung sind zu schwach, insbesondere bei Lobbyagenturen.
  • Aufgrund schwacher Definitionen fallen die eingetragenen Budgets zudem sehr unterschiedlich und dürften bei zahlreichen Lobbygruppen oder Unternehmen unter den tatsächlichen Lobbyausgaben liegen.

Aus Sicht von ALTER-EU zeigen die Ergebnisse, dass das EU-Register grundsätzlich überholt werden muss. Die Registrierung muss verpflichtend sein, das Register sollte die Namen der einzelnen Lobbyisten enthalten und die Finanzdaten müssen genauer angegeben werden. Weitere Kritikpunkte und Forderungen lassen sich in der Online-Version der Kurzstudie nachlesen (pdf).

Der Bericht wurde heute im Rahmen einer Veranstaltung mit Sheila Krumholz vom Center for Responsive Politics aus den USA vorgestellt. Das Center wertet die Daten des US-Lobbyistenregisters aus, das sei 1995 verpflichtend ist. Die Webseite opensecrets.org gehört zu den umfangreichsten Informationsstellen über den Lobbyismus in Washington. Einen englischen Bericht von der Veranstaltung findet man auf theparliament.com. Morgen wird Sheila Krumholz in London über die amerikanischen Erfahrungen mit einem Lobbyregister berichten, am Donnerstag ist sie auf Einladung von LobbyControl für ein Fachgespräch in Berlin.

Erste Schritte zu einem Lobbyregister in Großbritannien
In Großbritannien läuft gerade eine intensive Diskussion über den Lobbyismus. Das Public Administration Select Committee (PASC), ein einflussreicher Ausschuss des britischen Parlaments, hatte am 5. Januar 2009 einen Bericht vorgelegt, der auf ein verpflichtendes Lobbyregister drängt. Der Bericht macht deutlich klar, dass die bisherige Praxis der Selbstregulierung nicht wirksam sei. Er kritisiert auch das freiwillige Register der EU-Kommisson: „Wir können keinerlei Vorteile eines freiwilligen Registers erkennen, das es denen erlaubt, die die Art und Weise und das Ausmaß ihrer Aktivitäten verschleiern wollen, wie der Fall des Registers der Europäischen Kommission gezeigt hat, dies auch zu tun. Es führt zu uneinheitlichen und einseitigen Informationen ohne jeden Zugewinn für die, die wünschen das Ausmaß und die Art und Weise der Lobbyaktivitäten zu beurteilen“, so der Bericht. (Übersetzung von LobbyControl)

Im Register sollen die Namen aller Lobbyfirmen inklusive der Namen der aktiven Lobbyisten festgehalten werden und für wen sie arbeiten. Dies gilt auch für Anwaltskanzleien. Die verpflichtende Angabe von Finanzdaten ist dagegen nicht vorgesehen – einer der Schwachpunkte des Berichts.

Dafür legt der Bericht Wert auf die Offenlegung von Interessenkonflikten, mit besonderem Augenmerk auf den „Drehtüreffekt“. Er sieht vor, dass beide Seiten, Lobbyisten und Politiker, ihre vorherigen Anstellungen angeben müssen. Der fliegende Wechsel von Politikern in die Lobbywirtschaft soll streng kontrolliert werden, sodass es Entscheidungsträger für lange Zeit nach ihrem Ausscheiden nicht möglich ist, Lobbyarbeit zu betreiben. Die britische Regierung hat nun bis Anfang März Zeit, auf den Bericht zu reagieren.

Den Bericht kann man hier als pdf-Datei einsehen. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website unserer britischen Partner von Spinwatch. David Miller von Spinwatch kommentierte gestern im Guardian zudem den jüngsten Lobby-Skandal im britischen Oberhaus. Nach Undercover-Recherchen der Sunday Times boten mehrere Lords der Labour-Partei den als Lobbyisten posierenden Journalisten an, gegen Geldzahlungen Einfluss auf Gesetze zu nehmen.

Bleiben Sie informiert über Lobbyismus.

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.

Datenschutzhinweis: Wir verarbeiten Ihre Daten auf der Grundlage der EU-Datenschutz-Grundverordnung (Art. 6 Abs. 1). Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Zur Datenschutzerklärung.

Teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert. Neue Kommentare erscheinen erst nach Freigabe auf der Webseite.

Interesse an mehr Lobbynews?

Newsletter abonnieren!